467 Vereine und Gesellschaften. — Ausgrabungen und Funde. — Vermischtes. 468
der Berliner internationalen Kunstausstellung von 1891, wo
die Mehrzahl der Künstler vertreten war, deren Arbeiten
jetzt in der Nationalgalerie zu sehen sind. Die Amerikaner
haben seitdem einen gewissen Einfluss auf unsere deut-
schen Xylographien geübt — wir erinnern nur an die besten
Arbeiten von W. Hecht, Klinkicht und dem verstorbenen
Kaeseberg, — aber auf die Dauer lässt sich bei uns eine
Konkurrenz mit den amerikanischen Holzschnitten nicht
durchführen, obwohl wenigstens einige künstlerische Kräfte
dazu vorhanden wären, weil die Verleger von illustrirten und
Kunstzeitschriften nicht von der Gunst des Pubikums so
unterstüzt werden, wie in Nordamerika, und demgemäß nicht
die Unterhaltungskosten für Xylographcn zahlen können,
die aus jedem Blatte ein fein nachempfundenes und mit
innigem Verständnis durchgeführtes Kunstwerk machen und,
nicht zufrieden damit, .,auch als selbständige, von jeder
Vorlage unabhängige Künstler auftreten, indem sie eigene
Zeichnungen und Studien nach der Natur machen und
danach „Originalholzschnitte" anfertigen, wie man auf dem
alten Kontinent „Originalradirungen" nach der Natur macht.
Einige dieser Künstler mit dem Holzstichel behaupten sogar
nach echter Yankee-Art, dass sie ihre Originalschnitte direkt
vor der Natur auf der Platte vollenden, um immer in engem
Zusammenhang mit ihrem Vorbilde oder mit dem einmal
crfassten Stimmungsmoment zu bleiben. Über die Entwicke-
lung des nordamerikanischen Holzschnittes in den letzten bei-
den Jahrzehnten sind die Leser dieser Zeitschrift mehrere
Male durch R. Koehler in Boston unterrichtet worden, der
auch in der „Geschichte der vervielfältigenden Kunst der
Gegenwart" das Kapitel über die nordamerikanische Holz-
schneidekunst bearbeitet hat. Wir begnügen uns also nur
mit der Wiederholung, dass die nordamerikanische Holz-
stichelkunst, die Tonschnitt und Facsimileschnitt verbindet,
sich von der ursprünglichen, aus dem Material entwickelten
Technik des Holzschneiders völlig losgesagt hat und mit
allen Mitteln darauf hinarbeitet, Kupfer- und Stahlstich,
Radirung, Schabkunst- und Crayonmanier, Feder-, Bleistift-,
Kreide- und Tuschzeichnung täuschend nachzuahmen. Die
Wirkung ist immer interessant; aber man begreift den enor-
men Aufwand von Zeit und Geld nicht recht, weil dieselbe
Wirkung auch mit den Mitteln des Grabstichels und der
Radirnadel, des Atzwassers, der Helio- und Photogravüre
erreicht werden kann. Einige Künstler haben mit einem
enormen Aufwand von Stichelarbeit sogar verschwommene,
graue Nebelgespcnste erzielt, die an die schmutzigsten Auto-
typieen der französischen und deutschen Austellungskataloge
erinnern. Ein Teil der nordamerikanischen Xylographen,
die gegenwärtig besonders thätig sind, ist deutscher Her-
kunft. Der verstorbene Jüngling, der Bahnbrecher der
neueren Manier, war ein Deutscher, und Deutsche scheinen
auch Ernst Heinemann, G. Meinshausen, Oscar Grosch, II. il.
Tietze, G. Krüll a. C. Schwarzbcrgcr zu sein. Aber sie haben,
wie nicht bloß aus ihren Reproduktionen, sondern auch aus
ihren „Originalholzschnitten" hervorgeht, nicht mehr die
geringste Fühlung mit deutscher Kunst und Art. Wie ihre
angloamerikanischen Kunstgenossen, von denen in der Aus-
stellung der Nationalgalerie John W. Evans, Frank French,
Robert C. Collins, F. A. Petitt, Caroline A. Powell, F. S.
