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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 5.1894

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Hirth, Herbert: Die Schack-Galerie
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Delaroff, Paul: Noch ein paar Worte über Tobias Verhaeght
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https://doi.org/10.11588/diglit.5781#0232

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445

Noch ein paar Worte

über Tobias Verhaeght.

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und die maßvolle Heiterkeit des Griechentums.
Bei allen diesen Künstlern durchdrangen sich mehr
oder weniger Dichter und Maler. Ihre Werke bil-
den den Hauptstamm der Schack'schen Galerie.
Nirgends bekommt man sie so vollständig zu sehen
wie hier. Genelli hat aüßer den von Schack be-
stellten nur wenig große Gemälde gefertigt. Nir-
gends sind so viele Feuerbach's oder Schwind's zu-
sammen vereinigt. Böcklin's wundervoller Farben-
phaiatastik wird man sich nirgends so voll bewusst,
wie vor seinen hier befindlichen, durch Abbildungen
überall bekannten Bildern. Ferner sind hier Preller,
Rottmann, die Meister der klassizistischen Land-
schaft, der gemüt- und humorvolle Spitzweg, Neu-
reuther's überaus duftige Schöpfungen. Mit Recht
kann Schack von Glück reden, dass zur Zeit, als er
sammelte, eine Anzahl ausgezeichneter Talente auf
der Höhe ihrer Schaffenskraft standen. Das Ver-
dienst, sie selbständig erkannt und recht gewürdigt
zu haben, bleibt ihm darum.

„Seit meinen Jugendjahren waren einzelne Ge-
mälde fremder Galerieen meine Lieblinge geworden;
wenn ich die Orte, wo sie bewahrt wurden, ver-
ließ, nahm ich schmerzlich Abschied von ihnen, wie
von teuren Freunden. Sie umschwebten mich auch
in der Ferne, im Wachen und im Traum, und die
Sehnsucht ließ mich nicht in Ruhe: ich musste von
neuem nach Venedig, Florenz, Rom oder Madrid
pilgern, um sie dort wiederzusehen." Die Zeit des
Altmeisterstudiums begann für Münchens Maler eben
erst, als Schack's Leidenschaft für die größten Meister
früher Zeit, namentlich die venetianischen Koloristen
des Cinquecento, den Wunsch nach guten Kopieen
in ihm rege machte; durch diesen Wunsch sollte
gerade er, merkwürdig genug, einer der ersten För-
derer dieses für die Rückeroberung des rein Tech-
nisch-Malerischen so wichtigen Studiums werden.
1863 erteilte er dem jungen Lenbach seine ersten
Aufträge auf Kopieen; nicht weil er darin das nö-
tige Heilmittel für die Kunst seiner Zeit erblickte,
sondern um jene Sehnsucht zu stillen, die ihn in
rührender und verehrungswürdiger Weise erfüllte.
Er wollte die Werke der größten Maler, wie gute
Musik, Shakespeare, oder Homer, täglich und stünd-
lich genießen können. Ein Museum, welches diese
Werke in vorzüglichen Kopieen vereinigte, schien
ihm das größte Geschenk, das ein König seinem
Lande bieten könnte. Er selbst ließ durch die ver-
schiedensten Künstler Kopieen seiner Lieblingsbilder
für seine Galerie anfertigen. Ihre Anzahl ist sehr
stattlich. Der Thätigkeit Lenbach's muss hier vor j

allem gedacht werden, der auch mit eigenen Arbeiten,
Porträts und einigen Landschaften, den einzigen
wohl, die er überhaupt gemalt hat, vertreten ist.
Seine Kopieen aber, die er für den Grafen haupt-
sächlich nach Tizian, Rubens, Velazquez, Murillo,
Andrea del Sarto, Tintoretto ausführte, sind derart,
dass man sie getrost mit den Originalen vertauschen
könnte.

Andere Kopieen sind von August Wolff, Lip-
hardt, Hans von Marees angefertigt. Am liebsten
ließ der Graf die Werke der italienischen Hoch-
renaissance kopiren, in denen Vornehmheit mit hei-
terer Lebensfülle gepaart ist; in seltsamem Kontrast
stehen ihre hochheiteren Gebilde zu den daneben-
hängenden Erzeugnissen einer späteren, an Gedanken
und Schmerzen überreichen Zeit! Schack konnte
einstmals stundenlang in Tizian's Farbengluten ver-
sunken sein und an der schwungvoll verklärten Sinn-
lichkeit des Cinquecento sich berauschen. Warum
musste gerade er erblinden, für den das Augenlicht
ein größeres Geschenk war, als für die meisten an-
deren Sterblichen?

NOCH EIN PAAR WORTE ÜBER
TOBIAS VERHAEGHT.

Es wird wohl nicht nur für Herrn Adolf Rosen-
berg, den Verfasser des Artikels „Peter Paul Rubens"
in der Märznummer der Zeitschrift, und Herrn Th.
v. Frimmel, den Autor der kurzgefassten Bemerkung
über das Aachener Bild von Verhaeght in Nr. 12
der Kunstchronik, sondern auch für andere, sich
mit der älteren vlämischen Kunstgeschichte beschäf-
tigende Forscher von Interesse sein, zu erfahren,
dass das Brüsseler und das Aachener Bild nicht die
einzigen von Tobias Verhaeght erhaltenen Gemälde
sind, sondern dass sich im fernen Norden, eine halbe
Stunde von St. Petersburg, noch ein großes Bild
von demselben Meister, wahrscheinlich eins seiner
Hauptwerke, befindet. Dieses Bild (seit drei Jahren
in meiner Sammlung, sonst von unbekannter Her-
kunft) ist auf Holz gemalt, misst 1,33 m in der
Höhe und 1,91 m in der Breite und stellt die apo-
kalyptische Vision des Apostels Johannes dar (Offenb.
Johannis, Kap. 12, 1—7). Im ersten Plan der linken
Seite brausen die grünlich blauen, weißschäumenden
Meereswogen. Das Meer zieht sich in weiter Ferne
durch die Mitte des Bildes bis an den sehr hohen,
an die drei Viertel der ganzen Höhe des Bildes
reichenden Horizont hin, an dem man Schiffe und
Fischerkähne erblickt. Im zweiten Plan der linken
 
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