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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 5.1894

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Richter, J. P.: Die ferraresische Ausstellung in London
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5781#0260

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501

Bücherschau.

502

Aspertini's Namen ist eine hl. Familie ausgestellt,
die der ferraresischen Schule gar nicht einmal an-
gehört, sondern von der Hand des Oenga ist. Von
Mazxölino jedoch und von Dosso finden wir hier
Werke ersten Ranges. Was den lezteren anlangt,
so ist das um so willkommener, als die National-
Gallery bekanntlich kein einziges echtes Werk seiner
Hand besitzt. Nicht weniger als drei Porträtbilder
kommen aus der königlichen Gemäldegalerie in
Hampton Court. Es sind das merkwürdigerweise
die einzigen, welche auf diesen Namen gerechten
Anspruch haben, und es dürfte in England schwer-
lich noch andere geben. Die Porträts, welche ihm
in der Ausstellung noch zugeschrieben werden, sind
seiner durchaus nicht würdig. Dosso's außerordent-
liche poetische Begabung tritt am deutlichsten hervor
in seinen von phantastischen Scenerjeen umgebenen
Landschaften, Bildern, welche die Gefühls- und Denk-
weise seines Freundes und Landsmannes Ariosto in
überraschender Weise malerisch zum Ausdruck
bringen. Derart ist die großartige Darstellung, der
man die wunderliche Benennung Vertumnus und
Pomona gegeben hat, aus der Sammlung des Mar-
quis of Northampton, ein Gemälde, das den be-
deutendsten Leistungen Dosso's in den Galerien von
Rom und Dresden an die Seite zu stellen ist, Die
Anbetung der Könige aus der Sammlung L. Mond,
eine durch ähnliche Vorzüge ausgezeichnete Dar-
stellung, gehört einer etwas späteren Epoche des
Meisters an. Die übrigen dem Dosso zugeschriebenen
Bilder sind schwachmütige Leistungen der Schule,
bei denen bestenfalls der Name des Battista Dosso
in Frage kommen kann. Nur scheint mir die künst-
lerische Individualität des letzteren noch nicht in
dem Grade gesichert zu sein, wie neuerdings Venturi
sie darzustellen versucht hat.

Ein ganz besonderes Interesse knüpft sich an
das große Altarwerk aus Lord Wimborne's Samm-
lung, welchem in der Ausstellung der Ehrenplatz
zugewiesen worden ist. Dementsprechend bezeichnet
es der Katalog als „one of the most important works
of the Ferrara school to be found in England."
Das Bild stammt aus der Kirche S. Niccolo in
Ferrara, und dort galt es vor zweihundert Jahren,
wie Baruffaldi versichert (I, 173 ff.), als Werk des
Ortolano. Wir haben also hier das unbefangene
Urteil eines Gelehrten aus der glücklichsten Zeit
der Kunstgeschichte, wo es noch keinen Bilderstreit
gab. Nachdem neuerdings Lermolieff den Ortolano
als „stumpfen, geistlosen Nachahmer Garofalo's"
(I, 275) gebrandmarkt, und die demselben zugeschrie-

benen guten Bilder als Jugendarbeiten Garofalo's
bezeichnet hat, darf der Burlington Fine Arts Club
das Verdienst in Anspruch nehmen, die gefährdete
Person des Gemüsehändlersohnes aus dem drohenden
Nebel des Mythus in das helle Tageslicht gestellt
zu haben. Das Bild enthält in fast lebensgroßen
Figuren Maria mit dem Christkind und Joseph und
zu den Seiten fünf Heilige. Es ist überdies mit
der Jahreszahl 1520 bezeichnet. Offenbar hat Ler-
molieff dieses Hauptwerk gar nicht gekannt; denn
wenn dieses Bild als Maßstab für das Kunstvermögen
des Ortolano zu gelten hat, so hat ja jener Kritiker
mit seiner auf Intuition beruhenden Theorie ganz
recht gehabt, — ein besseres Beweismaterial zur Stütze
derselben hätte er sich gar nicht wünschen können.
Ortolano erscheint hier nämlich als Eklektiker, dessen
Können etwa auf der Höhe eines Innocenzo da Imola
steht, der in Färbung, in Zeichnung, in Erfindung,
in allem, was den wahren Künstler offenbart, den
Eindruck eines sehr kleinen Lichtes macht und der
unmöglich auf eine Linie gestellt werden kann mit
dem Maler der berühmten Kreuzabnahme in der
Galerie Borghese in Rom. J. P. h'ICHTER.

BÜCHERSCHAU.
Ernst Zimmermann, Dr. phil. Die Landschaft in

der venezianischen Malerei bis zum Tode Ii: im/'s.

Leipzig, Seemann. 1893. 8°.

„In dem Wunsche entstanden, einmal an einem
und dem wichtigsten (?) Beispiel festzustellen, wie
sich die große Zeit der italienischen Kunst der Land-
schaftsmalerei gegenüber, die in unseren Tagen zu
beispielloser Bedeutung gelangt ist, verhalten hat,
zugleich aber auch unserer Kenntnis der venezia-
nischen Malerei einen wichtigen Teil ihres künst-
lerischen Schaffens, der bis jetzt noch nicht die
verdiente Beachtung gefunden hat, als eine natur-
gemäß aus der Zeit und Umständen erwachsene und
daher ihr mit Notwendigkeit zugehörende Erschei-
nung hinzuzufügen" — bringt das letzte Heft der
neuen Folge der Beiträge zur Kunstgeschichte eine
kunsthistorische Studie, welche vergangenen Winter
der Leipziger Universität als Promotionsarbeit zur
Erlangung des Doktorgrades vorgelegt, nun in selb-
ständiger Form unsere kunsfhistorische Litteratur mit
einer ansprechenden, ernsten Studie bereichert, die
dazu beitragen wird, die Aufmerksamkeit weiterer
Kreise auf dieses, die venezianische Malerei an Um-
fang und Bedeutung erweiternde. Stoffgebiet zu
lenken.

Mehr als anderwärts, sagt 'der Verfasser, wäre
 
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