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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 1.1889/​90

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Necker, Moritz: Der Städtebau nach künstlerischen Grundsätzen
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Rosenberg, Adolf: Die Ausstellung der kunstgeschichtlichen Gesellschaft in Berlin, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3772#0222

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431

Die Ausstellung der Kunstgeschicktlichen Gesellschaft in Berlin.

432

zu verkennen. Aber gegen die ausschliessliche Herr-
schaft des Utilitätsstandpunktes, gegen die abstrakt
von den Bauämtern im Bureau dekretirten Stadter-
weiterungsprojekte ohne Rücksicht auf die indivi-
duellen Eigenheiten jeder Stadt in historischer, in-
dustrieller oder sozialer Beziehung, und gegen den
absoluten Mangel irgend eines Versuches, die Stadt-
seele künstlerisch zum Ausdruck zu bringen — da-
gegen wendet er sich mit Leidenschaft und auch
mit unbezweifelbarem Rechte. Diese Ideen scheinen
uns die wichtigsten und zündendsten in. Sitte s Buch
zu sein. Eine Stadt soll schön sein; diese Schönheit
zu schaffen, liegt nicht wie man noch immer glaubt,
in der Hand des Zufalls, sondern des bewusst wollen-
den Künstlergeistes, nachdem der unbewusste Künst-
lergeist aus der Welt geschwunden ist: das ist Sitte's
schöpferische Idee, die nicht sterben wird, weil sie
nicht sterben kann.

Als richtiger Künstler kann er sich aber mit
der Mitteilung von neuen Ideen nicht begnügen,
darum schliesst sein Buch mit einem grossartigen
Entwurf als Veranschaulichung aller seiner Forde-
rungen. Hier, in dem Projekt der architektonischen
Verwertung der allzu grossen leeren Räume, welche
auf der Wiener Ringstrasse von der Votivkirche, der
Universität, dem Rathaus und Parlament bis zu den
Museen hin übrig gelassen worden sind, erkennen
wir erst die volle Bedeutung von Sitte's Theorien.
Der Entwurf darf wohl zu dem Grossartigsten ge-
rechnet werden, was in dieser Art ersonnen wurde.

MORITZ NECKER.

DIE AUSSTELLUNG DER KUNST GSCHICHT-

LICHEN GESELLSCHAFT IN BERLIN.

V.

Nicht minder zahlreich als die holländischen
Landschafter sind die Stillleben-, Früchte- und
Blumenmaler vertreten. Wir begnügen uns von
denen, deren Eigentümlichkeiten allgemein bekannt
sind, nur die Präsenzliste aufzustellen: Balthasar van
der Ast, van Beyeren, Pieter Claesz, Dou, Heda, Cor-
nelis de Heem, Jan van Huysum, W. Kalf, A. Mig-
non, Maria van Oosterwyck, Pieter Potter und Jurian
van Streeck. Weniger bekannt sind Evaert Collier
(thätig bis nach 1689) und Hermann van Steenwyck
(ca. 1614 bis ca. 1655), die zu dem Kreise der Ley-
dener Maler gehören, die in der Art des Dou und
des P. Potter sog. „Vanitas" und aus Büchern, Ma-
nuskripten, Globen und wissenschaftlichen Instru-
menten zusammengesetzte Stillleben malten, die zum
Verkauf an die Leydener Gelehrtenkreise berechnet

waren, ferner der in Amsterdam thätige, 1610 zu
London geborene Simon Luttichuys (f ca. 1663),
der zumeist Frühstücke auf Steinplatten malte, und
Gerrit Willemsz Horst, von dem die Ausstellung einen
mit Früchten und einem goldenen Pokal besetzten
Tisch aufzuweisen hat, der mit dem Namen und der
Zahl 165 (letzte Ziffer unleserlich) bezeichnet ist (Bes.
Herr A. Thiem). Das Bild zeigt den Einfluss Rem-
brandts. Mehr weiss man von seinem Urheber nicht.
Unseres Wissens zum ersten Male durch diese Aus-
stellung werden auch allgemeiner bekannt T. Hooghen
Manert, dessen Namen in dieser Form nebst der
Jahreszahl 1651 ein in der Art des Heda gemalter
Frühstückstisch (Bes. Herr 0. Wesendonck) trägt,
und F. P. Verheyden, von dem eine so und mit der
Jahreszahl 165 . (letzte Ziffer unleserlich) bezeichnete,
in der Weise des W. van Aelst gemalte Steinplatte
mit einem Rebhuhn und andern toten Vögeln her-
rührt (Bes. Herr Wesendonck). ■—

Um das Bild der niederländischen Kunst des
17. Jahrhunderts thunlichst vollständig zu gestalten,
hatte das Komitee eine kleine Anzahl von Arbeiten
in Metall und Holz und eine über 150 Nummern
umfassende Sammlung von Delfter Faiencen hinzu-
gezogen. In der Gruppe der Holz- und Metallarbeiten
befinden sich freilich nur wenige hervorragende Stücke,
von denen ein aus dem Brautschatz der Kurfürstin
Sophie Charlotte stammendes, mit buntbemaltem
Schildpatt und Zinnplättchen belegtes Kabinett mit
Tischuntersatz von 1683 nebst zwei Gueridons, eine
Standuhr mit einem Gehäuse in nachgeahmter japa-
nischer Lackarbeit, von J. van Ceule in Haag an-
gefertigt, und ein dem F. Duquesnoy zugeschriebener
kleiner Christus auf der Weltkugel in Bronze er-
wähnenswert sind. Desto reichhaltiger und vielseiti-
ger ist die Sammlung Delfter Faiencen, in der alle Ge-
schmacksrichtungen und Arten der Technik vertreten
sind bis auf das schwarze Delft. Wenn wir von den
grossen Schaustücken, den Prunkvasen, Tulpen-
ständern und bemalten Platten aus den königlichen
Schlössern absehen, die wohl sämtlich aus kurfürst-
lichem Besitz, bezw. aus der oranischen Erbschaft
stammen, finden wir, dass sich in Berlin mehr als
ein Dutzend von Liebhabern mit dem Sammeln von
Delfter Faiencen beschäftigt. In den Kreisen der
Sammler ä tout prix und ä la mode bildet die Delf-
ter Faience auch heute noch ein Hauptobjekt des
Sports. Dagegen hat sich unter denjenigen, die die
Erzeugnisse des älteren Kunstgewerbes nach ästhe-
tischen Prinzipien auf ihren absoluten Kunstwert
prüfen, bereits eine starke Reaktion geltend gemacht.


 
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