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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 3.1892

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Der Ausbau des Doms zu Trier
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https://doi.org/10.11588/diglit.5366#0286

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Der Ausbau des Doms zu Trier.

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baues. Nach wiederholten Zerstörungen und Restau-
rationen fügte im elften Jahrhundert Erzbischof
Poppo die westliche Apsis in streng romanischem
Stil an, während ein Jahrhundert später erst der
Ostchor durch die Erzbischöfe Hillin und Arnold
erbaut wurde. Im 13. Jahrhundert wurden alsdann
die Schiffe mit Kreuzgewölben überspannt, ein Re-
fektorium angebaut und der herrliche Kreuzgang an-
gefügt. An ihn schloss sich eine Kapelle mit dar-
über liegendem Kapitelsaal, der im vergangenen
Jahre trefflich restaurirt worden ist.

Jetzt tritt eine Pause von mehr als zweihundert
Jahren ein, in welche nur kleinere Bauten und
Änderungen am Dom fallen. So die Anlage des
Spitzbogengewölbes an Stelle der ehemals flachen,
kassettirten Decke, der Bau der Doppelsakristei und
des Archivs, die Errichtung von Altären und Grab-
denkmälern bis in die neuere Zeit, besonders auch
der Domkanzel (1573).

Die fast fünfhundert Jahre lang unversehrt ge-
bliebene, durch ihre majestätisch wuchtige Ruhe so
imposante Westfassade büßte zu Anfang des 16. Jahr-
hunderts ihre Einheit und Harmonie dadurch ein,
dass man dem südwestlichen Glockenturm ein Stock-
werk in spätgotischem Stil aufsetzte und dieses mit
einem unschönen, gedrückten Helme bedeckte und,
um einen Zugang dazu zu gewinnen, dem anstoßen-
den zierlichen Treppenturme einen ganz rohen Auf-
satz gab, während man den nordwestlichen Glocken-
turm bis heute in seiner ursprünglichen Einfach-
heit ließ.

Um das Jahr 1700 erbaute Erzbischof Johann
Hugo an den Ostchor die im Barockstil gehaltene
Schatzkammer. Als Zugang zur Schatzkammer er-
richtete er eine doppelte Marmortreppe, welche den
größten Teil des Chorraumes einnimmt, während
die Rückwand hinter dem Hochaltar mit ihren Mar-
morblöcken bis zur Decke hinaufreicht.

Am tiefsten griff aber wohl nach dem Brande
von 1717 Erzbischof Franz Ludwig in die innere
und äußere Organisation des Dombaues ein, in-
dem er das Wagestück ausführte, der Kirche die
Kreuzesform zu geben. Zu diesem Ende durchbrach
er unterhalb des hohen Chores die beiden großen
Rundbogen und trug die anstoßenden Umfassungs-
mauern um ein Drittel nebst der ganzen oberen
Fensterreihe ab. Den Forderungen seines lichtfreund-
lichen Zeitalters entsprechend, stattete er das neue
Transept mit je sechs langgestreckten Fenstern aus,
denen er die romanischen Fenster der Chorapsis
gleichförmig gestaltete. Um für zwei Zopfaltäre im

Querschiff Raum zu gewinnen, beseitigte er den
lettnerartigen Chorabschluss und verkürzte die Rück-
wände des Chores um je einen halben Nischenbogen.

Die Zeit des größten Vandalismus waren aber
die letzten Jahre des vorigen und die ersten des
jetzigen Jahrhunderts. Ihm fiel 1786 die Abrun-
kuluskapelle vor dem Dom zum Opfer, 1792 die An-
dreaskapelle, welche an der Nordseite des hohen
Chores lag: Erzbischof Egbert hatte sie gegen Ende
des 10. Jahrhunderts als seine Grabstätte erbaut.
Man sagt, ein Domherr habe ihre Zerstörung be-
trieben, um eine bequemere Durchfahrt für seine
Equipage zu erhalten.

Jetzt war das Maß der Leiden der Kirche voll;
der Kunstsinn erwachte und erstarkte allmählich
wieder, und der Kanonikus von Wilmowsky ent-
schloss sich vor etwa 50 Jahren unter freudiger Zu-
stimmung des Domkapitels, „die altehrwürdige Ka-
thedrale nicht in dem zufällig herrschenden Ge-
schmacke des Tages, sondern im Geiste des edlen
Stiles des 12. Jahrhunderts zu erneuern". Zu diesem
Ende durchwühlte er den Boden der Kirche bis zu
den Fundamenten und erhob die darin aufgehäuften
Reste der römischen und fränkischen Säulen, des
Marmorgetäfels, des Mosaikschmuckes und der Wand-
malereien, welche jetzt das Dommuseum zieren. Er
drang bis in das Innere der Kreuzpfeiler ein und
legte die ummantelten fränkischen Säulen, Kapitäle
und Basen bloß. Er entdeckte zuerst die drei Riesen-
thore an der Westfronte und den geradlinigen Ab-
schluss der Ostfronte des römischen Baues und schrieb
zuerst eine wahrhafte Geschichte des Domes in seiner
römischen, fränkischen und romanischen Periode.
Seinem Programm gemäß führte er zunächst die
kunstgerechte. Restauration des Kreuzganges und der
zugehörigen Kapelle aus und stellte die romanischen
Fenster im Ostchor wieder her. Die nach dem Brande
von 1717 den Osttürmen aufgesetzten birnenförmi-
gen Helme ließ er abnehmen, aber erst in unseren
Tagen gelang es dem Domkapitel durch das Wohl-
wollen des Herrn Regierungspräsidenten, sie wieder
stilgerecht zu bedecken. Die Pläne von Wilmowsky's
zur Ausstattung des Chors im streng romanischen
Stile unter Beseitigung der Marmorgalerie und der
Schatzkammer lagen schon bereit. Ebenso gedachte
er, das Querschiff zu beseitigen, und hatte bereits
die Werkstücke zum Wiederaufbau der großen Schwib-
bogen, wie sie heute noch in der westlichen Krypta
aufbewahrt werden, bereit liegen, als das Domka-
pitel dem kühnen Unternehmen seine Zustimmung
versagte. Infolgedessen trat von Wilmowsky von
 
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