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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 6.1895

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Schölermann, Wilhelm: Die Münchener Jahresausstellung im Glaspalast
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Wolf, August: Erste internationale Kunstausstellung in Venedig, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5782#0250

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487

Erste internationale Kunstausstellung in Venedig.

488

horror vacui — nimmt ab. Blinzelt der niemals ganz
zu tilgende Nepotismus noch hie und da hindurch, so
muss man ihn wohl in dieser beschränkten Form, als
ein notwendiges Übel hinnehmen.

Die Secession hat bewiesen, dass sie lebenskräftig
und gesund genug war, um auf eigenen Füßen zu stehen.
Es muss verspätet und hintertreppenwitzig erscheinen
heute noch darüber zu debattiren, ob eine Trennung
seiner Zeit notwendig war oder hätte vermieden werden
können. Sie ist da und wenn, sie auch nichts weiter
gefördert hat, als den Konkurrenzeifer nebst strengerer
Kontrole über die auszustellenden Werke und deren
künstlerische Berechtigung, so ist das schon als ein
erfreuliches Resultat zu begrüßen. Erwägt man ohne
Voreingenommenheit die Schwierigkeiten, welche der
Kampf der freieren Anschauungen mit dem zähen Wider-
stande Derer zu bestehen hat, welche — in München wie
überall — durch tausend kleine Privilegien und Be-
ziehungen festsitzen und sich aus ihrer billigen und
gemütlichen Beschaulichkeit aufgerüttelt fühlen, weiß
man, was es heißt, eine solche chinesische Mauer erst
zu durchbrechen, so muss mit Befriedigung konstatirt
werden, dass etwas erreicht worden ist.

Wenn eines schönen Tages nun wieder ein Zu-
sammenfluss stattfinden sollte, so braucht man auf
beiden Seiten nicht mehr darüber aus der Haut zu fahren.
Ohne etwas Geschäurne und Stromschnellen — in Form
von Protesten und langen, mehr oder minder geistreichen
Reden — wird es wohl auch jetzt kaum gelingen, den
Strom in sein altes Bette zurückzuführen. Dass aber
die Genossenschaft, auch ohne viel pater peccavi, der
Rückkehr der Verlorenen keine erheblichen Schwierig-
keiten entgegensetzen wird, ist bekannt. Sie hat das
nie gethan. Aber diese Vereinigung muss aus natür-
lichem Bedürfnis hervorgehen. „Zur Liebe kann ich dich
nicht zwingen" heißt es hier.

Es wird die Aufgabe der Secession sein, bei Ge-
legenheit den endgültigen Beweis zu erbringen, dass das
Leitmotiv zur Trennung künstlerischen Gesichtspunkten
allein entsprungen ist. Etwaige persönliche Rücksichten
und Antipathien haben zu schweigen, wenn es gelten
sollte, die gemeinsame Arbeit unter einer Fahne wieder
aufzunehmen und die vornehmere Denkart wird zu wachen
haben, dass sie die Oberhand behält.

Reif zu vereinter künstlerischer Thätigkeit erscheint
mir München schon heute.

ERSTE INTERNATIONALE
KUNSTAUSSTELLUNG IN VENEDIG.
II.

Es muss anerkennend hervorgehoben werden, dass
in dieser Ausstellung mehr als sonst in Italien das
Bildnis zur Geltung kommt. Über dreißig italienische
Porträts sind ausgestellt Eines der besten ist das

Porträt eines Malers in Halbfigur von De Stefani, einem
hier sehr zur Anerkennung gekommenen Veroneser.

Lassen wir nun die besten Landschaftsbilder dieses
Saales folgen. Es drängen sich zunächst drei davon
ihrer Sonderbarkeit halber auf. O. Segantini's großes
Bild würde uns durch seinen rührenden Gegenstand
gewiss ergreifen, wenn dieser nicht unter der mehr als
wunderlichen Technik wahrhaft erstickt würde. Wir
sehen einen von Kummer gebeugten Mann auf schlichtem
Wagen einen Sarg durch eine Hochgebirgslandschaft
führen. Auf dem Sarge sitzt eine weinende Frau mit
Kind. Dem von müdem Gaule gezogenen Jammer folgt
ein treuer Hund. Segantini, trotz seiner Sonderlichkeiten
ein sehr interessanter Künstler, hatte vorigen Herbst in
Mailand eine Sonderausstellung veranstaltet (gegen 90 Nrn.),
in der besonders seine vortrefflichen Zeichnungen auf-
fielen. Die schöne Zeichnung wird jedoch, wenn der
Künstler seine meist großen Bilder malt, unter einer
Unzahl von alle Formen parallel umschreibenden Linien,
die in ihrer Rauhigkeit farbigen Metalldrähten gleichen,
begraben. Es sind blaue, rote, schwarze oder gelbe Streifen.
Mehr getupft, aber ebenfalls so blau, die Farben nach
ihrer prismatischen Erscheinung zerteilend, tritt Mor-
belli mit zwei Bildern auf, deren eines Arbeiterinnen in
den Reisfeldern darstellt (alle von hinten gesehen), das
andere eine Prozession. Von dem in Venedig lebenden
Bartoluzzi sehen wir einen imposanten Sonnenunter-
gang, mit hohen Bergesgipfeln, von SartoreUi eine
Abendstimmung an der Riva degli Schiavoni. Von
dem vortrefflichen B. Bezzi ist der Campo Sta. Mar-
gherita während des Fischmarktes ausgestellt. Es ist
Spätherbst oder Winter, alles nass. Die um die Waren
feilschenden Frauen, der feuchte Glanz der Tintenfische:
alles ist prächtig wiedergegeben. — Im zweiten Saale be-
gegnen wir wiederum Bezzi mit einer Landschaft an der
oberen Etsch. Die Durchsichtigkeit des Wassers, die
Klarheit der frischen Luft beherrscht der Künstler mit
größter Meisterschaft. Der Venezianer Zezzns hat den
Markusplatz dargestellt an einem windigen Nachmittage,
da die am Kaffee Florian sitzenden Damen alle ihre
bunten Sonnenschirme aufzuspannen genötigt sind.
Diese in Verbindung mit den wehenden Fahnen vor der
Kirche, das Volk in seinem Sonntagsstaate geben
dem Ganzen etwas ungemein Festliches. Von demselben
sehen wir gegenüber einen mühsam pflügenden Bauern,
dessen vier Ochsen sich mit ihm plagen, dem schweren
Boden gerecht zu werden. Die beiden vortrefflichen
Bilder zeigen sehr schlagend die Vielseitigkeit des
Künstlers.

Silvio Rota, der durch seine letzten Bilder, von den
„Galeerensklaven" anfangend, immer mehr das Schreck-
hafte, Gespenstige pflegte, hat es diesmal vorgezogen, uns
in den Hof eines Irrenhauses einzuführen. Unendlich
trostlos ist die graue Stimmung in dem großen Bilde,
auf dem wir die Unglücklichen nach Art ihrer jeweiligen
 
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