King, W. I!. Closson, W. P. Cleaves, John und Samuel Davis
und Victor Bernstrom gut vertreten sind, suchen sie, im Ein-
klang mit dem Geschmack der reichen nordamerikanischen
Kunstmäeene, nicht nur die Vorbilder für ihre Reproduktio-
nen, sondern auch den Ton, der für ihre „Originalholz-
schnitte" die klingende Musik macht, in Paris, in dem schum-
merigen Stimmungsbilde von J. F. Millet, Daubigny und
Genossen, in der Graumalerei von Puvis de Chavannes, in
dem Mystizismus und gelegentlich auch in der Kunst Alt-
englands, soweit sie präratfaelitisch, mystisch oder symbo-
listisch ist.
*** Im diesjährigen Pariser Salon ist zum erstenmal
der Fall vorgekommen, dass weder für ein Werk der Ma-
lerei, noch für ein Werk der Plastik die Ehrenmedaille zu-
erkannt worden ist. In der Architekturabteilung hat Chr-
danne, in der Abteilung der graphischen Künste Gustav
Lfvij die Ehrenmedaille erhalten.
VEREINE UND GESELLSCHAFTEN.
* Der kunsthistorisehc Kongress wird in diesem Jahre
in Köln vom 30. September bis 3. Oktober abgehalten werden.
Die offiziellen Einladungen dazu stehen in nächster Zeit bevor.
Für den Kongress giebt sich diesmal auch in den Kreisen
der norddeutschen Fachgenossen ein lebhaftes Interesse kund.
AUSGRABUNGEN UND FUNDE.
*,* Die französischen Ausgrabungen in Delphi haben
von neuem wichtige Funde geliefert. Es sind weitere sechs
Metopen vom Schatzhaus der Athener und Bruchstücke von
Metopen vom Schatzhaus der Siphnier zu Tage gekommen,
ferner Friese mit Darstellungen einer Gigantomachie, die sich
an früher gefundene Stücke anschließen und zu einem Monu-
ment gehören, das Gelon aus Anlass der Schlacht bei Himera
geweiht hatte. Auch Fragmente eines neuen Hymnus sind
gefunden worden. Die letzten Arbeiten sind auf die Frei-
legung der Substruktionen des großen Apollontempels ge-
richtet gewesen. Jetzt hofft Herr Homolle, der Leiter der
Ausgrabungen, das Schatzhaus der Korinther zu finden.
VERMISCHTES.
= tt. Karlsruhe. In der von der grofiherzoglichen Bau-
gewerkeschule veranstalteten öffentlichen Ausstellung der
Arbeiten ihrer Schüler und der zukünftigen Gewerbelehrer
war von letzteren eine unter Leitung von Professor E>-nst
Iläbcrlc in vielen Blättern Zeichnungen nach Maßen auf-
getragene Aufnahme der Sankt Kilians-Kapelle in Wertheim
am Main für den Freund vaterländischer Baudenkmale von
hohem Interesse. Laut einer am Bauwerke befindlichen und
von Archivdirektor Franz Mone im zweiten Bande des 1827
erschienenen Badischen Archive» mitgeteilten Inschrift war
dies Wertheimer kleine Gotteshaus vom Jahre 1422 ab als
Beinhauskapelle errichtet worden. Wie die Sankt Michaelis-
kapelle zu Kiedrich im Rheingau, so ist auch in Wertheim die
dem heiligen Kilian geweihte eine Doppelkapelle, der untere
Raum war das Gruftgeschoss, diente als Begräbnisstätte und
Beinhaus, der hochragende obere Raum war dem eigent-
lichen Gottesdienste bestimmt. Die Unterkapelle hat die
Form einer dreischiffigen Hallenkirche; sechs Sandsteinfrei-
stützen tragen die auf hohlgegliederten Steinrippen herge-
stellten Netzgewölbo; eine auf zwei Säulen und drei Bogen
konstruirte offene Vorhalle bildet den malerischen Zugang
zum Portale. Von dem ehemals reichgegliederten Portale
der oberen Kapelle sind leider nur geringe Reste erhalten;
es ist ein einschiffiger Raum mit zwei oblongen Jochen und
einem mit fünfSeiten des regelmäßigen Achteckes schließenden
Sanktuarium. Die einfachen Kreuzgewölbe auf hohlprofilir-
