Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 4.1893

DOI Artikel:
Karl von Gontard
DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5367#0143

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
273

Karl von Gontard. — Büchersehau.

274

die Mark berufene Bayreuther. Friedrich zog
Künstler aller Art heran, um dem nach dem Hu-
bertsburger Frieden ermüdeten Europa zu zeigen,
wie lebensfroh und kräftig das kleine Preußen sei;
er wusste, wenn es auch oft schwer ging, immer
wieder die Mittel aufzutreiben, so oft es galt, Glanz
EU entwickeln. Architekten, Bildhauer, Maler, Ver-
golder und Kabinettstischler, im Ganzen 235 fremde
„Ouvriers", kamen — größtenteils aus Bayreuth -
zum großen Verdruss der in Potsdam und Berlin
heimischen Kunstkräfte, die diese Zeit ärgerlich die
„Bayreuther'' nannten.

Unser Karl von Gontard entwickelt, als Ingenieur-
Hauptmann 17154 mit der Aufsicht über den Bauhof
betraut, eine außerordentliche Thätigkeit u. zw. in
Potsdam und Berlin. Er arbeitet neben dem selb-
ständigen Bau zahlreicher Wohnhäuser mit am
„Neuen Palais" in Potsdam, entwirft den Plan und
beginnt den Bau der Cornmuns und der Cokmnaden,
baut 1768 die Haupttreppe im „Neuen Palais", den
„Antiken-" und „Freundschaftstempel", die Wachthäuser
beim genannten Palais, das königl. Sahmagazin, das
Drachenhaus bei Sanssouci, 1771—77 das Militär-
Waisenhaus u. v. a., 1777 in Potsdam das Noak'sche
Baun, das durch seinen würdigen, warmen Klassi-
zismus außerordentlich anheimelt. Im selben Jahre
baut er die Spüteibrücke und die Spittelcolonnaden, im
folgenden die Königsbrücke und die Königscolonnaden,
17811 entwirft und beginnt er den Bau der Gens-
darmentürme, und führt das Treppenhaus der königl.
Bibliothek aus. 1786 entwirft er das Oranienburger Thor.

Dies Gontard's Thätigkeit unter Friedrich IL,
der ihn überdies auch gelegentlich aus Misstrauen
in seine Amtstätigkeit sechs Wochen in seinem
eigenen Hause in Arrest sitzen ließ, ein beliebtes
Mittelchen des Königs, um störrige Künstler zur Raison
zu bringen. Nicht Friedrich IL, sondern Joseph H.
hat Gontard, dessen Vorfahren des Adels verlustig
geworden waren, denselben wieder verliehen. Die
Dankbarkeit und Anerkennung des großen Königs
scheint — wenigstens unserm Künstler gegenüber —
keine sehr intensive gewesen zu sein, denn, nachdem
er schon zweiundzwanzig Jahre in seinem Dienste
gestanden, war er noch immer Hauptmann, erst
Friedrich Wilhelm II. ernannte ihn zum Major.
Friedrich pflegte die Künstler schlechter als gemeine
Soldaten zu behandeln und war aufdringlich mit seinen
Plänen und Ideen, die er roh und skizzenhaft bis
zur UnVerständlichkeit aufs Papier warf; wenn sich
dann niemand in den Hieroglyphen zurechtfand, war
er ungehalten und ungerecht hart. Walle giebt eine

solche Zeichnung Friedrich s II. für das Stadtschloss
in Potsdam (1747), die architektonisch ganz wert-
los ist.

1786 arbeitet Gontard den Entwurf für die
Paradeaufstellung und Beisetzung Friedrich's IL, plant
und beginnt 1787 das Marmorpalais in Potsdam, an dem
er bis 1789 fortbaut, um es dann von andern weiter-
führen zu lassen; überdies richtet er 17S7 mehrere
Räume in den Königskammern in Berlin ein. Von
178S—91 entfaltet er auch noch seine Lehrthätigkeü
an der Akademie der freien Künste. Am 23. Sep-
tember 1791 stirbt er auf einer Badereise nach
Schlesien fern der Heimat in Breslau. Sein Geschlecht
blüht noch heute.

Interessant und bezeichnend für seinen Charakter
ist die stille, bescheidene, sich nirgends vordrängende
Größe, die überall Bedeutendes leistet und segensreich
wirkt. Außer seinen hinterlassenen Werken spricht
beredt für ihn eine große Anzahl tüchtiger Schüler
noch aus seiner Bayreuther Zeit, unter denen be-
sonders die in Berlin wirkenden Uhger und Richter
zu nennen sind.

Wir können die klar und exakt geschriebene
Schrift Walle's nur aufs wärmste empfehlen und sind
überzeugt, dass sie des Dankes der kunstgeschicht-
lichen Forschung, für die sie in gewissem Sinne ein
Quellenwerk genannt werden kann, sicher sein darf.

BK.

BÜCHERSCHAU.

Die Fannerträger der dreizehn alten Orte nach
den Holzschnitten Urs Graf's von Dr. B. Hacndcke.
Mit 16 Lichtdrucktafeln. Aarau, 1893.
Dieses Werk ist eine Separatausgabe aus der von der
mittelschweizerischen geographisch-kommerziellen Gesell-
schaft herausgegebenen „Völkerschau". Ks ist in jeder Be-
ziehung zu loben, sowohl was die treffliche Ausstattung als
auch was den eingehenden Text anbelangt. In letzterem
kommt Haendcke zuerst auf das Leben seines Helden zu
sprechen. Urs Graf ist um 1485 zu Solothurn geboren; er
dürfte sich frühzeitig nach Straßburg begeben haben, da der
dortige Verleger Knoblauch sonst kaum schon 1503 Jugend-
arbeiten des Künstlers verlegt hätte. Im Jahre 1507 stand
Urs bei dem Goldschmied Leonhard Tüblin zu Zürich in
Arbeit. Da bereits 1500 in Baseler Druckwerken Holzschnitte
nach ihm erscheinen, so wird er schon damals diesen Ort
bewohnt haben. Zwei Jahre später kaufte er sich in die
Goldschmiedezunft zu Basel ein. Die Rheinstadt blieb nun
sein ständiger Aufenthalt, wenn der lockere, wilde Geselle
nicht, was öfter vorkam, als Reisläufer in den Krieg zog.
Im Jahre 1518 wurde er Mitglied der Schmiedezunft zu Solo-
thurn , ohne übrigens dorthin überzusiedeln. Kr starb vor
dem März 1530 zu Basel. — Grafs Thätigkeit als Goldschmied
ist heutzutage nur mangelhaft zu verfolgen, viel mehr da-
gegen ist er durch seine Kupferstiche, Zeichnungen und Holz-
schnitte zu würdigen. Der Verfasser weist darauf hin, dass
wir von Graf die erste datirte Radirung besitzen. Es ist
 
Annotationen