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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 6.1895

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Lier, Hermann Arthur: Korrespondenz Dresden, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5782#0082

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151

Korrespondenz.

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des Mittelgrundes erklärt. Es ist möglich, dass
dann und wann derartige Erscheinungen in der
Natur vorkommen, doch wird es uns schwer daran
zu glauben, solange wir solche grelle Lichter und
scharfe Schatten nicht selbst in der Natur beob-
achtet haben.

Aus der Ausstellung der Münchener Sezessio-
nisten war ein ergreifendes Bild des Franzosen Alfred
Holl, das die Bezeichnung „Erdarbeiter" führt, ein-
gesendet worden. Es gehört zu dem Cyklus jener
Gemälde, durch die Roll nach dem Vorbilde von
Zola's „Rougon-Macquarts" das soziale Leben der
Gegenwart zu schildern begonnen hat, aber es führt
uns nicht vor die Nachtseiten des Lebens, wie es
sonst meistens bei Roll der Fall ist, sondern stellt
einen idyllischen Moment dar: eine junge Mutter,
die im Grünen, auf dem Rasen sitzend, eingeschlafen
ist und ihr reizendes kleines Mädchen, das sie eben
gestillt hat, an sich drückt. Ein melancholischer
Zug fehlt indessen auch diesem Bilde nicht, denn
hinter der Gruppe steht ein großer, ärmlich ge-
kleideter Arbeiter, der Vater des Kindes, aus dessen
bekümmerten Mienen wir herauslesen, dass er mit
Sorge an die Zukunft seiner Lieben denkt. Gemalt
ist dieses Bild mit hellen, lichten Farben, die Roll
bereits in mehreren idyllischen Sommerscenen ange-
wendet hat, während er in seinen großen Arbeiter-
bildern ein fahles Grau bevorzugt. In Henry Lerolle's
„Interieur" begrüssen wir ein Werk, das offenbar
unter dem Einfluss Whistlcr's entstanden ist. Es ist
eine überaus fein gestimmte Farbenharmonie, bei
der auf den Gegenstand — zwei Damen sitzen in
einem Zimmer bei der Lektüre, während eine dritte,
die eine Blume in der Hand hält, ihnen zusieht —
wenig oder gar nichts ankommt.

Leider ist bisher in der Arnold'schen Aus-
stellung und, so viel uns erinnerlich ist, in Dresden
überhaupt noch kein Werk Whistlcr's ausgestellt
worden. Doch ist es den Bemühungen des gegen-
wärtigen Inhabers des Arnold'schen Geschäftes, des
Herrn Gutbier, gelungen, eine reichhaltige Kollek-
tion von Gemälden der „Glasgow-Boys", für die
das Beispiel Whistler's maßgebend war, zusammen-
zubringen, die für Dresden, das noch keine Aus-
stellung der Schotten gesehen hat, ganz neu und
schon darum hoch interessant ist. Außer Arthur
Melvüle und George Henry sind alle hervorragenden
Vertreter der jüngeren schottischen Schule, die in
Glasgow ihren Sitz hat, an der Ausstellung beteiligt.
Vor allem kommen die Gemälde von James Guthrie,
Edward W. Walton, Macaulay Stevenson, John Lavery

Alexander Roche, James Paterson, W. J. Macgregor und
Grosvenor Thomas in Betracht. Sie sind zum Teil
mit ganz vorzüglichen Arbeiten, von denen die
meisten in Deutschland noch unbekannt sind, auf
dem Platz erschienen, zeigen sich aber noch als die-
selben, wie man sie von der Münchener und Berliner
Ausstellung seit dem Jahre 1891 kennt. Wir sehen
uns daher nicht veranlasst, an dieser Stelle genauer
auf die Leistungen der Einzelnen einzugehen, zumal
ja gerade die „Zeitschrift" im Jahrgang 1891 als
eine der ersten eine eingehende Würdigung der
Schotten veröffentlicht hat, und müssen uns begnü-
gen, auf einige Namen hinzuweisen, die bisher noch
weniger bekannt geworden sind. Zunächst ist da
von David Gauld zu reden, dessen „Weide" von so
sonniger Klarheit und so warm empfunden ist, dass
wir dieses Bild zu den hervorragendsten Stücken
der gegenwärtigen Ausstellung rechnen. Thomas
Millie Dow ist neben Paterson mit überaus duftigen
Blumenstücken, unter denen die „Peonien" hervor-
ragen, vertreten, eine Gattung, in der auch Stuart
Park Bedeutendes leistet. D. Y. Gameron erfreut durch
ein reizendes Mädchenbild „Isabella", das bei aller
Buntheit, — grünes Kleid, schwarzes dunkles Haar,
eine Fülle bunter Blumen, — doch einen harmonischen
Eindruck macht. W. J. Macgregor liebt es, darin
seinen Kollegen ungleich, auf weite Reisen zu gehen,
die ihn bis Persien und Südafrika geführt haben,
und seine unterwegs gemachten Studien zu Bildern
zu verarbeiten, die trotz ihrer großen Skizzenhaftig-
keit, was z. B. seine spanische Straße beweist, aus
der richtigen Entfernung gesehen, mächtig wirken.
Ahnliches gilt von James Whitelaw Hamilton, der
in Venedig, das er nicht in der hergebrachten
Mondscheinbeleuchtung malt, ein dankbares Studien-
feld gefunden hat. Das Vollendetste leisten aber
unter den Boys diejenigen, die ihre Motive ihrer
schottischen Heimat entnehmen und wie die großen
französischen Meister der Landschaft sich auf einen
kleineren Naturausschnitt beschränken, wobei sie
mit Vorliebe auf die Vorgänge am Horizont achten.
Da Paterson nur mit einem kleinen, wenn auch vor-
trefflichen Bilde dieser Art, einer Flusslandschaft
mit vorherrschend blauen Tönen vertreten ist, ist
diesmal Grosvenor Thomas in erster Linie zu nennen.
Er bringt vier Dämmerungsbilder, sämtlich höchst
elegisch und von einer an Ossian erinnernden
Empfindungstiefe. Dagegen fällt uns in Macaulay
Stevensons beiden Mondscheinbildern der Einfluss
Rousseait's und Dupre's auf, mit denen er eine ent-
schiedene Verwandtschaft hat, Für ihn sowohl als
 
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