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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 1.1889/​90

DOI Artikel:
Sybel, Ludwig von: Relief und Statue in der griechischen Bildhauerei, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3772#0023

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.
Ankündigungsblatt des Verbandes der deutschen Kunstgewerbevereine,

HEKAUSGEBEE:

CARL VON LÜTZOW und ARTHUR PABST

WIEN KÖLN

Theresiammigasse 25. Kaiser-Wilhelmsring 24.

Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG, Gartenstr. 15. Berliu: W. H. KÜHL, Jägerstr. 73.
Neue Folge. I. Jahrgang. 1889/90. Nr. 3. 24. Oktober.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den
Sommermonaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Kummern. Die Abonnenten der „Zeit-
schrift für bildende Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. — Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Yer-
lagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Yogier, Eud. Mosse u. s. w. an.

RELIEF UND STATUE
IN DER GRIECHISCHEN BILDHAUEREI.

Von Ludwig von Sybel.

Ernst Jiietschcl erzählt in seinen Jugender-
innerungen, wie er als Rauchs Schüler sein erstes
Relief modellirte. „Rauch fragte mich, ob ich schon
ein Relief rnodellirt habe. Ich hatte keinen Begriff
davon und glaubte, ein Relief sei eigentlich eine
halbdurchgeschnittene Figur, die mit ihrer Flach-
seite auf einem Grunde aufläge. Was ich von grie-
chischen Reliefs im Dresdener Gipsmuseum geseheu,
hatte mir das Prinzip derselben noch nicht klar ge-
macht."

Rauch gab ihm einen Apostel Paulus auf, und
Rietschel beginnt die Figur anzulegen. „Da ich
aber", fährt er fort, „das Flächenprinzip des Reliefs
nicht kannte, so kam ich damit immer höher und
runder heraus, so dass der äussere Arm freistand,
was dann auch fürs Gewand das Gleiche mit allen
seinen Unmöglichkeiten forderte. Rauch kam meh-
rere Tage hintereinander, sah die Arbeit und ging,
ohne ein Wort zu sagen, weiter. Endlich am dritten
Tage fragte er mich nach einem Drahte, den ich ihm
erwartungsvoll, was er damit wolle, reichte. Da
schnitt er fast die Hälfte von der Höhe der Figur
herunter, die mir zu Füssen fiel, dass gleichsam nur
ein Grundriss zurückblieb und sagte: „Wie kann
man nur eine so infame Klempnerarbeit machen!
Nur so hoch darf es sein!"

Der Vorfall ist bezeichnend für moderne Kunst-
übung und Kunsttheorie in Rauchs Zeit. Die grie-
chischen Reliefs, auf welche der Erzähler anspielt,

sind Marmorreliefs mit geringer Erhebung der Fi-
guren, und bezeichnend ist, dass die Klassiker unserer
Bildhauerei vom griechischen Basrelief das allge-
meingültige Gesetz für jede Art von Relief ableite-
ten, für das in Thon wie für das in Stein. Es galt
Rauch als selbstverständlich, dass das Thonrelief sich
ganz nach der Regel des Marmorreliefs halte.
Wir Neueren, denen besonders Gottfried Sempers
Werk über den Stil das Auge für diese Dinge ge-
schärft hat, wir wissen, achten und schätzen die
Artverschiedenheit, welche zwischen Thon- und Mar-
morarbeit besteht. Bekanntlich, so dürfen wir heute
sagen, hat jede Technik, wie sie durch die Natur
des von ihr verarbeiteten Materials und die Eigen-
schaften der für die besondere Arbeitsweise zuberei-
teten Werkzeuge bedingt wird, ihren Charakter und
giebt dem Kunstwerk ein Gepräge, den technischen
Stil, welcher an sich wertvoll ist. Die Griechen
haben es unter anderem deshalb soweit gebracht,
weil sie die Stilarten, ich sage nicht, engherzig
gegeneinander abschlössen, gar unter Nichtachtung
ihrer natürlichen Verwandtschaften — das wäre
eine ertötende, gänzlich ungriechische Pedanterie ge-
wesen, wohl aber, weil sie jede Stilart völlig heraus-
bildeten und deren Eigenwerte für die künstlerische
Wirkung gründlich ausnutzten. Darum würde es
sich empfehlen, den Artbezeichnungen ihren ver-
loren gegangenen scharf umgrenzten Sinn zurückzu-
geben. Wir pflegen die Worte „Bildhauerei" und
„Skulptur" gleichwertig mit dem Worte „Plastik"
zu gebrauchen; ja, unser Gefühl für Worteigen-
wert hat sich so sehr abgestumpft, dass wir es hin-
nehmen, wenn im engsten Sinne „plastische", näm-


 
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