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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 5.1894

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Böck, Rudolf: Die dritte internationale Kunstausstellung in Wien, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5781#0175

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Die dritte internationale

Kunstansstellung in Wien.

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und die daher hier doppelt, fesselnd wirkt. Millais'
Erbsenschälerin ist eine besonders im Kopfe ent-
zückend lebendige, hier und da nur zu skizzenhafte
Studie, während die 1887 gemalte Clarissa — ein
Kosttimstück aus dem Ende des vorigen Jahrhun-
derts — zu den sorgfältigsten Arbeiten dieses fein-
begabten Künstlers gehört.

Das historische und mythologische Bild repräsen-
tiren L. Alma Tadema und Sir Frederick Bart. Leighton,
beide für Wien keine neuen Größen. Gegenüber des
letzteren Perseus und Andromeda, das übrigens bei
aller Verblasenheit noch feiner in der Zeichnung und
relativ wahrer ist als seine Actaea, steht Alma Tadema
an innerer und äußerer Wahrheit sowohl in seiner
kräftig charakterisirten Fredegonda, als auch in dem
reizvollen Aquarell „Hailing the quests" als Naturalist
da. Burne-Jones, der nächstens in der „Zeitschrift
für bildende Kunst" eine eingehende Würdigung fin-
den wird, ist mit seinen an die Meister der Früh-
renaissance gemahnenden Werken nur in Photogra-
phieen vertreten. Sie atmen poetischen Duft, von
edlem Schönheitssinn getragen. Waller Craue's „Frei-
heit", die Emancipation des Menschen von den ein-
geschlafenen Mächten des Mittelalters, Rittertum
und Klerus, darstellend, ist eine im Gedanken wie in
der Ausführung etwas gequälte, nicht glückliche Ar-
beit dieses sonst so vortrefflichen Meisters. „Diana
und Endymion" von W. C. Symons ist bei schöner
Farbengebung etwas unklar in der Zeichnung, trotz-
dem aber ein vorzügliches Bild, verglichen mit der
etwas gedrechselt behandelten schaumgebornen Venus
von William Stott of Oldham. Sir James Lintons
weibliche Charaktere nach Walter Scott (Lady Heron
und Jacqueline) sind von frappanter Charakteristik
und Naturwahrheit, und auch rein technisch betrach-
tet wahre Meisterwerke. Ein tief-religiöses Gemüt
spricht aus den Bildern der Marianne Stolces; ihr
„Schlummerlied" — zwei harfenschlagende Eng-
lein vor der ermüdeten Madonna mit dem neugebor-
nen Kinde — hat nur etwas grelle Farben.

Unter den Genrestücken ist eines der vorzüg-
lichsten der „Cupido" von Symons; das Bild ist
zwar unvollendet, zeigt aber in der Anlage eine
Frische und Lebendigkeit, eine Unbefangenheit im
Ausdrucke, wie sie nur einer Gruppe von Men-
schen eigen ist, die sich unbeobachtet glauben. Die
Scene stellt die Modellstunde eines kleinen lockigen
Jungen vor, unter weiblicher Assistenz natürlich;
im Vordergrunde steht der Bildhauer, an einer ba-
rocken Herme arbeitend, auf der er den Kleinen als
Cupido anbringt. — Trefflich im Tone einer Abend-

stimmung — und mehr Landschaft mit Staffage als
Genre — ist Ilerkomer's „Erstgeborner", den der von
der Arbeit heimkehrende Vater schon auf dem Wege
aus den Armen der Mutter empfängt und herzt: ein
Bild von kerngesunder, erfrischender Farbengebung.
— „Guliver's Erwachen im Königreiche Liliput" von
James E. Chrisiie in Glasgow ist wie William Kennedy s
„Nachmittag im Feldlager" und die „Erwartung der
Bergwache" von außergewöhnlicher Farbenkraft,
aber in der Zeichnung sehr vernachlässigt. Nur das
letztgenannte zeigt Spuren davon, dass Kennedy schärfer
charakterisiren kann. Eine wahre Wohlthat gegen
derartige Farbenfleck-Mosaikbilder sind die soliden
Werke John R. Tteid's; seine „Hochzeit des Schiffers"
ist wie alle seine Genrestücke in Farbe und Zeich-
nung solid und von bleibendem Werte durch die
tüchtige Charakteristik: ein poetischer Ausschnitt aus
der Natur, köstlich in der Wiedergabe von Luft und
Licht. — Herkomer, der auch eine große Anzahl
feinster Radirungen ausgestellt hat, darunter zwei
Unica, einen Alten und einen Maler (Monotypen) —
ist in seiner aquarellirten „Hagar mit Ismael" —
ganz modernen Gestalten — allzu tief ins Gelb ver-
fallen — der Charakteristik der Köpfe unbeschadet,
die seinen sonstigen Arbeiten gleichstehen.

In der Landschaft sind Alfred Parsons, II. W. B.
Davis, K A. Waterlow und David Murray im Ölbild,
R B. Nisbet, •/. II. Hardy im Aquarell die ersten —
neben vielen andern guten. Merkwürdigerweise sind
die besten Werke der drei von uns zuerst genann-
ten sämtlich Dämmerungsbilder — kurz vor oder
nach Sonnenuntergang: das von Davis ganz realistisch
eine Mulde mit blühenden Obstbäumen, darunter
Kälber — alles schon im Schatten, der duftige Hin-
tergrund in warmes Rot getaucht, vergoldet von
den letzten Sonnenstrahlen. — „Die alte Brücke" von
Waterlow hat wie Parson's Landschaften (so sein
Frühling oder die Rotföhre) alle Vorzüge vollster
Naturwahrheit im Lichte einer poetischen Auffassung.
„Die Blumen entsprießen der Erde" ist ein Früh-
lingsbild Parson's, wie es überzeugender nicht ge-
malt werden kann. Unter blühenden Obstbäumen
lieben sich auf Rasengrund, der von einem spiegel-
klaren Bach durchzogen ist, alle Arten bescheidener
Frühlingsblumen aus dem Boden. David Murray's
„Weiße Haide" ist in Luft, Wasser, Himmel und
Erde, mit den Menschen, Tieren, Bäumen und Sträu-
chern darauf, die sich im leichtbewegten Wasser
spiegeln, eine der großartigst erfassten und vollendet
wiedergegebenen Landschaften. — Nisbet's „Beim
Eggen" ist eines der bedeutendsten Aquarelle, mit
 
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