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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 4.1893

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Die neuesten Erscheinungen der englischen Radir- und Kupferstichkunst
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5367#0186

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359

Bücherßchau.

360

lozzi für ersteren angelegt worden. Ein großer Teil
der Stiche sind Blätter nach alten Meistern und
Zeitgenossen, namentlich der Angelica Kauffmann.
Es waren ferner von Bartolozzi auch einige mehr-
farbige Drucke vorhanden. Wie bekannt, kam zu
seiner Zeit die Neuerung auf, von der Kupferplatte
mehrfarbige Bilder herzustellen. Le Blon, der'diese
Technik noch wesentlich verbesserte, machte 1720
in London seine ersten hierauf bezüglichen Ver-
suche, und der farbige Kupferdruck kam in Eng-
land zu so großer Vollkommenheit, dass von hier
aus die ganze Welt mit solchen Kunstblättern ver-
sorgt wurde. Noch heute ist der farbige Stich jeden
Genre's der beliebteste Zimmerschmuck des Eng-
länders, und eine Liebhaberei, für die er leicht viel
Geld ausgiebt. g

BÜCHERSCHAU.
Aby Warburg, Sandro Botticelli's ,, Geburt der Venus"
und „Frühling". Straßburger Dissertation. 1892.
gr. 8.

Während der Verfasser die beiden bekannten
Florentiner Botticellibilder einer eingehenden Prüfung
unterzieht, giebt er uns nach zwei Seiten hin Auf-
schluss über dieselben. Einmal wird ihr Inhalt fest-
gestellt und im Zusammenhang damit der Anlass
ihrer Entstehung annähernd fixirt, dann aber wird
die äußere Gestaltung der Figuren auf den sich in
ihnen offenbarenden Einfluss der Antike geprüft. Es
ergiebt sich dabei das Resultat, „dass es zwar ein-
seitig, aber nicht unberechtigt ist, die Behandlung
des bewegten Beiwerkes zum Kriterium des Ein-
flusses der Antike auf die Kunst der Renaissance
zu machen.

Warburg verschlingt die Untersuchung beider
Fragen miteinander; wir dagegen wollen sie ge-
trennt betrachten, weil uns auf diese Weise die ge-
wonnenen Resultate deutlicher ins Auge springen.

Die Geburt der Venus in den Uffizien nimmt
ihren Stoff nicht direkt aus Homer, wie Jul. Meyer
nahegelegt hat, sondern aus einem zeitgenössischen
Dichter, dem Polizian, welcher bei der Beschreibung
eines fingirten Reliefs mehrere Züge einflicht, welche
in der homerischen Schilderung dieses Vorganges
fehlen, aber bei Botticelli aufgenommen sind. Nicht
des „Zephyrs Windhauch", sondern mehrere Winde
treiben Venus ans Ufer, sie wird nicht in unbe-
stimmter Weise auf den Wogen des Meeres ge-
tragen, sondern steht in einer Muschel und wird
endlich am Lande nicht mit einem im allgemeinen
als göttlich bezeichneten Gewände, sondern speziell

mit einem gestirnten erwartet. Wenn diese Ele-
mente an und für sich vielleicht nicht zwingend
sind, so passt es doch, wie sich Warburg ausdrückt,
zu der Überlieferung, die Polizian als Inspirator
Raffael's und Michelangelo's gelten lässt, in ihm
auch den Berater Botticelli's zu sehen. Bei Homer
und bei Polizian sind es die Hören, welche das
Gewand für Venus bereit halten, auf dem Bilde
aber sehen wir nur eine Figur, welche gewöhnlich
als Frühlingsgöttin bezeichnet wird, sie muss aber
als Höre des Frühlings präcisirt werden.

Im „Frühling" legt Warburg wiederum die An-
lehnung an Polizian dar, daneben aber auch den
Einfluss Alberti's, welcher nach antiken Schrift-
quellen die Grazien in ungegürtetem Gewände er-
scheinen lässt. Dieses Motiv, welches kaum durch
antike Kunstwerke der Renaissance überliefert sein
kann, sehen wir bei Botticelli deutlich hervortreten.
Ja, er scheut sich so sehr, es zu übergehen, dass
er einer seiner Grazien den Gürtel nimmt, obgleich
er ihrem Gewände einen Wurf giebt, der nur durch
einen Gürtel motivirt werden kann. — Die Gruppe
auf der äußersten Rechten des Bildes werden aus
Ovid in gesicherter Weise als Flora, welche Früh-
lingsrosen aus dem Munde bläst, und als der sie
verfolgende Zephyr erkannt. Das rosenstreuende
Mädchen in blumigem Gewände ist, wie auf der
Geburt der Venus, wieder die Höre des Frühlings,
in welcher Warburg nicht mit Unrecht eine An-
lehnung an die Antike, etwa an die Florentiner
Flora, welche er abbildet, erkennt. Die Figur am
linken Rande lässt sich als Hermes deuten, welcher
die Wolken verscheucht. Eine antike oder zeitge-
nössische Begründung für das Auftreten und Han-
deln dieser Gestalt war zwar nicht beizubringen,
indessen zeigt ihre offenbar unter Zwang vollzogene
Unterbringung auf dem Gemälde, dass etwas ganz
Bestimmtes durch sie angedeutet werden sollte und
dass sie durchaus nicht als bloße künstlerische Zu-
that aufzufassen ist. — Jetzt steht nur noch die
Erklärung der Mittelfigur aus. Vasari hatte neben
der Geburt der Venus auch ein Frühlingsbild,
„Venus, von den Grazien bekränzt", gesehen. Wenn
der Inhalt unseres Bildes auch damit nicht exakt
wiedergegeben ist, so nimmt Warburg doch den
Hinweis auf Venus auf, welche als Brennpunkt der
ganzen Darstellung erscheint, und benennt das Ge-
mälde „Das Reich der Venus", in dem Sinne, wie
es Polizian schildert.

Sehr ansprechend ist noch eine Vermutung,
welche an die Höre des Frühlings geknüpft wird.
 
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