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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 2.1890/​91

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Vom Christmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.3773#0062

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.
Ankündigungsblatt des Verbandes der deutschen Kunstgewerbevereine.

HERAUSGEBEE:
UND

CARL VON LUTZOW

WIEN
Heugasse 58.

ARTHUR PABST

KÖLN
Kaiser-Wilhelmsring 24.

Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG, Gartenstr. 15. Berlin: W. H. KÜHL, Jägerstr. 73.

Neue Folge. II. Jahrgang.

1890,91.

Nr. 8. 4. Dezember.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den
Sommermonaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeit-
schrift für bildende Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. — Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Ver-
lagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an

VOM CHRISTMARKT.

I.

Der Kampf ums
Dasein auf dem Ge-
biete der Weih-
nachtslitteratur ist
wieder heftig ent-
brannt. Die
Heroldsrufe, welche
die bunten, reich
ausgestatteten Er-
zeugnisse verkün-
digten, haben sich
in den letzten Wo-
chen beträchtlich
gemehrt, und an
allen Ecken und
Enden bewaffnen
die Erzeuger der
öffentlichen Meinung den Blick, um die neuen
glänzenden Kometen am buchhändlerischen Himmel
ln hohen Augenschein zu nehmen, ihre Bahn zu
berechnen und ihre Lichtstärke zu bestimmen. Unter-
dessen kreisen die Planeten des Büchermarkts, als
da sind: Kochbücher, Märchenbücher, Romane, un-
aufhürlii-h weiter um die Sonne des allgemeinen
Interesses und vollenden Umlauf auf Umlauf —
einer der neuesten hat sogar in zehn Monaten fünf-
"ndzwanzigmal seine Bahn durchmessen — während
^le blendenden Erscheinungen der Prachtwerke.
Wenn das Perihel des 21. Dezembers vorüber ist.
lllre langgestreckte Bahn wieder weiter eilen und
aHiuiihHch ins Dunkel tauchen — entweder auf

Nimmerwiederkehr oder um nach Jahresfrist mit
geschwächter Helligkeit nochmals in Sonnennähe zu
treten.

Ein geistreicher Franzose — was beinahe ein
Pleonasmus ist —hat vor Jahren die Kometen einmal
„riens visibles", sichtbare Nichtse, genannt wegen
ihres geringen materiellen Gehalts, und auch in dieser
Hinsicht besteht eine gewisse Ähnlichkeit zwischen
den Schweifsternen und den Prunkstücken der
Litteratur. Der Litteratur? Litterae — Buchstaben,
das ist eben jene Materie, deren sich die Erzeugnisse
des Geschmacks immer mehr zu entledigen suchen,
um einen schnellen Flug zu erlangen. Wie dem
Körperlichen überhaupt, so haftet dem Körperlichen
des Prachtwerkes, nämlich dem Texte, eine gewisse
Schwere an, und die andern Eigenschaften der
Materie, nämlich die Trägheit oder das Beharrungs-
vermögen, ja mitunter sogar eine gewisse Undurch-
dringlichkeit ist an den Texten wahrnehmbar. Immer
mehr schwindet das Behäbige, Schwerfällige der
alten Prachtfolianten; eine leichte, flotte Bauart wird
beliebt, und doch soll sie zugleich nicht nur multum,
sondern auch multa — nicht nur Bedeutendes, son-
dern auch Vielerlei bieten; denn hier heisst es:

Bin Mann, der recht zu wirken denkt.
Muss auf das beste Werkzeug halten

und ferner:

Was hilft's, wenn Ihr ein Ganzes dargebracht!
Das Publikum wird es Euch doch zerpflücken.

Nicht ohne Grund sind wir auf die Worte des
Theaterdirektors geraten, der dem schwärmenden
Poeten so wohlgemeinte Ratschläge erteilt. Denn
einem Theaterdirektor verdankt das Werk, das „Die
 
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