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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 7.1896

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Michaelis, Adolf: Raffael's Geburtstag
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Richter, Jean Paul: Die Auktion Scarpa
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https://doi.org/10.11588/diglit.5774#0101

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die Frage, wenn auch durchaus nicht über allen Zweifel
hinausgehoben, so doch mit Wahrscheinlichkeit im Sinne
Vasari's und Springer's gelöst, nur dass statt des 28. der
29. März eingesetzt werden muß.

Straßburg. AD. MICHAELIS.

DIE AUKTION SCARPA.

Am 14. und 15. November 1895 fand in Mailand die
Versteigerung der Gemäldesammlung Scarpa statt. Früher
in einem ansehnlichen Galeriegebäude aufgestellt, in dem
schmucken Marktflecken Motta di Livenza bei Treviso,
ist die Galerie Jahrzehnte hindurch ein Wallfahrtsziel
von Kunstbeflissenen gewesen. Ihr Verkauf war nötig
geworden durch die Erbteilung. Der Stifter der Galerie
war ein Anatom von Kuf an den Universitäten von
Modena und Pavia, Prof. Antonio Scarpa, 1752 gebo-
ren. Für die Galerie als Ganzes fand sich kein Käufer;
infolge dessen wurde der bekannte Antiquar Giulio
Sambon mit der Versteigerung der Sammlung in Mai-
land beauftragt. Die meisten Bilder waren im Zustande
recht guter Erhaltung: fast nur Werke der bolognesi-
schen, der venezianischen und der lombardischen Maler-
schulen. Es fehlte das merkwürdige Sebastiansbild von
Mantegna, das aus der Galerie im Vorverkauf nach
einem venezianischen Palast gekommen sein soll. Im
übrigen war die Sammlung nach meiner Erinnerung
nach ihren Hauptwerken in den Mailänder Auktions-
räumen vollständig vertreten. Verlauf und Erfolg der
Auktion mag dem Laienauge als Spiel des Zufalles er-
schienen sein. Von den achtzig Nummern erreichte un-
gefähr ein Vierteil keine hundert Lire, womit allen-
falls die Kähmen bezahlt wurden. Bei einem reich-
lichen zweiten Vierteil stellten sich die Preise zwischen
einhundert und fünfhundert Lire und das waren lauter
Bilder mit bekannten, zum Teil auch berühmten Namen.
Über diese zu berichten, lohnt sich nicht der Mühe.
Freilich waren auch unter den mit Tausenden bezahlten
einige, die wohl kaum ebensoviel hunderte von Liren
erzielt hätten, wenn die Käufer derselben gewusst
hätten, dass sie alte Kopien oder Schulbilder für Origi-
nale hinnahmen. Die begleitenden Umstände solcher
„Zufälle" waren auch hier zum Teil derart, dass sie
jedem Kenner ein ironisches Lächeln entlocken mussten.

Ein herrliches kleines Bild des Brescianers Moreüo,
Nr. 6, irrtümlich dem Paris Bordone zugeschrieben, nur
einen halben Meter lang und 38 cm. hoch, wurde mit
9000 Lire gewiss nicht überzahlt; es soll für eine be-
kannte Wiener Privatsammlung erworben worden sein.
In einer reichbewegten Landschaft bilden Madonna mit
Kind und Johannesknabe eine liebliche Gruppe. Letzte-
rer, dem Christkind mit Verehrung zugewandt und sein
Schilfkreuz emporhebend, lehnt die Linke auf eine In-
schrifttafel, deren Wortlaut „ISTIS ARMIS DE TOTO
OKBE TKIUMPHABIS" die Situation präzisirt. Die

beiden Halbfiguren unter Giorgione's Namen Nr. 13
(Lire 2200) waren zu steif und leblos, als dass man sie
einem bekannten geringeren Meister hätte zumuten
dürfen. Crowe und Cavalcaselle glaubten darin einen
Nachfolger Komanino's zu erkennen und schlugen sogar
Savoldo's Namen vor. Das Halbfigurenbild der Madonna
mit Kind und dem hl. Joseph, Nr. 14, dem Francesco
Vraucia zugeschrieben (Lire 2100), hatte bei schlechter
Erhaltung in der Formgebung wohl den Anschein eines
Originales und war insofern besonders interessant, als
es fast genau übereinstimmte mit der Komposition eines
bekannten Galeriewerkes von Boateri, Francia's Schüler.
Mazzolini's Auferweckung des Lazarus, Nr. 24, ein
tadellos erhaltenes Bildchen von strahlendem Kolorit und
feinster Ausführung mit den gewohnten vergoldeten
Strichlagen erwarb Sgr. B. Crespi für seine Galerie.
Auf der Bildfläche steht das Datum: „1527 Agosto'1.
Die beiden großen Flügel eines Altarwerkes, den Apo-
stel Andreas und den auferstandenen Christus darstel-
lend, früher in Maggianico bei Lecco, wo die zugehörige
Predelle noch vorhanden sein soll, wurden einzeln ver-
kauft, Nr. 28, der das Kreuz tragende Apostel in langem
roten Mantel (Lire 6100) wurde für die Galerie Mond
in London erworben, das Seitenstück, Nr. 29, in Zeich-
nung und Drapierung nicht eben ansprechend (Lire
5300) fiel einem englischen Kunsthändler zu. Ein schö-
nes Kundbild des Sodoma, ein Jugendwerk, die hl.
Familie mit einem Engel darstellend (Nr. 30, Lire 11100),
grundlos und willkürlich dem Cesare da Sesto zuge-
schrieben, erwarb Sgr. Borgogna, der Sindaco von Ver-
celli, der mit diesem Bilde den dort fehlenden Vercelle-
sen in seine Heimat zurückführt. Im Stil erscheint
dasselbe als eine Fortbildung des in den Motiven ähn-
lichen frühesten Tafelbildes von Sodoma in der städti-
schen Galerie von Siena. Das verkürzt daliegende Christ-
kind ist in beiden Bildern beinahe identisch.

Ein heißer Kampf entwickelte sich um den Besitz
des sogenannten Porträts des Antonio Tebaldeo, Nr. 52.
So gleichgiltig diese Benennung alle Beteiligten ließ,
so wenig wirkte auch die Benennung Baffael ver-
lockend, denn allen Kennern war es ein offenes Geheim-
nis, dass bei diesem Meisterwerk der Porträtkunst kein
anderer Name als der des Sebdstiano de! Piombo in
Frage kommen könne. Der Dargestellte könnte aller-
dings, wie vermutet worden ist, Eaffael selbst sein,
wenn auch das Haar mehr bräunlich und nicht so tief
schwarz erscheint, wie auf anderen Porträtbildern aus
seinem Manhesalter. Noch mehr scheint mir gegen diese
Annahme zu sprechen, dass das Bild, in der Zeichnung
schon den Einfluß Michelangelo's verratend, jenen Jahren
angehört, wo der Venezianer dem Urbinaten feindlich
gegenüberstand. Obwohl die Bezeichnung des Bildes
als Tebaldeo ziemlich weit zurückgeht, so ist sie doch
ganz unhaltbar, da der Dichter damals an fünfzig Jahre
zählte und hier ist ein Dreißiger dargestellt. Aber all
 
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