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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 6.1895

DOI Artikel:
Rosenberg, Adolf: Die grosse Berliner Kunstausstellung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5782#0215

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.
Ankündigungsblatt des Verbandes der deutschen Kunstgewerbevereine,

HERAUSGEBER:

CARL VON LÜTZOW und DR. A. ROSEN BERG

WIEN BERLIN SW.

Heugasse 58. Wartenljurgstraße 15.

Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG, Gartenstr. 15. Berlin: W. H. KÜHL, Jägerstr. 73.
Nene Folge. VI. Jahrgang. 1894/95. Nr. 27. 30. Mai.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlieh dreimal, in den
Sommermonaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeit-
schrift für bildende Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung
die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Eud. Mosse u. s. w. an.

DIE GROSSE
BERLINER KUNSTAUSSTELLUNG.
I

Was vor vier Jahren der persönlichen Inter-
vention der Kaiserin Friedrich nicht gelungen ist,
ist in diesem Jahre geglückt: die Franzosen sind
gekommen, nicht vereinzelt, sondern in geschlossenen
Gruppen, die nicht bloß die beiden getrennten Lager,
den Salon der Champs-Elysees und den des Mars-
feldes, sondern auch eine der großen Inseln im
Meere des Pariser Kunstlebens, die in Paris leben-
den Nordamerikaner — wie man will, je nach der
Geschmacksrichtung des Einzelnen — würdig oder
unwürdig vertreten. Es ist überhaupt das erste Mal,
dass sich französische Künstler in corpore an einer
Berliner Ausstellung beteiligt haben. Was vor 1870
vereinzelt erschien, war nur durch Bemühungen ein-
zelner Kunsthändler, besonders des alten Sachse und
des alten Lepke nach Berlin gebracht worden, und
die sogenannten Kollektivausstellungen, die etwa
seit dem Anfang der achtziger Jahre in einigen
privaten Kunstsalons auftauchten, waren nichts an-
deres als untergeordnete Atelierware, die dunkle
Ehrenmänner in Paris zusammengeramscht hatten
und nach Berlin überführten, wo sie Dumme zu
finden hofften und zum Teil auch fanden.

Dass die erste offizielle Beteiligung französischer
Künstler an einer unter der Leitung der preußischen
Staatsregierung stehenden Ausstellung in erster Linie
auf die in dem letzten Jahre wiederholt bewiesene
Hochherzigkeit des deutschen Kaisers zurückzuführen
ist, ist bekannt. Nach dem Schimpf, den der Pa-

riser Janhagel 1891 der Mutter des Kaisers ange-
than hat, war diese Revanche ohnehin die einfachste
Pflicht der Höflichkeit. Sie ist aber erst im letzten
Moment beschlossen worden, und darum bekommt
Berlin nur einen kleinen Auszug dessen zu sehen,
was die Besucher der Münchener Ausstellungen der
drei letzten Jahre bereits kennen gelernt haben.
Überhaupt sind die Berliner Ausstellungen durch
die große Rührigkeit der beiden Münchener Kon-
kurrenten arg ins Hintertreffen geraten. Wir em-
pfangen, wenn wir von dem einheimischen und dem
Düsseldorfer Mittelgut absehen, nichts mehr aus
erster Hand, und darum muss sich der Berliner Be-
richterstatter mehr und mehr auf eine trockene Auf-
zählung des Vorhandenen, auf eine geschäftsmäßige
Feststellung der Präsenzziffer beschränken. Nun
kommt aber das Seltsame: die Abschwächung des künst-
lerischen Interesses übt nicht den geringsten nach-
teiligen Einfluss auf die Anziehungskraft der Berliner
Kunstausstellungen. Während jeder nach Absolvirung
der Pariser und Münchener Ausstellungen die Glas-
paläste der beiden Kunststädte flieht, wie die Hölle,
bildet der Berliner Glaspalast jeden Nachmittag und
Abend den Sammelplatz des Publikums. Der von
Jahr zu Jahr sich immer üppiger entwickelnde Aus-
stellungspark findet in keiner anderen Stadt seines
Gleichen, und, was für die Künstler die Hauptsache
ist, nächst Paris wird nirgends in Europa so flott
verkauft wie in Berlin. Wir wollen, um nicht böses
Blut zu machen, keinen weiteren Vergleich zwischen
Berlin und München ziehen. So viel scheint uns
aber sicher zu sein, dass es nur einer einzigen Kraft-
probe bedürfte, um Berlin auch im Kunstleben die
 
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