Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 2.1890/​91

DOI Artikel:
Feddersen, Martin: Über polychrome Plastik
DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3773#0106

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
201

Ober polychrome Plastik. — Kunstgeschichtlicb.es.

202

„So wird sich doch schon gleich bei dein pla-
stischen und ornamentalen Schmuck unserer Fassaden
fragen lassen, ob diese durch ein wenig Farbe —
ein wetterbeständiges Material, wie glasirten Thon
oder dergleichen vorausgesetzt — nicht zu deut-
licherer und energischerer Formwirkung, zu einem
mehr festlichen und heiteren Gesamteindruck ge-
steigert werden könnte."

Nun ich meine, wenn dieses geschehen, so fiele
schon die Rücksicht auf die grämlichen Häuserreihen
weg. Dr. Treu schlägt nun ein wetterbeständiges
Material, wie glasirten Thon für den Schmuck der
Fassade vor. Gewiss, je Avetterbeständiger, desto
besser, aber wo man glasirten Thon nicht anwenden
kann, wo er zu teuer wird, soll man doch Farbe
nelnnen. Was schadet es denn, wenn die Farbe in
einigen Jahren auch wieder aufgefrischt werden inuss,
die meisten Häuser werden ja doch wieder nach
einigen Jahren gestrichen, und ich glaube, es lässt
sich ein Haus ebenso billig oder doch nur um ein
geringes teurer geschmackvoll in verschiedenen
Farbentönen streichen, als es jetzt eintönig ge-
schmacklos angestrichen wird.

Es ist wahr, es ist sehr schlimm, dass wir Kord-
länder mit Regen, Schnee und Kohlenstaub zu rech-
nen haben, aber ich sehe trotz alledem doch keinen
Grund, die im Freien stehenden Statuen nicht auch
2u bemalen. Sollte man nicht lieber darauf denken,
wie diesem Ü beistände möglichst zu begegnen ward
als einfach von vornherein auf die Bemalung zu ver-
zichten-'

Wie steht es denn mit dem dauerhaften unge-
färbten Material unserer Monumentalplastik ? Mei-
stens ist dieses Material doch Bronze. Nun, wenn
•Hau so ein Denkmal aus Bronze nach einem Jahre
s'eht, so weiss man nicht mehr, ob es Bronze oder

'IS|n ist, so schwarz ist es geworden. Fingerdick
Uegt der Schmutz auf den Figuren, und es kann doch
U;|nrlia!ÜLr keinem Menschen Vergnügen machen,

lese Figuren anzusehen. Und was nun den Mar-
m°r anbetrifft, so ist er der Witterung erst recht
U|iterworfen, denn Marmor ist doch das Zarteste, was

s gJcbt, er verliert gar bald seine viel herrorge-
l0bene „keusche" Weisse und Klarheit und wird

ec»ig und stampf, dauerhaft, was die äußere Kr-

ebe

ili

auaung in Bezug auf die Farbe anbetrifft, ist liier

eri nichts. Ich glaube, dasfi bemalte Stadien länger

""■ ursprüngliches Anseilen behalten werden, ah
r°öze und der Marmor. Freilich muss man sich
az« bequemen, Leute anzustellen, die die Stadien

'"•''Heu reinigen, ehe sie ganz, verschmähten.

Ferner muss ich dem widersprechen, dass Dr. Treu
hier bei dieser Frage „der Gewohnheit" einige Kon-
zessionen macht, indem er sagt: „Das ungefärbte
Material unserer Monumentalplastik würde schon aus
äusseren Gründen seinen Platz behaupten, selbst
wenn es weniger fest in den „Gewohnheiten" unseres
Geschmackes Wurzel geschlagen hätte, als dies der
Fall ist u. s. w." Die Gewohnheit ist ja gerade der
schlimmste Feind jeder Neuerung oder dessen, was
als neu gilt. Warum wäre es denn Wahnsinn, möchte
ich fragen, wenn man einmal wirklich bei der Sache
bleiben will, „eine Kunstweise, selbst wenn sie ein
Michelangelo durch seine Thätigkeit geweiht und
auch in den Werken der modernen Bildhauer unsere
plastische Phantasie vollständig beherrscht, gewisser-
raassen ausrotten zu wollen?" Ich sehe wahrhaftig
nicht ein, warum die Künstler, nachdem sie einmal
erkannt haben, dass die Polychromie unbedingt
notwendig ist in der Plastik, sich ihr nun nicht
ausschließlich zuwenden und nur derartige Werke
.schaffen solten. Man muss versuchen, sich in die Seele
des schaffenden Künstlers hinein zu versetzen; ihn,
den schaffenden Künstler kümmern nicht Phidias und
nicht Michelangelo, und sie dürfen ihn nicht küm-
mern, wenn was Rechtes in ihm steckt und wenn
er was Rechtes schaffen will. Phidias und Michel-
angelo können ihm direkt doch nicht helfen. Um
seine künstlerische Überzeugung, etwa für die Poly-
chromieplastik, auszusprechen, wird sich der Künstler
auch von einem Michelangelo trennen und für alle
Konsequenzen einstehen.

KUNSTGESCHICHTLICHES.

Die Sebastians-^ irlmuiiy von Hans Traut in der Uni-
versitätsbibliothek zu Erlangen, ehemals in Dürers Besitz
und von diesem mit der Beischrift: „Dz hatt Hans Trawt zw
Nornniercbkg gemacht" versehen, gewährt einen beachtens-
werten, der Wolgemutforschung. so viel ich sehe, bisher ent-
gangenen Aufschluss über das Verhältnis des Nürnberger Alt-
meisters zu sein.in, lediglich durch dieses Blatt bekannten Zeit-
und Zunftgenossen. Die mit dem Rötel, grünlicher und grau-
brauner Farbe kolorirte, weiß gehöhte Federskizze (hoch 50 cm,
breit 30 cm) stellt sich nämlich als unmittelbare Vorlage
für die Hauptfigur eines der inneren Flügelbilder von Wol-
gemuts Peringsdörferschem Altare im Germanischen Museum,
des Seba^tian<martvriums. dar. Wolgemut oder der an seiner
Statt hier eingesprungene Gehilfe hat den anatomisch nicht
übel durchgebildeten Akt gleichsinnig und unter Bei-
behaltung von Typus und Stellung in das Gemälde her-
übergenommen, wie ein Vergleich der Photographie des Er-
vnn Heintz) mit einer der Reproduktionen
der Perinpsdörferschen Fliigeltafel (Soldan-Biehl, Die Qe
milde von Dürer und Wolgemut, Lief. II, Nr. 44; Lübke,
Geschichte der deutschen Kunst, S. 573; Phot von J. L.Schräg,
Nürnberg) ergiebt. Von der Veränderung der Qenchtasflge
abgesehen, hat der Maler nur geringfüpip' Abweichungen
 
Annotationen