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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 5.1894

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Hirth, Herbert: Die Resultate der Münchener Sezessionsausstellung
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5781#0060

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101

Bücherschau.

102

als einen Beweis auffassen für die ihren Prinzipien
innewohnende Lebenskraft.

Und so mögen sich denn die freundschaftlichen
Beziehungen zwischen Publikum und neuer Kunst,
die auf der Sezessionsausstellung geweckt und er-
weitert wurden, fröhlich fortspinnen und beiden zum
Segen werden!

Die rein künstlerischen Resultate, so wichtig
sie immer sein mochten, treten doch gegenüber den
eben dargelegten Erfolgen zurück. Den Münchener
Eingeweihten wenigstens bot die Ausstellung in dieser
Hinsicht nichts ganz Neues mehr. Wir kannten bereits
den eigenartigen Kolorismus, in dem die jungen Mün-
chener mit Entdeckerfreuden schwelgen. Wir kann-
ten die ganze Skala modern künstlerischer Aus-
drucksweisen, vom objektiven Naturalismus über die
subjektiv überhöhte Naturwiedergabe bis hin zu den
aller Erdenschwere entkleideten Schöpfungen einer
mystisch erregten Phantasie, von der exakten ener-
gievollen Aufrichtigkeit, welche die Augen offen hat
für alle Erscheinungen und sie mit wissenschaft-
licher Genauigkeit zergliedert, bis zu den Zuständen
müden Halbschlummers, wo der Märchengeist wieder
Herr wird über den zu lange, allein auf die klare
Analyse gerichteten Geist; von der lichten Note des
Pleinairismus bis zu den schwermütigen Träumereien
in Schwarz und mattem Grau, wo die lichtgeblen-
deten Augen in unbestimmtem Halbdunkel ausruhen
wollen. Wir wussten, dass Genrebilder auch lebens-
groß und ohne schöne Titel möglich sind, sowie
dass es Porträts giebt, die ohne Wissen des Dar-
gestellten blitzschnell angefertigt zu sein scheinen,
soviel momentanes Leben, so wenig künstliche Pose
spricht aus ihnen. Hier in München, wo sich aus
den vielen Ateliers ein so großer Prozentsatz Kunst-
geistes der allgemeinen Atmosphäre mitteilt, war
sogar schon ein weiterer Kreis für dergleichen em-
pfänglich als anderwärts. Aber vielen sind doch
die Augen aufgegangen, die vorher blind waren für
die der gegenwärtigen Malergeneration gewordenen
neuen Offenbarungen.

BÜCHERSCHAU.

Die griechischen Vasen im Ashmolean-Museum ;n
Oxford. Museum Oxoniense: Catalogue of the Greek
Vases in the Ashmolean-Museum. Percy Gardner, Lincoln
and Merton. Oxford. Clarendon Press. — Dieses von den
genannten Professoren der klassischen Archäologie her-
ausgegebene und prachtvoll illustrirte Buch ist nicht nur
um seiner selbst willen zu bewillkommnen, sondern auch vor-
nehmlich deshalb, weil wir durch dasselbe den Portschritt
in der Klassifikation der verschiedenen Sammlungen und

> Kunstschätze Oxfords kennen lernen. Viel war allerdings
schon gebessert durch die übersichtliche Ordnung der Univer-
sitätsgalerie, welche sehr wertvolle Zeichnungen RaffaePs,
Mr. Ruskin's Bilder von Turner, die „Douce"-Kupferstiche
und eine hervorragende Sammlung alter Bilder enthält.
Aber erst durch die Ernennung Mr. Arthur Evans zum Ku-
rator des „Ashmolean - Museums", welches bisher in un-
erhörter Weise vernachlässigt worden war, trat eine fach-
männische Verwaltung desselben ein. Der Name des Museums
rührt von Elias Ashmole her, welcher das Institut 1682
gründete. Die Bücher des Stifters sind jedoch in der be-
rühmten, 1445 angelegten und 1002 von Sir Thomas Bodley
wesentlich vervollständigten „Bodleian"- Bibliothek unter-
gebracht, welche außer 200000 Büchern auch seltene Drucke
Manuskripte, Handzeichnungen, Münzen und viele andere
wertvolle Objekte enthält. Besonders wichtig ist die von
dem Grafen von Arunde] der Universität geschenkte Sammlung
antiker Originalinschriften, Infolge des günstigen Um-
schwungs in der Verwaltung erhielt das Institut mehrfache
Zuwendungen, so namentlich durch Mr. Fortnum den größten
Teil seiner schönen Sammlungen von Renaissancekunstgegen-
ständen aller Art. Durch eine freigebige Geldspende hat
außerdem Mr. Fortnum es möglich gemacht, dass die Univer-
sität zukünftig ihre gesamten Kollektionen in einer ein-
zigen Baulichkeit wird vereinigen können. Die altehrwür-
dige Hochschule erhält auf diese Weise ein Museum, das
für Studienzwecke eins der wertvollsten in Europa zu
werden verspricht. Mr. Gardner's Buch bildet den ersten
Teil einer Serie von Publikationen, die sich nach und nach
mit den verschiedenen Klassen der in Oxford vorhandenen
Kunstobjekte befassen werden. Die griechischen Vasen, welche
der Universität gehören, sind zwar nicht übermäßig zahl-
reich , aber sie bilden zum Studium der Entwickelung der
Keramik eine sehr ausgewählte Folge. Ein Teil derselben,
die Vasen von Gela in Sicilien, beanspruchen ein ganz be-
sonderes Interesse. Letztere sind von Mr. Evans während
seines Aufenthaltes in Sicilien erworben, und der Verfasser
des vorliegenden Werkes lässt einige Bemerkungen über
gedachte Niederlassung einfliessen: Gela ist eine von Rho-
diern und Kretern im Verein mit anderen dorischen Aus-
wanderern 690 v. Chr. gegründete Stadt auf der Südküste
Siciliens am gleichnamigen Flusse, an der Stelle des jetzigen
Terranuova. Gela wurde mehrere Male zerstört, so zuerst
als der Tyrann Dionysius von Syrakus 405 gegen die Kar-
thager eine Schlacht bei Gela verlor. Die ältesten dort ge-
fundenen Vasen können also aus keiner früheren als jener
Zeitperiode stammen. Mr. Evans unternimmt die interessante
Beweisführung, dass kein Ort in Italien, und vielleicht in der
ganzen Welt, eine so stetige Kunstindustrie eines und des-
selben Zweiges zu verzeichnen hat, wie Gela. Dieser I in-
stand wird hauptsächlich dadurch erklärlich, weil daselbst
das für den Zweck geeignetste Thonmaterial in ganz Sicilien
gefunden wird. Eine ununterbrochene Folge dieser Kunst-
bethätigung seit der Gründung der Kolonie, dann während
der Herrschaft der Araber und Mauren, fortgesetzt bis auf
den heutigen Tag, ist hier nachgewiesen. So werden auch
sehr originelle Terracotta - Figuren in der Nähe der Stadt,
in Caltagirone, hergestellt. Es ist wohl kaum möglich,
irgend eine Lokalkunstindustrie von so ununterbrochener
geschichtlicher Dauer wiederzufinden! Viele der Gela-Vasen
sind von großer Schönheit. Professor Gardner hat in seinem
Buche jede einzelne benannt, beschrieben und kritisirt. Die
auf der Vase Nr. 211 dargestellte Scene giebt einen interes-
santen Aufschluss über die Sage vom Heracles und Cacus,
welche man bisher für altitalischen Ursprungs hielt, die
 
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