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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 6.1895

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Wolf, August: Galerie der Akademie in Venedig
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Niemann, George: Die Burg des Priamos
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https://doi.org/10.11588/diglit.5782#0072

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Die Burg des Priamos.

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bereits beendet war, mussten sie nun auch diesen Saal
wieder verlassen und wurden jetzt in den im Erdge-
schoss befindlichen Zeichensälen verteilt, wo sie auf
immer unzugänglich sind. In den leergewordenen Saal
wurden die oben genannten modernen Bilder, deren
Aufstellung kaum beendet war, gebracht und dort
schlechter aufgestellt. In dem leeren Saal beabsich-
tigt man sämtliche Bilder Carpaccio's zu vereini-
gen. — Gewonnen hat bei alledem niemand, nur
die dabei beschäftigten Arbeitsleute. Ganz schadlos
gehen die Bilder bekanntlich aus so vielem Umher-
schleppen nie hervor. (Waren doch die „Modernen"
sogar zeitweise nach der kgl. Villa zu Strä gebracht
worden, bis Befehl kam, sie wieder nach Venedig
zurückzubringen!) Was nun die Carpaccio's anbe-
langt, so wäre es der schlimmste Missgriff, dieselben
aus dem großen schönen Saale zu entfernen, wel-
chen sie seit dem Jahre 1830 zieren, angeblich um
ihnen besseres Licht und eine würdigere Aufstellung
zu verschaffen. Man wird, wenn dies geschehen
sollte, die schlimmsten Erfahrungen machen, denn
in dem nun leeren Oberlichtsaale ist nichts beleuchtet
als der Fussboden. — Hoffen wir, dass die Regie-
rung einsehe, dass man selbst dem Auslande gegen-
über eine gewisse Verantwortlichkeit habe bezüglich
guter Aufstellung so wichtiger Kunstwerke. Sind
sie doch Gemeingut der ganzen gebildeten Welt!
Sind sie doch würdig genug aufgestellt, in langer
Reihe! Wer Venedig kennt, wird sich an diesem
Cyclus aus dem Leben der hl. Ursula erfreut
und nichts von allzuschlechter Beleuchtung empfun-
den haben. Auch umgiebt die Bilder Gleichartiges,
welches in keiner Weise die Stimmung stört. Hof-
fen wir, dass man noch bei Zeiten zur Einsicht komme
und die Bilder nicht vom Platze rühre! — Wenn
auch nun die Carpaccio's noch nicht von der Stelle ge-
rückt sind, so ist doch ein wahres „Wechselfieber" in
die Bilder der Galerie gefahren. Als ob alle Luft-
veränderung nötig hätten, werden sie beständig hin
und her gebracht. Wechselnde Entschlüsse und
beständiges Experimentiren sind in Italien eine wahre
Krankheit. Es ist in den italienischen Galerien,
wie wenn man Herrn Bädeker zur Verzweiflung
bringen wollte, „nichts beständig als der Wechsel".

AUGUST WOLF.

DIE BURG DES PRIAMOS1).
Die Ausgrabungen des Jahres 1894 in Hissarlik-
Ilion haben die überraschende Thatsaohe ergeben,

1) Troja 1893. Bericht über die im Jahre 1893 in Troja
veranstalteten Ausgrabungen von Wilhelm Dörpfeld. Unter

dass oberhalb der prähistorischen Feste, welche
Schliemann als die Burg des Priamos betrachtete,
die Reste einer jüngeren, vorgriechischen, weit statt-
licheren Festung liegen, welche ein größeres An-
recht hat als jene, für das von Homer besungene
Troja zu gelten.

Dass es möglich war, die nun entdeckten soliden
Quadermauern bisher zu übersehen, liegt in den
örtlichen Verhältnissen und in Schliemanns Aus-
grabungsmethode. Der enthusiastische Forscher grub
bekanntlich durch sieben übereinander gelagerte
Ansiedlungen hindurch in die Tiefe, zerstörte die
innerhalb des ausgegrabenen Kessels liegenden Teile
der oberen Schichten und fand in der zweiten
Schichte von unten gezählt die vielbestrittene Burg
aus ungebrannten Ziegeln; die nun in der höher,
aber noch unter der griechischen Ansiedelung liegen-
den sechsten Schichte entdeckte Ringmauer, sowie
einige Gebäudereste, liegen außerhalb des Schliemann-
schen Ausgrabungsfeldes und wurden bei der Er-
weiterung desselben gefunden.

Bei einer im Jahre 1890 vorgenommenen Ab-
grabung am Südrande des Kessels, welche den Zweck
hatte, nach Gräbern zu suchen, entdeckten Schlie-
mann und Dörpfeld, dass die sechste Schichte zahl-
reiche Vasenscherben „mykenischen" Stiles enthielt;
demnach mussten die darunter liegenden einfachen
Bauwerke der fünften, vierten und dritten Schichte,
vor allem aber die Burg in der zweiten Schichte
älter sein, als die „mykenische" Kultur.

Unter mykenischer Kultur verstehen wir ja die-
jenige, welche zuerst durch Schliemanns Funde in
Mykenä bekannt geworden ist; welche, wie man
heute weiß, im Osten Griechenlands auf den Inseln
des ägäischen Meeres verbreitet war und die Grund-
lage der homerischen Vorstellungen von den Wohn-
sitzen der Helden des trojanischen Krieges bildet.
Das Fehlen der mykenischen Topfware in der zweiten
Schichte war das Hauptbedenken gewesen, welches
gegen Schliemanns Hypothese, dass diese Schichte
die Burg des Priamos enthalte, erhoben wurde.

Es war Schliemann vor seinem Tode noch ver-
gönnt, die Thatsache festzustellen, dass die sechste
Schichte seiner Grabungen in Hissarlik der Periode
des trojanischen Krieges angehöre, nicht aber die
dadurch gegebene Anregung weiter zu verfolgen.
Der Nachweis, dass diese sechste Schichte nicht
bloß mykenische Vasenscherben, sondern eine dieser

Mitwirkung von Alfred Brückner, Max Weigel und Wilhelm
Wilberg. Mit 2 Plänen und 83 Abbildungen. Leipzig,
F. A. Brockhaus. 1894.
 
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