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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 6.1895

DOI Artikel:
Stiassny, Robert: Baldung-Studien, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5782#0169

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325

Baidung-Studien.

326

BALDUNG - STUDIEN.

III. Glasgemälde.
(Schluss').

Wir wenden uns zurück zu den Glasgemälden
des Kapellenkranzes. Auch für jene der Blumenegg-
oder St Magdalenenkapelle, neben dem Nordportal
des Chores (der zehnten vom Südeingang her) hat
Baidung die Vorlagen geliefert. Dieses Verhältnis
stellt sich sofort heraus, obschon wir es nicht mehr
mit den Originalen zu thun haben, sondern nur mit
treuen, 1883 im Atelier Heimle & Merzweiler her-
gestellten Kopieen. Die arg beschädigten alten Fen-
ster werden gegenwärtig in der Schatzkammer des
Münsters verwahrt. Auf vier Tafeln führen sie den
Ölberg, die Kreuzigungsgruppe, die Erscheinung des
Auferstandenen vor Magdalena am Ostermorgen und
den Stifter vor, der, den Wappenschild zur Seite, im
Harnisch hinter seinen beiden Hausfrauen kniet.
Uber der Donatorenfamilie schweben Spruchbänder
mit der Aufschrift: ,,0 Herr in din Hand befil min
Geist / und hast mich erlöst Gott der Worheit".
Die Umrahmung ist noch spätgotisch, Engel mit
Marterwerkzeugen füllen die Zwickel des Astwerk-
bogens. In der fragmentarischen Widmungsunter-
schrift sind bloß die Namen der beiden Frauen-
lesbar: „Apolonia geborne von Rischach und Bea-
trix geborne Bescholtin, denen (Gott genad?)".
In dem Bildnis ihres Gemahles erkennt man aber
unschwer den Ratsherrn Sebastian von Blumenegg
wieder, dasselbe Mitglied der mächtigen Breisgauer
Adelsfamilie, dessen scharf geschnittener Kopf von
etwas säuerlichem Ausdruck im reichen Locken-
schmuck an der Spitze der Hüttenpfleger auf der
Staffelrückseite des Hochaltars erscheint (Phot. von
C. Cläre, Freiburg, Nr. 1038). Eine Federzeichnung
Baldung's im Herzogl. Kupferstichkabinett auf der
Veste Coburg giebt einen bartlosen männlichen Por-
trätkopf, im Dreiviertelprofil nach links gewendet,
wieder, der viele Ähnlichkeit mit Blumenegg besitzt,
ohne dass man für die Identität der Persönlich-
keiten unbedingt einstehen könnte. In der Ge-
schichte seines Hauses ist Sebastian nicht hervor-
getreten; seine zweite Ehe mit Beatrix, aus der
Straßburger Familie Bettschold, die sich von ihrem
Edelsitze in Kenzingen schrieb, ging er 1498 ein
(vgl. Kindler v. Knobloch, Oberbadisches Geschlech-

1) Siehe Kunstchronik N. F. VI, Nr. 20. — Hier ist
Sp. 306, Zeile 10 von unten „Den" statt „Der" und Sp.
307, Zeile 8 von oben „grienisch" statt griechisch zu
lesen.

terbuch, I. Bd., Heidelberg 1894, S. 69 und 112 f.)
Dass er Baidung — vermutlich in einem der letzten
Jahre dessen Freiburger Aufenthaltes — mit dem
Entwürfe des Glasfensters betraute, kann um so
weniger überraschen, als wir den Maler bereits früher
im Privatauftrag eines anderen Pflegers, Ägydius
Has, ein Kirchenbild ausführen sahen (Kunstchronik
N. F. VI, 99).

Unter den vier Kompositionen des Blumenegg-
Fensters wird vor allem die Gruppe Christus am
Kreuz zwischen Maria und Johannes durch untrüg-
liche Merkmale des Stils als Erfindung Baldung's
beglaubigt. Die gramgebeugte Mutter, ganz in
Weiß, mit über der Brust gekreuzten Armen, ist
nächstverwandt der Maria des Zweifarbenholzschnit-
tes, Eisenmann 13 (Abb. v. Lützow, Gesch. d. deut-
schen Holzschnittes und Kupferstiches, S. 178). Auch
Johannes in rotem Mantel über grünem Armelrock,
der, die Hände faltend, schmerzvoll zum Heiland
aufblickt, gehört dem Typenkreise des Meisters an.
Die Gebirgslandschaft im Hintergrunde mit dem
von Schiffen belebten Wasserspiegel, die Haar- und
Gewandbehandlung, namentlich das flatternde Len-
dentuch Christi verraten deutlich seine Auffassung
und Zeichenmanier. Und dasselbe gilt für die übri-
gen Felder. So bieten die am Ölberg schlafenden
Jünger unverfälscht Baldung'sche Stellungs- und Be-
wegungsmotive. Als Meister des Stimmungsbildes
bewährt sich der Künstler in der Scene des „Noli
me tangere", in der der moderne Kopist die Far-
benharmonie und Vortragsweise des Originals mit
besonderem Glück wiedergegeben hat In feuer-
rotem Mantel, auf eine Schaufel gestützt, tritt der
Gärtner für das Himmelreich der in die Kniee ge-
sunkenen Magdalena entgegen, die über violettem
Kleid einen rosa Mantel trägt.

Mit der besprochenen Gruppe von Glasgemäl-
den, die schon in der Kunstchronik N. F. V, Sp. 224
mit Baidung in Verbindung gebracht wurde, dürfte
der persönliche Anteil des Malers an den herr-
lichen Chorfenstern des Freiburger Münsters, soweit
sie sich an Ort und Stelle erhalten haben, er-
schöpft sein. Die übrigen Glasmalereien des Ka-
pellenkranzes weisen schon durch ihren vorgeschrit-
ten Renaissancestil von dem Künstler hinweg, der
überdies zur Zeit, da sie zur Ausführung gelangten,
in den zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts —
nur die Scheiben der Pennehoferkapelle stammen
noch aus dem zweiten Jahrzehnt — längst wieder
in Straßburg weilte. Hingegen hat die Eigenart und
das überragende Kompositionstalent des Meisters
 
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