Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 6.1895

DOI Artikel:
Die Pariser Salons von 1895
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5782#0271

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.
Ankündigungsblatt des Verbandes der deutschen Kunstgewerbevereine,

HERAUSGEBER:

CARL von LÜTZOW und Dr. A. ROSENBERG

WIEN BERLIN SW.

Hengasse 58. Wartenburgstraße 15.

Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG, Gartenstr. 15. Berlin: W. H. KÜHL, Jägerstr. 73.

Neue Folge. VI. Jahrgang.

1894/95.

Nr. 33. 19. September.

Die Kunstchronik erseheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den
Sommermonaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeit-
schrift für bildende Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung
die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Bud. Mosse u. s. w. an.

Während der Sommermonate Jnli, August und September erscheint die Eunstchronik nur aller vier Wochen.

die pariser salons von 1895.
/. Der Mörsfeld-Salon.

Der Katalog der großen französischen Kunstaus-
stellung im Industriepalast der Champs Elysees weist
3578 Nummern auf, der Ausstellungskatalog der Societe
nationale auf dem Champ de Mars über 2500 Nummern.
Und dennoch stellt diese Gesamtzahl von ca. 6000 Kunst-
werken nur einen Teil der Gesamtproduktion dieses
Jahres in Prankreich dar. Hunderte junger und älterer
Künstler stehen enttäuscht vor den Thoren der Salons,
die sich ihren Werken verschlossen; die malenden Frauen,
die Pastellisten, Aquarellisten, Eaufortisten und andere
„isten" ziehen es vor, in Sonderausstellungen ihre Ar-
beiten vorzuführen.

Es ist ein rasender Kampf um Ehre, Ruhm und
Honorar, der in den hunderten von Ateliers oben im
Quartier Montmartre, unten im Quartier latin und draußen
in den Vororten jahraus jahrein geführt wird. Wer sich
nicht bemerkbar macht, wer nicht die neueste Sensation
bringt, wer nicht durch das Allerneueste, noch nie Da-
gewesene die Aufmerksamkeit des schon stumpf gewor-
denen Publikums erregt, der bleibt unbeachtet zur Seite
liegen.

Gewiss dient das nicht gerade dazu, unsere moderne
Kunst zu verinnerlichen, zu veredeln. Aber vergessen
wir nicht, dass andererseits dieser aufs äußerste ge-
steigerte Kampf zur äußersten Anspannung aller Kräfte
führt; dass er die durchschnittliche Leistungsfähigkeit
des Malers auf ein ganz ungewöhnlich hohes Niveau ge-
bracht hat. Vergessen wir nicht, dass diese Entfesselung
aller Kräfte, diese absolute Freiheit des Schaffens, wie
sie einerseits die wahnwitzigsten Gedanken gebiert, doch
andererseits auch jedem originellen Können den aller-

freiesten Spielraum gewährt und dass thatsächlich inner-
halb der letzten Jahrzehnte eine erstaunliche Summe
malerischer Entdeckungen und Erfindungen gemacht
wurde, die den Horizont künstlerischen Sehens und Em-
pfindens merklich erweiterten. Es kann unsere Aufgabe
nicht sein, all' diese Versuche, diese ungeheueren An-
strengungen, die auf Erweiterung der Ausdrucksmittel
und des Darstellungsgebietes gerichtet sind, von oben
herab zu verurteilen. Sie zu verurteilen, nur weil die
gewohnten Bahnen verlassen werden, weil sich die heutige
Generation nicht dazu hergeben will, die Welt mit den
Augen der alten Meister zu betrachten, nach dem
Vorbilde der Rembrandt, Frans Hals oder Tizian zu
malen.

Es kann uns ebensowenig zugemutet werden, jeden
überspannten malerischen Einfall als einen Geniestreich,
als eine Etappe auf dem Wege des Fortschrittes lob-
singend zu feiern. Wir haben nur die eine Pflicht,
ernst Gewolltes und mit Ernst Erstrebtes zu scheiden
von künstlerischem Gigerltum und sensationeller Phrase.
Der Sensationslüsternheit der Pariser tragen ja beide
Salons vollauf Rechnung, wenn auch in verschiedener
Weise.

Im Champ de Mars-Salon ist es mehr die Technik,
die Jagd nach neuen malerischen Ideen, nach verblüffenden
Farbenwitzen und seltsamen Tonkombinationen, durch
die gewirkt werden soll. Im Industriepalast ist es zu-
meist die Spekulation auf ganz gemeine Schaulust, auf
Sinnenreiz und vor allem auf den letzten Tric über-
reizter Wollust, auf Grausamkeit. Die letztere Gruppe,
oft noch festhaltend an der sorgfältigen zeichnerischen
Durchbildung, an der sogenannten „gediegenen" Technik,
ist doch in Wahrheit viel abstoßender, vielmehr der
richtige Ausdruck einer dekadenten, alt und matt ge-
 
Annotationen