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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 6.1895

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Niemann, George: Die Burg des Priamos
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5782#0073

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133

Bücheiscbau.

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Periode angehörige Burg enthalte, wurde erst nach
Schliemanns Tode von Dörpfeld, welcher die Aus-
grabungen des Jahres 1893 leitete, geliefert.

Von dieser neu entdeckten Burg wurden bisher
Teile der Ringmauer mit einem Turme im Osten
und verschiedene nahe der Mauer liegende Gebäude
ausgegraben; in der Mitte des ßurghügels sind die
Gebäude nicht erhalten, weil sie, wie Dörpfeld
meint, wahrscheinlich schon von den Römern beim
Umbau der Akropolis zerstört wurden. Möglich
auch, dass Schliemann sie zerstörte. Doch sind in
den Erdklötzen, welche er stehen ließ, keine Reste
derselben gefunden.

Der wesentliche Unterschied in der technischen
Ausführung der älteren Burg und der neu aufge-
deckten mykenischen besteht darin, dass diese aus
behauenen Steinen errichtet war, jene aber aus
Lehmziegeln. Trotz des besseren Materials ist die
Zerstörung gross, da die Quadern von späteren An-
siedlern für ihre eigenen Bauten benutzt wurden.
Am besten sind einzelne Stücke der Burgmauer er-
halten, welche aus großen flachen, nicht horizontal
sondern winkelrecht zur Böschungslinie geschich-
teten Steinen gebaut ist. Die Mauer ist 5 Meter
dick, das besterhaltene Stück 6 Meter hoch ohne
das Fundament.

Der schon erwähnte Turm ist an einer Stelle
erbaut, wo der Burghügel steil zur Ebene abfällt,
daher die eine Hälfte auf dem Plateau steht, wäh-
rend die andere in die Ebene hinabreicht. Der
Turm springt 8 Meter vor die Mauerflucht heraus
und ist 18 Meter breit. Die Bearbeitung und
Schichtung des Turmmauerwerkes wird von Dörp-
feld als besonders sorgfältig geschildert.

Dörpfeld hat mit der Aufdeckung der mykeni-
schen Burg auf Hissarlik einen neuen Erfolg er-
rungen. Wer diesen Trümmerhaufen in der troi-
schen Ebene kennt, weiß, welche Summe von
Kenntnissen und Erfahrungen, scharfer Beobachtung
und kühlem Urteil dazu gehörte, um das im Ver-
laufe von Jahrtausenden entstandene Chaos zu ent-
wirren. Als in den siebziger Jahren Schliemann
die ersten phantastisch angehauchten Nachrich-
ten über seine Grabungen in die Welt sendete,
wurde er verhöhnt; als Dörpfeld die prähistorische
Burg der zweiten Schichte nachwies, durfte man
zweifeln, ob sie die gepriesene Burg des Priamos
sei. Heute ist die Existenz Troja's keine Frage
mehr und die Erklärer Homers müssen mit dieser
Thatsache rechnen. GEOBOE NIEMANN.

BÜCHERSCHAU.
Josef Strzygowski, Byzantinische Denkmäler.

/. Das Etschmiadzin-Evangeliar. Beiträge zur Ge-
schichte der armenischen, ravennatischen und
syro-ägyptischen Kunst. Mit 18 Illustrationen im
Text und 8 Doppeltafeln. Wien 1891. VIII und
128 S. in 4°.

II. Ph. Forchheimcr und Strzygowski, Die by-
zantinischen Wasserbehälter von Konstantinopel. Bei-
träge zur Geschichte der byzantinischen Baukunst
und zur Topographie von Konstantinopel. Mit
152 Aufnahmen in 40 Tafelgruppen und 31 Text-
illustrationen. Mit Unterstützung des k. k. Mi-
nisteriums für Kultus und Unterricht. Wien 1893.
VIII und 270 S. in 4°.

Die kunsthistorische Forschung hat sich im
letzten Jahrzehnt fast ausschließlich mit der italie-
nischen und nordischen Kunstentwickelung beschäf-
tigt, wie die klassische Archäologie fast ausschließ-
lich mit Griechenland. Wie man sich hier nicht
um Rom kümmerte, so dort nicht um die Funda-
mente, aus denen heraus die nordische und italie-
nische Kunst wurde. Erst neuerdings, gedrängt einer-
seits durch die von Dilettanten eifrig begonnene
Forschung auf dem Gebiete der prähistorischen und
Völkerwanderungszeit, andererseits durch den auf
Schritt und Tritt fühlbaren Mangel an Kenntnis
der typenbildenden byzantinischen Kunst, hat sich
die Aufmerksamkeit einem weiteren Gesichtskreise
zugewandt. Speziell auf letzterem Gebiete sind rus-
sische und französische Forscher vorgegangen, ja
die kunstwissenschaftlichen Arbeitskräfte Russlands,
das sich Byzanz gegenüber gern in kultureller nicht
nur, sondern auch in politischer Hinsicht als allein
erbberechtigt hinstellt, sind eigentlich neuerdings
vollständig durch diese Strömung in Anspruch ge-
nommen. Auch Griechen und Engländer beginnen
sich wetteifernd zu regen.

Unter diesen Umständen müssen wir es dem
österreichischen Ministerium für Kultus und Unter-
richt Dank wissen, dass es den auf die Erforschung
der byzantinischen Denkmälerwelt gerichteten Be-
strebungen des Professors der Grazer Universität
J. Strzygowski nach Möglichkeit Vorschub leistet,
und werden ebenso den schönen Eifer anerkennen,
mit dem die Wiener Mechitharisten-Kongregation
die Drucklegung seiner größeren Werke bisher auf
sich genommen hat. Es wird dadurch in der deut-
schen kunsthistorischen Litteratur eine Lücke aus-
gefüllt, die, allseitig fühlbar, deshalb um so seltener
thätig ins Auge gefasst wird, als das an sich ästhe-
 
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