Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 5.1894

DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5781#0081

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
143

Bücherschau.

144

besonders gepflegt und finden wir weiter eine ganz offenbare
Bevorzugung des romanischen Stils, dessen wissenschaftliche
Ergründung zu seinen Hauptverdiensten gehört. Wir können
das nur billigen, wir freuen uns insbesondere, dass der ro-
manische Stil gerade in Sachsen, wo er so früh zu so be-
deutungsvoller Blüte gelangt war und wo eine so über-
raschende Fülle von Baudenkmälern des frühen Mittelalters
erhalten ist, eine hervorragende Beachtung findet. Unsere
Freude hierüber ist um so ungetrübter, als die Vernach-
lässigung späterer Stilarten, die sich in verschiedenen früheren
Heften geltend gemacht hatte, mehr und mehr einer ge-
rechteren Würdigung derselben weicht und dass Renaissance,
Barock und Rokoko nicht mehr als elender abscheulicher
,,Zopf" geringschätzig behandelt oder gar stillschweigend
übergangen werden. Zu welchen Ungeheuerlichkeiten die
frühere veraltete Anschauung führt, sehen wir am deut-
lichsten beim Durchlesen von Heft 10, das am besten neu
bearbeitet und neu gedruckt würde und wohl das letzte
seiner Art in der Reihe dieser Veröffentlichungen sein wird.
Allerdings schließt auch das im übrigen durch große Vor-
züge ausgestattete 13. Heft, welohes den Stadt- und Land-
kreis Erfurt schildert, die Darstellung mit der Mitte des 17. Jahr-
hunderts ab; im übrigen jedoch sehen wir die grundsätzliche
Abneigung gegen die neuere Zeit überwunden, wenngleich
sie einer wirklichen Liebe und Vertiefung noch nicht Platz
gemacht hat. Das soeben erwähnte 10. Heft aber, das den
Kreis Calbe hat, achtet in der That nur die romanische
Kunst, duldet noch die Gotik und verwirft alles Spätere.
Das höchst interessante Stassfurter Rathaus, welches der
Renaissancezeit entstammt (1554), wird z. B. mit der Be-
merkungabgefertigt: „der Stil ist stark zopfig"; unmittelbar
danach heißt es: „ein Taufstein im Zopfstil von 1692". Silber-
nes A ltargerät aus der Renaissanceperiode (z. B. S.8) wird kaum
erwähnt, geschweige denn beschrieben. Köstlich ist die Be-
merkung auf S. 14: „die Häuser [in Aken] sind modern,
kaum zeigen sie spätmittelalterliche Reste aus der Re-
naissancezeit". Recht bedauerlich ist es, dass wir über die
sog. Schlosskapelle in Athensleben nichts weiter erfahren
als: „ist ein aus der Renaissancezeit stammendes ziemlich
uninteressantes Gebäude" (S. 15), als ob nicht gerade der
protestantische Kirchen- und Kapellenbau jener Zeit von
größtem Interesse wäre. Bei den Grabsteinen in Barby, die
fast durchweg zu flüchtig besprochen sind (S. 21 ff.), ver-
misst man stilistische Angaben; es wäre bei einer zeitlich so
fortlaufenden Reihe wichtig zu erfahren, wann und wie die
Gotik schwindet und durch die Renaissance ersetzt wird.
Wenn ich noch auf gelegentliche Bemerkungen auf S. 39,
49, 67, 70, 72 und 76 aufmerksam mache („Schnörkeleien der
Renaissancezeit", „zopfige Renaissancezeit" u. s. w.), so
scheint mir zur Genüge erwiesen, dass dem Verfasser jeg-
liches Verständnis und jegliches Interesse für alles Nichtmittel-
alterliche abgeht. Aber auch mit den mittelalterlichen Dingen
sieht es trübe genug aus, die Beschreibung von spätgotischen
Flügelaltären und von Werken der Kleinkunst sind vollkommen
unzulänglich sowohl nach der ikonographischen wie nach der
stilistischen Seite hin. Ein Beispiel für andere möge genügen;
bei Erwähnung des übrigens undatirt gelassenen Schnitzaltars
in der Marienkirche zu Aken (S. 8) heißt es: „Auf der Rück-
seite sieht man nur gemalte Heilige, welche ebenfalls restau-
rirt und nicht ohne Kunstinteresse sind", und das soll ge-
nügen! Kurz, fast auf jeder Seite drängen sich dem Leser
Kinwände und Bedenken auf, und wenn ich schließlich noch
hinzufüge, dass auch die Abbildungen weder der Zahl noch
der Ausführung nach (vgl. z. B. die Modernisirungen auf
Seite 29 und 49) billigen Anforderungen zu entsprechen ver-

