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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 6.1895

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Stiassny, Robert: Baldung-Studien, [2]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5782#0059

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105

Bücherschau.

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ter seiner Zeit in der „Allgemeinen" veröffentlicht
hatte. Die Annahme liegt also nahe, dass er die
besagten „Fälle" keineswegs gründlich genug kennt,
um zu einem derartigen Schiedssprüche berufen zu
sein. Oder ist er wirklich der Ansicht, dass bei
einem mit einem doppelten H signirten Gemälde
die Autorschaft Hans Baldung's noch nicht völlig
ausgeschlossen ist? Meint er in der That, dass ein
Porträt, welches den Markgrafen Christoph mit
blauen statt mit braunen Augen darstellt, von dessen
Hofmaler herrühren könne? Scheint ihm die Zuge-
hörigkeit des Dreiheiligenbildes in der Sammlung
Speck-Sternbui-g zu dem in der Dresdener Galerie
dem Dan. Fritsch aus Torgau beigemessenen Flügel-
altar (Nr. 1960 und 1961) noch kein überzeugender
Beweis für seine etwa vierzig Jahre nach Baldung's
Tode auszusetzende Entstehung? Hält er noch immer
fest an der offiziellen Benennung der »Erschaffung
der Eva" im Germanischen Museum, eines Gemäldes,
von dem auch W. Schmidt kürzlich hier (Kunst-
chronik N. F. V, Nr. 4, Sp. 58) bemerkte, dass es
„mit Baidung nichts zu schaffen habe"?

Während dieser kunsthistorische Findling bei-
spielsweise gewissenhaft und ohne irgend einen selb-
ständigen Einwand im Terey'schen Kataloge verbucht
ist, unterlässt es derselbe, den Lichtenthaler Altar-
fiügeln gegenüber Stellung zu nehmen, die bisher
als das einzige Denkmal der vor-Dürerischen Stil-
periode Baldung's gegolten hatten. Um nicht Ja
oder Nein sagen zu müssen, schlägt der Verfasser
den bequemen Ausweg ein, sie totzuschweigen.
Rückt man ihm nun diese Methode vor, so nennt
das sein Fürsprech „geflissentliche Herabsetzung der
Thätigkeit eines Forschers".

Auch an dem wahren Weichselzopf handgreif-
licher Irrtümer, Auslassungen, grober Missverständ-
nisse, welche die Recension aufzeigte, hat der wohl-
wollende Beurteiler der „Beilage" kein Arg ge-
funden und nicht eine einzige „thatsächliche Berich-
tigung" ihr entnommen! Erblickt er also vielleicht
eine neue Spielart wissenschaftlicher Gründlichkeit
in dem Verfahren Terey's, aus zwei Bildern des Pal.
Pitti Eines zu machen, ein Nummerncitat aus einem
italienischen Photographieenkataloge an Stelle eines
Zustandsberichtes zu geben, die Altersangabe des
Dargestellten auf dem Stuttgarter, die Datirung auf
dem Londoner Porträt zu ignoriren? Giebt es seines
Erachtens etwa von der Akribie des Spezialforschers
Zeugnis, wenn bei Besprechung des Ansbacher Kelter-
bildes, an dem das Bemerkenswerteste der noch vor-
handene Entwurf von Dürer ist, gerade diese Kleinig-

keit — übrigens auch Name und Todesjahr des Stif-
ters — hervorzuheben vergessen wird? Und stellt
es vielleicht einen besonderen Befähigungsnachweis
aus für Studien auf dem Gebiete der deutschen
Kunstgeschichte, wenn die auf Abbildungen der
„Taufe Christi" stehende Figur des gewandhalten-
den Engels in der Beschreibung des Snewelin-Al-
tares (S. 24) gänzlich verkannt und als eigentüm-
liches „Motiv" bezeichnet wird, das „in Italien sehr
früh und unter anderem (!) bei H. Burgkmair" vor-
komme? Nein, die „Rettung" dieses Verzeich-
nisses war verlorene Liebesmüh! Die hier her-
ausgegriffenen neuen „Fälle" mögen beweisen, dass
die in der Anzeige gebotene Blütenlese keineswegs
Anspruch auf Vollständigkeit machte. In der That,
nicht eine einzige Nummer des Kataloges könnte
Schreiber dieses unbeanstandet passiren lassen und
jeder Versuch einer Revision seines früher abge-
gebenen Urteils würde nur eine Verschärfung des-
selben bedeuten. Wenn nun der ausgezeichnete Mit-
arbeiter der .Allgemeinen" über die Schärfe dieses
Urteils beweglich Klage führt und seine Tonart als
eine kunstwissenschaftliche „Mode" rügt, so ist dar-
auf zu erwidern, dass sie wahrscheinlich ebenso lange
„Mode" bleiben wird, als in der Fachlitteratur leicht-
fertige Leistungen von der Qualität der Terey'schen
nicht nur möglich sind, sondern sogar von autorita-
; tiver Seite für voll genommen werden. Ob durch
Einführung von Wendungen, wie „Anrempelung",
„bloß nörgelnde Kritik", „Irreführung des Lesers",
die kunsthistorische Kontroverse an Würde gerade
wesentlich gewinnen dürfte, bleibe dahingestellt.1)

BÜCHERSCHAU.

Zwei Studien von Alfred Lichtwark. Von allen Seiten
wird heute zugestanden, dass die künstlerische Erziehung
unseres Volkes im Argen liegt, und vielerlei Mittel und
Wege werden in Vorschlag gebracht, bessere Zustände her-
beizuführen. A. Lichtwark hegt die Überzeugung, dass es
darauf ankomme, zunächst die vorhandenen Keime einer
künstlerischen Selbsterziehung zu entwickeln. Er sieht sie
in dem Wiedererwachen der ästhetischen Freude an der
Blume und in dem Aufleben des Dilettantismus und hat
diese beiden Thatsachen in zwei soeben (in München bei
Bruckmann) erschienenen Studien geistvoll beleuchtet. In
der ersten Studie, „Makartbouquet und Blumenstrauß", wird
erzählt, wie seit einigen Jahren der längst vorbereitete Um-
schwung in der Betrachtung der Blume eingetreteu ist.

1) Derselben „Irreführung des Lesers" hat sich neuer-
dings eine Besprechung des Terey'schen Kataloges im „Rc-
pertorium f. Kunstw." (XVII, Heft IV, 293 ff.) schuldig ge-
macht, deren Verfasser die Ausstellungen des Referenten der
„Kunstchronik", soweit er sie einer Nachprüfung unterziehen
konnte, Punkt für Punkt zu bestätigen sich „leider" ge-
nötigt sah.
 
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