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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 7.1896

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Drei Antrittsreden deutscher Professoren
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https://doi.org/10.11588/diglit.5774#0139

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.
Ankündigungsblatt des Verbandes der deutschen Kunstgewerbevereine,

HERAUSGEBER:

CARL VON LÜTZOW und Dr. A. ROSENBERG

WIEN BERLIN SW.

Heugasse 58. Wartenburgstraße 15.

Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG, Gartenstr. 15. Berlin: W. H. KÜHL, Jägerstr. 73.

Neue Folge. VII. Jahrgang. 1895/96. Nr. 17. 27. Februar.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Runstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den
Sommermonaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeit-
schrift für bildende Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung
die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

drei antrittsreden deutscher
professoren.

Die moderne Kunstgeschichte macht eine Schwenkung !
nach der Seite der Ästhetik hin. Es mehren sich die
erfreulichen Anzeichen dafür, dass der frühere schroffe j
Gegensatz von historischer und philosophischer Betrach-
tung sich ausgleicht. Zwei der uns vorliegenden An-
trittsvorlesungen deutscher Universitätsprofessoren be-
handeln ästhetische Probleme, obwohl das Fach beider
akademischer Lehrer das kunsthistorische ist.

August Schmarsow, der Nachfolger Springer's in
Leipzig, erörtert das Wesen der Baukunst.1) Er will
damit einen Beitrag liefern zu der „Ästhetik von Innen", |
die er mit Recht fordert gegenüber den mannigfachen
veräußerlichenden Anschauungen Anderer. Der Weg,
den er dabei verfolgt, ist aber nicht der dialektische,
spekulative, sondern der des Historikers, der sich sagt,
dass die Baukunst von ihrem Urbeginn immer dieselbe
gewesen sein muss, so sehr sich auch ihre Erscheinung
verändert hat. Das Wesentliche und allen ihren Schöp-
fungen Gemeinsame— bemerkt der Autor — ist das „Raum-
gebilde". Dieses ist aber nicht für einen realen Zweck,
z. B. zum Schutz des Menschen gegen die Unbilden der
Außenwelt geschaffen, wie manche ineinen, sondern es
beruht auf der Natur des menschlichen Auges und der
damit zusammenhangenden Vorstellungsweise des Menschen,
welcher die Anschauungsform des dreidimensionalen
Raumes innewohnt. „Raumgefühl und Raumphantasie
drängen zur Raumgestaltung" und die Kunst, die diesem
Drange Befriedigung gewahrt, ist die Baukunst. Wir

1) Das Wesen der architektonischen Schöpfung. Antritts-
vorlesung, gehalten in der Aula der k. Universität Leipzig
am 8. November 1893. Leipzig K. W. Hiersemann. 1891.
30 S. 8".

können sie „kurzweg als Raumgestalterin bezeichnen",
und zwar gestaltet sie den Kaum „nach den Idealformen
der menschlichen Raumanschauung". — „Jede Gestaltung
des Raumes ist zunächst Umschließung eines Subjekts,
und dadurch unterscheidet sich die Architektur als mensch-
liche Kunst wesentlich von allen Bestrebungen des Kunst-
handwerks. Dabei ist es gleichgiltig, ob das Subjekt
leibhaftig in dem Raumgebilde darinnen ist oder sich
geistig hineinversetzt, ob es eine Statue oder der Schatten
eines Abgeschiedenen, ob es eine Körperschaft oder gar
eine abstrakte Idee ist.

Die Raumumschließung beginnt mit der „Einfriedi-
gung nach den Seiten zu", mit den vier Wänden. Dazu
kommt die „Tiefenausdehnung", durch die Lichtung
unserer Bewegung und unseres Blickes. Der Forschritt
vom griechischen Hypacthraltempel zur Basilikenform der
abendländischen Kirche drückt diese Entwicklung aus.
Die Breite bleibt untergeordnet; in ihr macht sich aber
das Gesetz der Symmetrie geltend, während in der
Höhenaxe das der Proportion herrscht, „stets in Be-
ziehung auf das Subjekt und seinen optischen Maßstab".

Die Projektion der dreidimensionalen Raumanschau-
ung tritt nun aber noch mit einer anderen Eigenschaft
ius Dasein, mit dem Triebe nämlich, „zum selbständigen
Organismus sich auszubilden und abzuschließen". Daher
das Gegenspiel der Kräfte, das sich in der Charakteri-
stik der tragenden und getragenen Teile des Bauwerkes
ausspricht. Die tektonische Gliederung kommt nament-
lich am Außenbau zur Geltung, dessen Formen und
Glieder alle von menschlichem Kraftgefühl belebt sind
und der als geschlossenes Ganzes sich dem plastischen
Gebilde nähert. Das Wichtigste für die Architektur,
diese höchste der bildenden Künste, bleibt jedoch immer
ihre Mission als Raumgestalterin. „Die Geschichte der
Baukunst" — so schließt der Verfasser — „ist eine
Geschichte des Raumgefühls, und damit bewusst oder
 
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