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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 3.1892

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Rosenberg, Adolf: Das Projekt für den Berliner Dom
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Nordhoff, Josef B.: Der altdeutsche Franziskanermaler zu Corbach, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5366#0203

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393

Der altdeutsche Franziskanermaler zu Corbaoh.

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richten, von richtigem Gefühl eingegeben war, wenn
sie auch der einmal fertigen Front keinen Nutzen
gebracht hätte.

Es wäre also hier die Gelegenheit, einen Plan
Michelangelos und seiner würdigen Vorgänger und
Zeitgenossen mit richtiger Kritik ins Leben zu
bringen. Bei dieser Kritik wäre aber auch eine
Revision der Verbindung zwischen dem äußeren
Kuppelkranz und der die Kuppel krönenden Laterne
dringend geboten. Der 1888 veröffentlichte Entwurf
Kaiser Friedrichs zeigt in der Kuppel- und der
Laternenbildung einen engeren Anschluss an die
Peterskirche, der in dem gegenwärtigen Entwürfe
wohl nur der Originalität halber aufgegeben worden
ist, wie wir glauben, zum Schaden der monumen-
talen Wirkung aus der Nähe und zum Schaden der
Wirkung aus der Ferne, weil die Silhouette durch
den Kuppelkranz und das luftige Gertist der La-
terne an Geschlossenheit verlieren wird.

ADOLF R OS EXBER 0.

DER ALTDEUTSCHE FRANZISKANER-
MALER ZU CORBACH.

Von J. B. Nordhoff.
(Schluss.)

Die beiden Corbacher Tafelwerke werden meistens
auf ein- und dieselbe Künstlerhand zurückgeführt —
die seltenere Meinung erklärt sich für zwei Maler
und zwar deswegen, weil das ältere (der Nikolaikirche)
in den Physiognomien zarter und idealer, in den
Gruppirungen malerischer, in der Zeichnung, sogar
in der Farbe korrekter erscheine, als die größere
und jüngere Tafel der Kilianskirche; letzteres trifft
nicht zu, oder es müssten von dieser die äußersten
Leinwandflügel- und Bilder in den Vergleich gezogen
werden, welchen sie allerdings nicht bestehen. Sonst
sind beiden Werken neben der Nähe des Standortes
und Alters nicht nur gewisse Äußerlichkeiten als
Jahresdatum und Malerbildnis, sondern auch Technik,
Richtung und Grundstimmung gemein, so die mehr
helle, als freundliche oder gesättigte Farbe, die
Landschaft und darüber die goldene Luft, die treue
Wiedergabe oder die Betonung des Natürlichen und
Realen in den Kostümen, Beiwerken, Umgebungen
und meistens auch im Körperlichen: hier hapert's;
denn sobald ernstlich menschliche Bosheit oder er-
schütternde Vorgänge zu schildern waren, da wurde,
wie auf dem jüngern Bildwerke, aus einem Henker-
gesichte eine halbzahme oder missratene Karikatur;
doch die Auswahl und die Komposition menschlicher
Szenen, die Charakteristik des Antlitzes, die Haltung

der Gestalten mildert und veredelt durchgehends ein
hehrer Zug, eine lyrische Stimmung; ein Hauch von
Ruhe, Sanftmut und inniger Herzensandacht rührt
und verklärt das Antlitz und den biedern Ausdruck
der Augen. Vor allem erhaben und zugleich na-
turtreu blieb die Gestalt des gekreuzigten Erlösers.

Wenn von diesen Eigentümlichkeiten auf dem
späten Altare einzelne schwächer ausfallen, wenn hier
in der manierirten Gewandbehandlung und der Charak-
teristik der Köpfe Herbes oder "Unschönes hervor-
bricht, so liegt das in der vorgerückten Zeit, welche
die Kraft des Malers schwächte und ihn immer
weiter in einen Realismus drängte, mit dem er nicht
aufgewachsen war.

Kurzum beide Altarwerke erweisen sich als
gleichzeitige Abkömmlinge der Soester Malerschule
und genauer betrachtet als nächste Anverwandte
ihrer spätesten Erzeugnisse, denen der sogen. „Lies-
borner Meister" (1465) den Geist des Idealen und
Hehren in die realistische Zukunft mit auf den Weg
gegeben hat.

Die Corbacher Gemälde sind kraftvoller in den
Handlungen, gediegener in der Gruppirung und
Einzelgestalt als die miniaturhaft angelegten Bilder
aus Herzebrock'), sie sind schärfer in der Charak-
teristik, als die Flügel des Amelsbürener Altares;
mehr nähern sie sich dem Sünninghauser Tafelwerk,
ohne dessen Höhe zu erreichen, in der Wiedergabe
des Seelischen und in der würdevollen Gruppirung,
sodann, ohne die anatomischen Gebrechen und die
farbigen Schönheiten mitzumachen, den Bildern Gerts
van Lon (1505 bis ca. 1530) in den großen Gestalten und
den mildfrommen Augen überhaupt; beiden letzteren
fast gleich kommen sie in den Faltenbrüchen; dafür dass
diese bei den schwebenden Engeln und bewegten
Figuren an den Corbacher Bildwerken (1518—1527)
auffallen oder an dem jüngern Altare fast missfallen,
rücken die letzteren auch weit ins 16. Jahrhun-
dert vor.

So gesellte sich der Corbacher Meister zu
Gert van Lon2), als es galt, der Soester Malerei den
Abendglanz und eine gewisse Selbständigkeit zu
wahren, während längst ringsher die Wogen der
Neuzeit rauschten3). Beide Meister sind, der eine

1) Vgl. über die spätem Soester Tafelbilder L. Sebeibler,
in der westdeutschen Zeitschrift II, 303 ff., und meine An-
gaben in den Bonner Jahrbüchern H. 87, 129 fi'.

2) Vgl. über ihn Zeitschrift für bildende Kunst 1881
S. 297 fi'. und meine Nachträge in den Bonner Jahrbüchern
H. 82, 120 fi'.. H. 87, 130.

3) Als nicht viel später der Realismus vor der Renais-
sance wich, stand (1537/38) der ältere Ludger to Ring zu
 
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