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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 5.1894

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Böck, Rudolf: Die dritte internationale Kunstausstellung in Wien, [3]
DOI Artikel:
Richter, J. P.: Die ferraresische Ausstellung in London
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https://doi.org/10.11588/diglit.5781#0259

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499

Die Ferraresische Ausstellung in London.

500

des sehr jungen Hugo Lederer „Heimkehrende Sol-
daten", ein lebensvolles rundplastisches Werk, mit
Reliefhintergrund. — Unter den Medailleuren sind die
neuestens stark durch 0. Roty beeinflussten Meister
Schärft und Schwartz vorzüglich vertreten.

RUDOLF BÖCK.

DIE FERRARESISCHE AUSSTELLUNG
IN LONDON.

In den Räumen des Burlington Fine Arts Club
ist eine Ausstellung von Gemälden veranstaltet wor-
den, welche von dem eigentümlichen Charakter der
ferraresisch-bolognesischen Malerschule vom Anfang
des fünfzehnten bis zur Mitte des sechszehnten
Jahrhunderts eine gute Übersicht darbietet. Es
sind einige sechzig Bilder aus Privatsammlungen
zusammengebracht worden, wozu noch ein paar
interessante Zeichnungen kommen. Eine größere
Vollständigkeit wäre wohl unschwer zu erreichen
gewesen. In einzelnen Fällen mögen die Bemü-
hungen des Komite's bei Besitzern von Gemälden ver-
geblich gewesen sein, in anderen mag Mangel an
Kenntnis von dem, was im Lande vorhanden ist, der
Grund für die empfindliche Unvollständigkeit sein.
Die fleißigen Bearbeiter des umfangreichen Katalogs
haben sich die Mühe nicht verdrießen lassen, durch
einen Schauer ebenso neuer wie gewagter Theorieen
und durch scharfgewürzte Polemik ihre literarische
Erstlingsarbeit als solche auch zu kennzeichnen.
Unter den Quattrocentisten interessiren hier zunächst
drei vortrefflich erhaltene Bilder des braven Marco
Zoppo, der als Techniker in seinem Farbenauftrag
wohl Hervorragendes geleistet hat, im übrigen aber
einen für jene Zeit geradezu phaenomenalen Mangel
an Schönheitssinn zur Schau trägt. Es bedarf nur
der Verbindung von Fleiß und Geschmacklosigkeit,
und die Kluft, welche das Erhabene von dem Lächer-
lichen trennt, ist sofort überbrückt. In dem einen
Madonnenbild (No. 2) mit der Bezeichnung: „OPERA
DEL ZOPPO DI SQUARCIONE" aus Lord Wim-
borne's Sammlung thut er es dem Gregorio Schiavone
gleich, in dem anderen (No. 4) mit der Bezeichnung:
„MARCO ZOPPO DA BOLOGNA OPUS" tritt er,
wie auch sonst gewöhnlich, in die Fußstapfen des
zehn Jahre älteren Cosimo Tura. „A good specimen
of his native Bolognese style" sagt der Katalog!
Die interessanteste Gestalt unter den ferraresischen
Quattrocentisten ist ohne Zweifel Ercolc de' Robcrti,
von dem die National Gallery ein Hauptwerk besitzt.
Es ist merkwürdig, wie bei diesem Meister die
scharf markierte künstlerische Individualität in ver-

schiedenen Epochen von stilistischen Wandlungen
afficirt worden ist, so groß, dass wichtige Haupt-
werke seiner Hand unter falschen Namen passiren
konnten, solange nicht durch Dokumente ihr wahrer
Autor festgestellt wurde. Beiläufig sei hier darauf
hingewiesen, dass ganz dieselbe Erfahrung mit dem
grimmigen Francesco Cossa, dem Haupt der Schule,
gemacht worden ist. Bekanntlich hat Morelli-
Lermolieff von einem anderen Ferraresen, von Garo-
falo, etwas Ahnliches behauptet, freilich mit dem
Erfolg des heftigsten Widerspruchs, der in dem vor-
liegenden Katalog den nachdrücklichsten Ausdruck
findet. Was nun Ercole de' Roberti betrifft, so
finden wir hier drei kleine Bilder aus verschiedenen
Epochen seiner Kunst. Für das früheste halte ich
die Pietä aus der Royal Institution in Liverpool,
bekanntlich das Mittelbild zu den beiden Predellen-
stücken der Dresdener Galerie. Einer reiferen Zeit
gehört die antike weibliche Figur an, welche an
jeder Hand ein nacktes Knäblein über rauchende
Trümmer führt, aus der Sammlung F. Cook. Die
Deutung des Sujets als Medea mit ihren Kindern
scheint mir völlig haltlos. Eher könnte man an
Kreusa mit Julus und Ascanius beim Brande Troja's
denken. In seine Spätzeit gehört das Konzert, eine
Gruppe von zwei männlichen und einer weiblichen
Halbfigur, aus der Sammlung G. Salting, hier als
Werk des Lorenzo Costa aufgeführt, eine Behauptung,
die ebenso wenig Wahrscheinlichkeit für sich hat,
wie die Hypothese, dass dieses lustige Trio eine
Porträtgruppe aus dem fürstlichen Hause der Benti-
voglio darstelle! Es finden sich hier zwei echte
Porträts von L. Costa und niemand wird sagen
können, dass sie die geringste stilistische Verwandt-
schaft mit jenem Konzerte aufweisen: das Brustbild
einer Dame mit einem Schoßhund aus Hampton
Court, ein Jugendwerk, und der geistvolle Kopf des
Hat. Fiera, eines Mantuaner Schriftstellers, wohl aus
ersten Zeit seines Aufenthaltes in Mantua. Das
letztere, der Kunstgeschichte bisher unbekannte
Werk stammt aus der Sammlung L. Cohen.

Die zahlreichen Bilder unter Francia's Namen
illustriren vortrefflich die fruchtbare Thätigkeit in
dem Atelier des Meisters, in dem ja mehr als zwei-
hundert Gehilfen beschäftigt waren. Als eigen-
händige Arbeit kann jedenfalls nur das Porträt des
Bart. Bianchini aus der Sammlung Salting gelten.

Qarofalo ist gleichfalls sehr ungenügend ver-
treten. Nur die beiden Bilder aus der Sammlung
Northbrook, ein „Riposo" und den hl. Jakobus dar-
stellend, repräsentiren ihn in würdiger Weise. Unter
 
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