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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 2.1890/​91

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Farbenphotographie
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341

Farbenphotographie.

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Bemühen fast aussichtslos war. Denn was ist ur-
sprünglich eine Photographie? Die auf eine Platte
aufgetragene Lösung eines chemischen Körpers, der
die Eigentümlichkeit hat, vom Lichte (richtiger von
gewissen chemisch wirkenden Schwingungen des
Lichtes) zersetzt zu werden. Wenn der zu zersetzende
Körper ein Silhersalz ist, so werden die Stellen, auf
welche das Licht fällt, dunkel werden, die beschatte-
ten Stellen weiß bleiben.

Es leuchtet ein, dass eine photographische Platte,
die durch Beimischung von Silbersalz leicht empfind-
lich gemacht ist, zwar die Umrisse, niemals aber die
Farbe der Gegenstände festhalten und wiedergeben
kann. Denn das Licht, es habe selbst welche Farbe
immer, kann nur entweder zersetzend oder nicht
zersetzend auf das Silbersalz wirken. Wenn es zer-
setzend wirkt, wird es die Platte immer nur schwarz
machen, auch wenn es selbst blau, violett oder weiß
ist; wenn es nicht zersetzend wirkt, wird es die
Platte nur weiß lassen, auch wenn es selbst rot,
orange, gelb oder grün ist. Immer werden wir
durch Licht, gleichviel welcher Farbe, immer bloß
Schwarz und Weiß bekommen, und nur nach dem
Grade der Stärke, nicht nach seiner Farbe, wird das
Licht einen weniger tiefen oder tieferen duuklen
Fleck hervorbringen. Ist der lichtempfindliche
chemische Stoff ein solcher, der ursprünglich nicht
weiß oder gelblich und dessen Zersetzungsergebnis
nicht braun oder schwarz ist, so wird die Photo-
graphie zwar eine andere Farbe zeigen, als wenn sie
mit Chlor-, Jod- oder Bromsilber ausgeführt wurde,
aber immer nur die Farbe des zersetzten oder un-
zersetzten chemischen Stoffes, nicht die Farbe des
auf ihn wirkenden Lichtes, also der zu photogra-
phierenden Gegenstände.

Man hat versucht, mit allerlei Kunstgriffen Farben-
verschiedenheiten auf lichtempfindlichen Platten her-
vorzubringen, indem man sie der Reihe nach in
verschieden gefärbte Lösungen tauchte, indem mau
sie durch verschiedenfarbige Glasplatten hindurch
beleuchtete u. s. w., aber die Ergebnisse standen zur
aufgewandten Mühe in keinem richtigen Verhältnisse.
Jetzt hat sich der Professor der Physik an der Sor-
bonne (der Pariser philosophisch-naturwissenschaft-
lichen Fakultät) Lippmann dem angestrebten Ziele
auf einem anderen Wege genähert. Die chemische
Methode hat fünfzig Jahre lang keinen Erfolg ge-
geben. Professor Lippmann versuchte es nun mit
der physikalischen Methode, und es scheint, dass er
zu einem befriedigenden Ergebnis gelangt ist.

Seine Platten unterscheiden sich nur in einem

Punkte von den gewöhnlichen. Der lichtempfind-
liche Stoff (Brom- oder Jodsilber) darf in der Lösung
nicht grobkrümelig oder körnig, sondern muss un-
gemein fein und gleichmäßig verteilt sein, so dass
die Gelatine, das Kollodium, das Eiweiß, oder was
eben der zu lösende Stoff ist, mit dem gelösten
Silbersalze eine ganz gleiche, Schicht auf der Platte
bildet. Diese Platte wird auf eine spiegelnde (das
Licht zurückwerfende) Fläche gelegt. Lippmann
bedient sich eines Gefäßes mit Quecksilber, es kann
aber auch eine beliebige andere Spiegelfläche sein.
Und das ist auch alles. Die Belichtung geschieht
wie gewöhnlich, ebenso die Entwicklung, das Fixiren
und das Waschen mit unterschwefligsaurem Natron
oder Cyankali.

Die große Entdeckung ist das Auflegen der
Platte auf einen Spiegel. Was dabei in der Platte
vorgeht, das kann man sich so verständlich machen:
das in die Dunkelkammer einfallende Licht. trifft
die Platte, geht durch sie hindurch, prallt auf den
Spiegel hinter ihr auf, wird von ihm zurückgewor-
fen und fällt ein zweites Mal von rückwärts auf die
Platte. Die einfallenden und zurückgeworfenen
Strahlen „interferieren", das heißt, ihre Wellen-
schwingungen gehen durch einander. Es treten die
gewöhnlichen bekannten Interferenz-Erscheinungen
ein. Wo zwei Wellenberge zusammenfallen, ver-
stärken sie einander und geben eine besonders starke
Lichtwirkung; wo zwei Wellenthäler zusammenfallen,
ist das Dunkel, die Abwesenheit der Lichtwirkung
besonders stark.

So dünn die lichtempfindliche Schicht auf der
Platte auch ist, sie ist immer dick genug, um einige
hundert Wellenlängen der Lichtschwingung in sich
aufzunehmen und festzuhalten. Die Strahlen ver-
schiedener Farben haben Wellenschwingungen von
verschiedener Länge, und ihre Interferenz schafft in
der Platte verschiedene Verhältnisse. Die Platte,
welche der Interferenz des einfallenden und zurück-
geworfenen Lichtes ausgesetzt wurde, behält den
Eindruck der Schwingungen, welche sie durchsetzt
haben, das heißt einige Hundert in ihrer (wenn
auch mikroskopischen) Dicke auf einander folgende
zersetzte und unzersetzte, dunkle und helle Silber-
schichten, und macht auf das menschliche Auge die
Wirkung des Farbigen kraft desselben Gesetzes,
durch das wir überhaupt den Eindruck von Farbe
empfangen, nämlich dadurch, dass sie uns eine be-
stimmte Anzahl Lichtschwingungen von bestimmter
Wellenlänge gleichsam festgefroren zeigt. Professor
Lippmann drückt das sehr gut und klar aus, wenn
 
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