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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 6.1895

DOI Artikel:
Schultze, Paul: Die Frühjahrsausstellung der Secession München 1895
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5782#0175

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.
Ankündigungsblatt des Verbandes der deutschen Kunstgewerbevereine,

HERAUSGEBER:

CARL VON LÜTZOW und DR. A. ROSENBERG

WIEN
Heugasse 58.

BERLIN SW.

Wartenburgstraße 15.

Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG, Gartenstr. 15. Berlin: W. H. KÜHL, Jägerstr. 73.

Neue Folge. VI. Jahrgang.

1894/95.

Nr. 22. 18. April.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den
Sommermonaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeit-
schrift für bildende Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung
die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

DIE FRÜHJAHRSAUSSTELLUNG DER
SECESSION MÜNCHEN 1895.

von PAUL SGHULTZE- naumburg.

Es ist heut in einem Berichte über die Secession
kaum noch am Platze, auf ihre Wege und Ziele
hinzuweisen. Wer den guten Willen gehabt hat, der
hat von diesen genugsam gehört und es genügt, her-
vorzuheben, dass die Anhänger denselben treu geblieben
sind. Man hat sich beruhigt, nachdem man gesehen,
dass die Sagen, die den Secessionisten vorausgingen,
Schreckgespenster waren, dass ihr Wahrzeichen nicht
das blutrote Banner der Revolution sei, dass diese
„neue" Kunst, auf die man so misstrauisch blickte,
überhaupt nicht neu sein sollte, sondern die Secessio-
nissten nur die Priester der wahren Kunst sein wollten,
die sie von den anhaftenden Schlacken, die sie einst
zu ersticken drohten, reinigen wollten, dass ihre
Kunst dieselbe Kunst sein sollte, wie Holbein und
Dürer, Rembrandt und Van Dyck, Watteau und
Prudhon, Schwind und Rethel sie geübt. Dieselbe —
ja; eine jede aber in ihrem besonderem Kleide. Das
Rad der Zeit rollt weiter; wer sich ihm entgegen-
stellt, wird zur Seite geschleudert oder zertreten, —
so will es ein uraltes Naturgesetz. Es bedeutet
einen bedauerlichen Mangel an historischem Sinn,
wenn Jemand glaubt, dass unsere heutige Kunst,
Ausgang des 19. Jahrhunderts, so aussehen müsste,
wie die irgend einer vorhergehenden Zeit. Aber
nochmal: so ungeheuerlich groß ist der Unterschied
doch nicht. Rein äußerlich genommen sieht aller-
dings eine Giotto'sche Freske anders aus als ein
Rembrandt'sehes Ölbild. Der Zeitunterschied ist dort

größer, aber dafür leben wir in einer schnelllebenden
Zeit, eine Thatsache, die trotz allen Jammers darüber
eben doch nicht aus der Welt zu schaffen und mit
der zu rechnen ist. Der Kampf der reaktionären
Partei ging vielfach gegen Windmühlen; gar manche,
die wütend den Knüppel geschwungen haben, sehen
es ein, aber der Konsequenz halber schlagen sie
weiter in die Luft.

Der erste Grundsatz der Secession war: Aus-
schluss aller Marktware. Wenn man Marktware so
definirt, dass man sagt, es seien die Bilder, die den
Leuten gut gefallen, so bleibt schließlich übrig, zu
sagen, Kunstwerke seien die Bilder, die den Leuten
nicht gefallen. Und ich glaube, wenn man für den
Begriff Leute = die Gebildeten setzt, so trifft die
Definition auch ziemlich das Richtige. — Glaubt man
denn ernsthaft an die allgemeine Begeisterung für
die alten Meister? Natürlich, so schlau sind sie alle,
dass sie ihre furchtbare Langweile in den Galerien
verbergen. Wen trifft man denn in den Galerien?
Etliche Fräulein, welche kopiren, — grad so gut
könnten sie sich auf dem Telephonumschaltebureau
nützlich machen; einige Gymnasiasten, die aus
gleichem löblichen Eifer von Winkelmanns Bedeutung
reden, wie sie sich durch die Wahlverwandtschaften
durcharbeiten oder galvanische Batterien zusammen-
bauen; ein paar Fremde, die — nun ja, das kennt
man ja — und dann noch einige wenige, ganz
wenige, die des ästhetischen Genusses halber hin-
gehen. — Ist es denn etwas anderes in den Aus-
stellungen der Secession, ausser dass die Persönlich-
keiten der Künstler den Besuchern interessanter sind?
Das, was diese bei der Kunst der vergehenden
 
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