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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 4.1893

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Böck, Rudolf: Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5367#0207

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.

Ankündigungsblatt des Verbandes der deutschen Kunstgewerbevereine.

HERAUSGEBER:

CARL VON LÜTZOW und DR. A. ROSENBERG

WIEN BERLIN SW.

Heugasse 58. Teltowerstrasse 17.

Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG, Gartenstr. 15. Berlin: W. H. KÜHL, Jägerstr. 73.

Neue Folge. IV. Jahrgang.

1892/93.

Nr. 25. 18. Mai./

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den
Sommermonaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang hostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeit-
schrift für bildende Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshand-
lung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

DIE JAHRES-AUSSTELLUNG IM WIENER
KÜNSTLERHAUSE.

(Fortsetzung.)

Ahnliche Grundanschauungen, wie das Porträt,
beherrschen auch die übrigen Zweige der modernen
Malerei, das mythologische, religiöse und mystische
Bild, das ganze ausgedehnte Gebiet des Genre, Land-
schaft und Tierstück, Blumenbild und Stillleben.
Jeder sucht je nach seiner Individualität und Stärke
die Natur mit den ihm zu Gebote stehenden Aus-
drucksmitteln in größter Treue und mit Vermeidung
jeder konventionellen Lüge widerzuspiegeln.

Bokelmann hat mit seiner gemalten Novelle
„Testamentsabfassung" eines der besten Genrebilder
ausgestellt. Der reiche Mann im Lehnstuhl wird
der verstoßenen Tochter, die in ängstlicher Er-
wartung zu seinen Füßen kauert und Verzeihung
erbittet, seine Arme wieder öffnen, um der lieben
Kleinen willen, die halb furchtsam halb neugierig
an der Thüre stehen; zwei Frauen des Hauses dürften
da kaum viel als Anwälte zu helfen haben, wo das
Herz des Großvaters spricht. Der eifrig schreibende
Notar ist nur Geschäftsmann, den der Vorgang in
der Familie nicht kümmert. Zwei große, brennende
Kerzen erhellen den düstern, üppig reichen, mit
Wandgetäfel, Lustern, Teppichen und Vasen ge-
schmückten Raum. Ein Streiflicht fällt bei der
Portiere zur Linken auf die beiden Kinder. Während
der Maler in diesem Stück ein glücklicher Dichter ist,
giebt er uns in drei anderen Bildern charakteristische
Typen ohne alle Nebenabsicht: „Vor Beginn des
Gottesdienstes in Wyk auf der Insel Föhr" ist ein

Kircheninterieur mit interessanten Kostüm- und Be-
leuchtungsstudien im Innenraum, Streiflichtern und
Reflexen von feinster Beobachtung. Dieses Bild und
der betende Alte, sowie der Greis vorm Kirchenthor
sind Loblieder auf die biedere Einfachheit unserer
deutschen Kleinbürger.

Bokelmann sehr nahe steht Hugo König in
München, der das Genre mit Vollendung im Freien
darstellt. Wie sehr er die Landschaft beherrscht,
beweist sein Mondaufgang am Rande des Birken-
waldes. In einen solchen Wald hat er sein reiz-
volles, wegmüdes Mädchen gesetzt, mit seinem Holz-
bündel, und dem getreuen Pinscher an der Seite. —
Ein winterliches, nebelgraues Bild, in dem der innere
Kontrast, die sonnige Kindheit zweier kleinen Mädchen
hellleuchtend wirkt, führt uns zum Türmer von
St. Peter in München; der weite Blick auf die Stadt,
die ferne verschwimmt, die Frauentürme und das
hohe Dach mit dem Schneestreifen darauf, die zwei
fröhlichen Mädchen in den drolligen Filzschuhen —
es ist selten Gleichgutes zu finden. Das Bild ist
Eigentum der Pinakothek. — Hermann Koch ist ein
geschmackvoller, intimer Naturalist, was er mit seinem
„Nonnenbegräbnis auf Frauenchiemsee", einer Sym-
phonie in Grau, beweist und mit dem gut deutsch em-
pfundenen Landmädchen, das auf dem Feld bei der
Arbeit sein Abend-Ave-Maria betet. — Ein Impressionist
ist gegen diesen der, wie schon erwähnt, auch durch
ein sehr charakteristisch aufgefasstes und in über-
raschend einfacher Manier gearbeitetes männliches
Porträt vertretene Amerikaner Marr mit seiner „Fahrt
zur Kommunion", in welcher er in den weiß-
gekleideten Mädchen im Mittel- und Hintergrund in
 
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