ten Hausteinrippen 3ind heute noch wohl erhalten, leider
ist aber das Stab- und MaRwerk der hochschlanken Spitz-
bogenfenster total zerstört, ebenso der ehemalige Fassaden-
der Berliner internationalen Kunstausstellung von 1891, wo
die Mehrzahl der Künstler vertreten war, deren Arbeiten
jetzt in der Nationalgalerie zu sehen sind. Die Amerikaner
haben seitdem einen gewissen Einfluss auf unsere deut-
schen Xylographien geübt — wir erinnern nur an die besten
Arbeiten von W. Hecht, Klinkicht und dem verstorbenen
Kaeseberg, — aber auf die Dauer lässt sich bei uns eine
Konkurrenz mit den amerikanischen Holzschnitten nicht
durchführen, obwohl wenigstens einige künstlerische Kräfte
dazu vorhanden wären, weil die Verleger von illustrirten und
Kunstzeitschriften nicht von der Gunst des Pubikums so
unterstüzt werden, wie in Nordamerika, und demgemäß nicht
die Unterhaltungskosten für Xylographcn zahlen können,
die aus jedem Blatte ein fein nachempfundenes und mit
innigem Verständnis durchgeführtes Kunstwerk machen und,
nicht zufrieden damit, .,auch als selbständige, von jeder
Vorlage unabhängige Künstler auftreten, indem sie eigene
Zeichnungen und Studien nach der Natur machen und
danach „Originalholzschnitte" anfertigen, wie man auf dem
alten Kontinent „Originalradirungen" nach der Natur macht.
Einige dieser Künstler mit dem Holzstichel behaupten sogar
nach echter Yankee-Art, dass sie ihre Originalschnitte direkt
vor der Natur auf der Platte vollenden, um immer in engem
Zusammenhang mit ihrem Vorbilde oder mit dem einmal
crfassten Stimmungsmoment zu bleiben. Über die Entwicke-
lung des nordamerikanischen Holzschnittes in den letzten bei-
den Jahrzehnten sind die Leser dieser Zeitschrift mehrere
Male durch R. Koehler in Boston unterrichtet worden, der
auch in der „Geschichte der vervielfältigenden Kunst der
Gegenwart" das Kapitel über die nordamerikanische Holz-
schneidekunst bearbeitet hat. Wir begnügen uns also nur
mit der Wiederholung, dass die nordamerikanische Holz-
stichelkunst, die Tonschnitt und Facsimileschnitt verbindet,
sich von der ursprünglichen, aus dem Material entwickelten
Technik des Holzschneiders völlig losgesagt hat und mit
allen Mitteln darauf hinarbeitet, Kupfer- und Stahlstich,
Radirung, Schabkunst- und Crayonmanier, Feder-, Bleistift-,
Kreide- und Tuschzeichnung täuschend nachzuahmen. Die
Wirkung ist immer interessant; aber man begreift den enor-
men Aufwand von Zeit und Geld nicht recht, weil dieselbe
Wirkung auch mit den Mitteln des Grabstichels und der
Radirnadel, des Atzwassers, der Helio- und Photogravüre
erreicht werden kann. Einige Künstler haben mit einem
enormen Aufwand von Stichelarbeit sogar verschwommene,
graue Nebelgespcnste erzielt, die an die schmutzigsten Auto-
typieen der französischen und deutschen Austellungskataloge
erinnern. Ein Teil der nordamerikanischen Xylographen,
die gegenwärtig besonders thätig sind, ist deutscher Her-
kunft. Der verstorbene Jüngling, der Bahnbrecher der
neueren Manier, war ein Deutscher, und Deutsche scheinen
auch Ernst Heinemann, G. Meinshausen, Oscar Grosch, II. il.
Tietze, G. Krüll a. C. Schwarzbcrgcr zu sein. Aber sie haben,
wie nicht bloß aus ihren Reproduktionen, sondern auch aus
ihren „Originalholzschnitten" hervorgeht, nicht mehr die
geringste Fühlung mit deutscher Kunst und Art. Wie ihre
angloamerikanischen Kunstgenossen, von denen in der Aus-
stellung der Nationalgalerie John W. Evans, Frank French,
Robert C. Collins, F. A. Petitt, Caroline A. Powell, F. S.
