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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 3.1892

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Haendcke, Berthold: Ein Zeitblom (?) in Luzern
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https://doi.org/10.11588/diglit.5366#0145

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(?) in Lasern.

278

EIN ZEITBLOM (?) IN LUZERN.

Zwei Museen in der Schweiz, Bern und St.
Gallen, rühmen sich, Gemälde von der Hand Bartholo-
mäus Zeitbloms zu besitzen, die einzige Kunstsamm-
lung dagegen, die thatsiichlich ein diesem Meister
jedenfalls sehr nahestehendes Bild ihr Eigen nennt,
lässt darüber nichts verlauten.

In einem der Nebensäle des besonders durch
seine herrlichen Maurerscheiben so berühmten
Museums zu Luzern hängt ein großes Ölbild mit
der Darstellung der Beweinung Christi. Die Szene
selbst ist eingerahmt durch zwei Pilaster, auf denen
ein Rundbogen aufsitzt. Gotisches Astwerk belebt
die Zwickel; in der Mitte hängt die Tafel mit der
Inschrift J. N. R. J. Im Vordergrunde ruht, halb
sitzend der Leichnam auf einem weißen Tuche. Der
Kopf ist tief in den Nacken zurückgesunken. Niko-
demus stützt den Oberkörper und fasst mit beiden
Händen unter die Achseln. Maria Magdalena, die
rechts kniet, hat die Hand des Toten ergriffen.
Etwas zurück, in der Mitte, ist die Madonna auf die
Kniee gefallen; sie wird von dem ein wenig nach
rechts getretenen Johannis Ev. gehalten. Die Mutter
des Abgeschiedenen hat die Hände in einander ge-
presst und blickt voll tiefen Grames in dessen Ant-
litz. Maria Jacobi kniet zur Rechten von Maria.
Zur Linken des Evangelisten und ein wenig zurück
steht Maria Salome. Im Mittelgrund erhebt sich,
in der Mitte, ein kantiger pittoresk geformter Fels-
block, der mit einem anderen, ihm rechts gegenüber-
stehenden einen Engpass bildet, durch den sich ein
großer Teil der zur Kreuzigungsszene geeilten Juden
nach Jerusalem zurück begiebt. Nur einige wenige
folgen auf dem breiten Pfade links vom Felsen dem
berittenen Befehlshaber der sich schon dicht vor
den Thoren der links im Hintergrunde liegenden
Stadt befindet. Aus Jerusalem heraus führen mehrere
breite Wege, zum Teil an den Hügeln zur Rechten
vorbei auf das ganz entfernt gesehene vielspitzige
schneebedeckte Gebirge zu. Ein grünlicher Ton liegt
über demselben. Es hebt sich scharf und klar vom
Himmel ab, der hier am äußersten Horizont noch
licht istj während ihn sonst schwere Wolken be-
decken.

Einem jeden, der die Beweinung Zeitbloms im
Germanischen Museum zu NürnbergJ) kennt, wer-
den die nahen Bezüge beider Gemälde sofort ent-
gegentreten. Nur ist die Komposition weniger feier-

1) Vgl. Haendcke: Zeitblom und Dürer. Anz. d. Germ.
Museums 1888. II. Bd. pg. 169.

lieh, nicht so geschlossen, die Bewegungen der Per-
sonen sind aufgeregter, die bekannten typischen Züge
derber, die Farben warm und ziemlich leuchtend,
die Technik des Malens ist ähnlich, aber nicht so
sorgfältig. Genug wir haben das Werk eines Zeit-
blom sehr nahestehenden Malers, dem jenes Nürn-
berger Bild ohne jeden Zweifel als direkte Vorlage
gedient hatte. Nur in der Landschaft ist der Schüler
fast ganz selbstständig. Diese ist namentlich viel
reicher aufgebaut und viel malerischer in der Auf-
fassung und Durchführung. Der Maler dieses Ge-
mäldes ist ersichtlich noch energischer, als sein
Lehrer von der neuen Richtung beeinflusst worden.
Es ist interessant zu sehen, wie sich trotz der engen
Verknüpfung mit den Zeitblomschen Kunstideen
überall fast unmerklich die Knoten lösen: Aufbau
der Szene, das Gebaren der Personen, die Land-
schaft, selbst die Führung des Pinsels; alles zeugt
von der neuen aktiveren Auffassung in der Malerei.

Es ist, obschon die schweizerische Malerei des
16. Jahrhunderts in starker Abhängigkeit von der
deutschen steht, auffallend hier in der Centraischweiz
ein Gemälde anzutreffen, das in direkte und so nahe
Beziehungen zu einem bestimmten deutschen Meister
gesetzt werden kann und sicher nicht von einem
Einheimischen gemalt worden ist. Das Rätsel wird
uns wahrscheinlich dadurch gelöst, dass im 30jäh-
rigen Kriege viele süddeutsche Familien') in die
Schweiz flüchteten. Das in Frage stehende Bild war
früher in der Kirche Mariahilf in Luzern und ge-
hörte zu jenen Gemälden, die 1678 dem Kloster vom
Statthalter Meyer geschenkt wurden. -)

Bei dieser Gelegenheit möchte ich die Aufmerk-
samkeit der Forscher auf die Lebensdaten Zeitbloms
selbst wieder richten, da in diesen offenbar nicht
vollkommene Klarheit herrscht. Nach den Württem-
bergischen Vierteljahrsheften für Landesgeschichte
IV (1881) pg. 1043). Pressel, Ulm und sein Münster
pg. 106. Meyer: Allgem. Augsb.-Ztg., Beilage 1872
(116) und Janitschek, Gesch. der deutschen Malerei
haben wir folgende Nachrichten:

Die Familie Zeitblom (Zeytplum) scheint aus
Augsburg zu stammen. Im Jahre 1483 heiratete
Barth. Zeitblom die Tochter Schühleins; steuert in

1) Freundliche Mitteilung des Hrn. Staatsarchivars Dr.
Th. von Liebenau in Luzern.

2) Es sei übrigens bemerkt, dass sich in derselben
Sammlung noch ein sicher ulmisches Bild, eine Begegnung
der Frauen, befindet.

3) Ich gebe diese Zusammenstellung nach alten Ex-
cerpten und mache keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
 
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