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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 6.1895

DOI Artikel:
Rosenberg, Adolf: Die grosse Berliner Kunstausstellung, [3]
DOI Artikel:
Schultze, Paul: Internationale Kunstausstellung der Secession München, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5782#0265

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517

Internationale Kunstausstellung der Secession München II.

Gestalt von echt Tizianischem Formenadel, die dem
Flötenspiel eines nackten Jünglings lauscht. Von gleicher
Meisterschaft in der Zeichnung des nackten Körpers,
die keinen Vergleich mit irgend einem Franzosen zu
scheuen braucht, ist die auf einem Fantherfell ruhende,
dem Spiel von Satyrn an einem Wiesenteich zuschauende
Dryade von Emil Glöckner. Ein starkes Talent unter
diesen jungen Idealisten ist auch Martin Boeder, dessen
auf einen heroischen Ton gestimmte, nach Motiven aus
römischen Villen komponirte Landschaft „Heiliger Hain
der Hera" eine wahre Erquickung unter den vielen
geistlosen Nachahmungen Böcklins ist. —

Von der Berliner Plastik ist diesmal nicht viel
Neues zu sagen. Wie in München, kommt auch in Berlin
als Rückschlag gegen den Barockstil der Begas'schen
Art mehr und mehr der Anschluss an die italienische
Frührenaissance zum Durchbruch, und daneben machen
sich auch nach dem Vorbilde der Franzosen Bestrebungen
geltend, die, zum Teil mit Hilfe der Polychromie, das
Relief völlig bildmäßig behandeln oder mit Hilfe der
zulässig stärksten Erhebungen zu kräftigster malerischer
Wirkung zu bringen suchen. Keinem ist das so glück-
lich gelungen wie Hugo Lederer, dessen nach unglück-
lichem Zuge gesenkten Hauptes heimkehrende Lützower
Jäger mit ihren Rossen fast völlig aus der Fläche, einer
Haidelandschaft, herauszutreten scheinen. Dass aber
eine völlige Erneuerung unserer Bildhauerkunst immer
wieder auf den Urquell aller Plastik, die griechisch-
römische Antike, zurückgreifen muss, beweisen zwei aus
Rom gekommene Meisterwerke junger Künstler: Stanis-
laus Cauers Grabstele seines Vaters Robert Cauer für
dessen Ruhestätte in Kassel und L. Tuaillons Bronze-
figur einer jugendlichen Amazone von schlankem Körper-
bau, die auf ihrem Rosse in lässiger Haltung sitzend,
aber mit der Rechten die Streitaxt fest umspannend über
den Hals des Tieres nach dem Feinde in die Ferne
späht. ADOLF ROSENBERG.

INTERNATIONALE KUNSTAUSSTELLUNG
DER SECESSION MÜNCHEN.
H

Heute zunächst ein kurzes Wort über das Gesamtbild,
das eine Ausstellung von 1895 gegen eine solche von
90 oder 91 bietet. Damals zwei große Gruppen: die
eine, bei der das Geschäftsinteresse den Pinsel geführt,
die andere, die — obwohl in einzelnen Fällen bis zu
einem gewissen Grade ungenießbar, — das ernsthafte, selb-
ständige Streben repräsentirte, aus dessen Mitte heraus
eine große neue Kunst hervorgeht. Der Phönix ist ihr
Symbol: aus der Asche steigt er schöner und herrlicher
als je empor — wieder ein Phönix, aber ein neuer Vogel.
Wie der Schmetterling, der der engen Hülle entkriecht,
zuerst noch ein unscheinbares Äußeres zeigt, so hatte
die deutsche Kunst jener Jahre noch nicht ein verlocken-

des Gewand. Ein allgemeines Schwelgen in Helligkeit,
eine Freude an der Wirkung des Lichtes allein, eine
Vorliebe für solche Motive, in denen sich Luft und
Helligkeit am besten fassen ließe; Bilder, welche auf-
dringlich sprachen: um dessentwillen sind wir gemalt,
charakterisirt sie. Es war eine Reaktion, die stets ein-
seitig betont; das ist nun genug beschrieben worden,
ein paar Schlag Wörter genügen, um den ganzen Eindruck
wieder wachzurufen: grüne Wiesen, Wäscherinnen, Holz-
schuhe, Holland, Mehlstaub in der Luft .... keiner, der
nicht den Beweis zu bringen versucht hätte, dass er
der Darstellung von Luft und Licht fähig sei.

Dann mit einmal der Umschwung. Die Schotten
brachten den Anstoß zur Wendung. Sie hatten einen Teil
der alten Romantik, gegeben durch Farbenmittel von unge-
ahntem Zauber, zurückerobert; nacli der Trockenheit,
die die Nachfolge Lepage's mit sich brachte, waren sie
der Damm, der sich ihr entgegenstaute, fühlten sie zum
erstenmal wieder ganz die altmeisterliche Lust am Malen.
Sie haben uns die Farbenfreudigkeit zurückgebracht, sie
sahen wieder die tiefen satten Töne, denen man wie dem
Gift aus dem Wege gegangen, weil man ihrer Dar-
stellung nicht fähig war. Von den Schotten lernte man sie
ohne Braun geben, man folgte ihnen in der Kühnheit,
mit der sie ein Blau, wie nur die Schotten es zu malen
verstanden, gegen ein Gelb setzten, man sah wieder,
was beim Malen groß sehen heißt.

Wir haben viel von ihnen gelernt, aber nichts wäre
unrichtiger, als nun zu behaupten, dass unsere Land-
schafter Nachahmer der Schotten geworden wären, —
ein Gemeinplatz, der, da er leicht zu merken und etwas
vom Nimbus des Eingeweihten hat, viel Anklang fand.
Im Gegenteil: nie waren die Züge deutscher, als diesmal.
Ist es doch, als zöge ein Stück von Schwind's Geiste,
dem ewig Jungen, durch die Hallen; man freut sich
wieder souverän der Schönheit der Erde und denkt nicht
allein mehr daran, wie schwer es ist, sie gut zu malen.
Ganz unbegreiflich ist es deshalb, wie Leute, welche
noch sehende Augen im Kopfe haben, der Secession vor-
werfen können, sie kultivirte die Nachtseiten des Lebens
und negirte die Schönheit. Gerade das ist ja eine der
Missionen der Vereinigung gewesen, der professions-
mäßigen Armeleutmalerei den Garaus zu machen.

Dass aus den Ateliers von heute außer den guten
Leistungen, der hundertfache Teil von wertlosen Arbeiten
hervorgeht, ist ja wahr, aber doch wohl kaum ein
Charakteristikum unserer Zeit. Ein gar nicht genug zu
schätzender Schritt war es deshalb von der Secession,
ausgewählte Leistungen vorzuführen. Und diese zeigen
ein ganz unverkennbares Streben, ihre Kunst an wohl-
thuenden, erfreuenden Eindrücken der Natur zu bethä-
tigen und solchen Dingen, die an sich widerwärtig sind,
mehr und mehr aus dem Wege zu gehen. Dass auch solche
Veranlassung zu Kunstwerken werden können, lehrt die
Kunstgeschichte, — aber man sucht sie in den Kreisen
 
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