King, W. I!. Closson, W. P. Cleaves, John und Samuel Davis
und Victor Bernstrom gut vertreten sind, suchen sie, im Ein-
klang mit dem Geschmack der reichen nordamerikanischen
Kunstmäeene, nicht nur die Vorbilder für ihre Reproduktio-
nen, sondern auch den Ton, der für ihre „Originalholz-
schnitte" die klingende Musik macht, in Paris, in dem schum-
merigen Stimmungsbilde von J. F. Millet, Daubigny und
Genossen, in der Graumalerei von Puvis de Chavannes, in
dem Mystizismus und gelegentlich auch in der Kunst Alt-
englands, soweit sie präratfaelitisch, mystisch oder symbo-
listisch ist.
*** Im diesjährigen Pariser Salon ist zum erstenmal
der Fall vorgekommen, dass weder für ein Werk der Ma-
lerei, noch für ein Werk der Plastik die Ehrenmedaille zu-
erkannt worden ist. In der Architekturabteilung hat Chr-
danne, in der Abteilung der graphischen Künste Gustav
Lfvij die Ehrenmedaille erhalten.
VEREINE UND GESELLSCHAFTEN.
* Der kunsthistorisehc Kongress wird in diesem Jahre
in Köln vom 30. September bis 3. Oktober abgehalten werden.
Die offiziellen Einladungen dazu stehen in nächster Zeit bevor.
Für den Kongress giebt sich diesmal auch in den Kreisen
der norddeutschen Fachgenossen ein lebhaftes Interesse kund.
AUSGRABUNGEN UND FUNDE.
*,* Die französischen Ausgrabungen in Delphi haben
von neuem wichtige Funde geliefert. Es sind weitere sechs
Metopen vom Schatzhaus der Athener und Bruchstücke von
Metopen vom Schatzhaus der Siphnier zu Tage gekommen,
ferner Friese mit Darstellungen einer Gigantomachie, die sich
an früher gefundene Stücke anschließen und zu einem Monu-
ment gehören, das Gelon aus Anlass der Schlacht bei Himera
geweiht hatte. Auch Fragmente eines neuen Hymnus sind
gefunden worden. Die letzten Arbeiten sind auf die Frei-
legung der Substruktionen des großen Apollontempels ge-
richtet gewesen. Jetzt hofft Herr Homolle, der Leiter der
Ausgrabungen, das Schatzhaus der Korinther zu finden.
VERMISCHTES.
= tt. Karlsruhe. In der von der grofiherzoglichen Bau-
gewerkeschule veranstalteten öffentlichen Ausstellung der
Arbeiten ihrer Schüler und der zukünftigen Gewerbelehrer
war von letzteren eine unter Leitung von Professor E>-nst
Iläbcrlc in vielen Blättern Zeichnungen nach Maßen auf-
getragene Aufnahme der Sankt Kilians-Kapelle in Wertheim
am Main für den Freund vaterländischer Baudenkmale von
hohem Interesse. Laut einer am Bauwerke befindlichen und
von Archivdirektor Franz Mone im zweiten Bande des 1827
erschienenen Badischen Archive» mitgeteilten Inschrift war
dies Wertheimer kleine Gotteshaus vom Jahre 1422 ab als
Beinhauskapelle errichtet worden. Wie die Sankt Michaelis-
kapelle zu Kiedrich im Rheingau, so ist auch in Wertheim die
dem heiligen Kilian geweihte eine Doppelkapelle, der untere
Raum war das Gruftgeschoss, diente als Begräbnisstätte und
Beinhaus, der hochragende obere Raum war dem eigent-
lichen Gottesdienste bestimmt. Die Unterkapelle hat die
Form einer dreischiffigen Hallenkirche; sechs Sandsteinfrei-
stützen tragen die auf hohlgegliederten Steinrippen herge-
stellten Netzgewölbo; eine auf zwei Säulen und drei Bogen
konstruirte offene Vorhalle bildet den malerischen Zugang
zum Portale. Von dem ehemals reichgegliederten Portale
der oberen Kapelle sind leider nur geringe Reste erhalten;
es ist ein einschiffiger Raum mit zwei oblongen Jochen und
einem mit fünfSeiten des regelmäßigen Achteckes schließenden
Sanktuarium. Die einfachen Kreuzgewölbe auf hohlprofilir-
ten Hausteinrippen 3ind heute noch wohl erhalten, leider
ist aber das Stab- und MaRwerk der hochschlanken Spitz-
bogenfenster total zerstört, ebenso der ehemalige Fassaden-