mögen, so wird man das Urteil nicht ungerecht finden, dass
das Buch in kunstgeschichtlicher Hinsicht so gut wie wert-
los ist. Den rein historischen Teil vermag ich hier nicht
nachzuprüfen, doch gilt Herr Gustav Hertel als ein zuver-
lässiger und erprobter Forscher. — Ein ganz anderes Urteil
vermag ich über die beiden folgenden Hefte des sächsischen
Inventars zu fällen. Es ist wahrlich kein angenehmes Ding,
Veröffentlichungen zu besprechen, die so flüchtig und kennt-
nislos gearbeitet sind, wie das soeben charakterisirte Heft;
um so erfreulicher ist es dann, den Wandel zum Besseren
feststellen zu können. Herr Dr. Julius Schmidt, der in
Nordhausen ansässig ist und seine Muße gründlich und eifrig
benutzt hat, die Denkmäler seiner Heimatstadt und ihrer
nächsten Umgebung zu erforschen, bietet uns in Heft 11 und
12 zwei Arbeiten, die vielleicht ihrer systematischen Anlage
nach und in Einzelheiten zu Meinungsverschiedenheiten An-
lass geben können, die aber eine so ausgereifte Frucht
gediegenen Wissens und sorgsamen Fleißes darstellen, dass
man dem Verfasser reichen Dank schuldet. Die Beschrei-
bung ist eingehend und sachkundig, anderes Material ist
zur Vergleichung herangezogen und die in Betracht kom-
menden Archive durchforscht. Wir erhalten wirkliche Be-
lehrung aus dem Buche und sehen darum auch über einige
Versehen und Mängel, wie die durchgängige Nichtbeachtung
der Goldschmiede- und Zinnstempel (z. B. Heft 11 S. 134,
158 und 169, Heft 12 S. 34) oder den stets wiederkehrenden
Druckfehler: dm statt dni gern hinweg. — Dass Nordhausen
reich an Kunstaltertümern gewesen, ergiebt sich aus seiner
frühzeitigen Entstehung, seiner Stellung als freie Reichsstadt
und seiner beträchtlichen Wohlhabenheit. Brände haben
leider viel, sehr viel zerstört, aber noch ist genug übrig ge-
blieben. Die älteste Baulichkeit ist die Krypta des Domes
aus dem ersten Drittel des 12. Jahrhunderts, etwa derselben
Zeit gehört der Unterbau der Türme mit den Absiden an;
in das 12. Jahrhundert fallen außerdem der Oberbau der
Türme, die Reste des Kreuzganges und die Basilica S. Mariae
in monte. Wie die romanische, so ist jede weitere Stilart
in der Stadt vertreten, nur würde es zu weit führen, dies
hier zu verfolgen. Hervorgehohen muss jedoch der Reich-
tum in der Ausstattung der Gotteshäuser werden. Zu nennen
sind besonders die sechs steinernen Statuen im Domchor
aus dem letzten Drittel des 13. Jahrhunderts, sowie das ganz
herrliche Chorgestühl im Dom von etwa 1400. Auch das
12. Heft, welches die Grafschaften Lohra und Klettenberg,
das Amt Benneckenstein u. a. umfasst, bringt uns romanische
Bauten, z. B. die interessante Doppelkapelle auf Burg Lohra
und die schöne Nonnenkirche in Münchenlohra. Der gotische
Stil war sehr beliebt und wurde noch im Anfang des 17. Jahr-
hunderts (1606—1615) in Ascherode angewandt. Ausstat-
tungsstücke aller Art sind gleichfalls reich vertreten. — Ich
muss mich leider auf diese dürftige Andeutung des Inhalts
beschränken, da ich noch einige Wünsche allgemeinerer Art,
die sich mir aufgedrängt haben, zum Ausdruck bringen
möchte. Nach den warmen Worten des Lobes und der An-
erkennung, die ich aus vollster Überzeugung dem Verfasser
widmen konnte, wird man es nicht als Tadelsucht auslegen,
j wenn ich die Art der Illustrirung als nicht genügend be-
zeichne. Offenbar haben nur sehr geringe Mittel zur Ver-
fügung gestanden, ein Mangel, der nicht genug zu beklagen
wäre. In hochherziger Weise hat die Provinz Sachsen als-
bald nach Einführung der Provinzialordnung für die Er-
forschung der heimatlichen Geschichte gesorgt, Art und
Weise darf als mustergültig bezeichnet werden und die
Früchte des planmäßigen, zielbewussten Vorgehens und der
gut erdachten und ausgeführten Organisirung liegen klar zu
 
Annotationen