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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 7.1896

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Die Wiener Kongress-Ausstellung, [1]
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299

Die Wiener Kongress- Ausstellung. I.

300

zurückgekehrt. Der Pompe-funebre- Stil der Zeit
Ludwig's XVI., die gezwungene Klassizität des Directoife
und der kalte Pomp des Empire folgten aufeinander
als drei verschiedene Phasen einer und derselben Be-
wegung, die auf die Wiedereroberung des antiken Ideals
in Kunst und Leben hinsteuerte. Die Wiener Kongress-
ausstellung veranschaulicht uns namentlich das letzte
Stadium dieser Entwicklung, die Kunst des Empire und
des darauf gefolgten Decenniums. Während wir in einer
stattlichen Auswahl von Werken Canova's und Thor-
waldsen's den Obergang von der noch manieristisch an-
gehauchten zur reinen Antike verfolgen können, begrüßen
wir in den Schöpfungen Schadow's und Rauch's die erste
Verschmelzung von Antike und Natur. Die edle Ge-
stalt der im Todesschlafe ruhenden Königin Luise aus
dem Mausoleum in Charlottenburg, die in einem treff-
lichen Gipsabguss den Hauptraum der Ausstellung ziert,
ist das schönste Denkmal deutscher Plastik aus der ge-
schilderten Epoche, ein würdiges Gegenstück zu Goethe's
Tphigenia in der Durchdringung hellenischer Form mit
germanischer Empfindung.

Unzählbar sind die Arbeiten der plastischen Klein-
kunst und des Kunstgewerbes, in denen der klassizistische
Geist der Epoche nicht minder klar sich wiederspiegelt
als in den Schöpfungen der großen Plastik. Möbel-
tischlerei, Keramik, textile Kunst, Goldschmiedewerk:
alles ist erfüllt von antiken Motiven, Formen und Ge-
danken. Musen und Grazien, und noch mehr Viktorien
und Heroen bilden den Schmuck der Vasen, die Träger
der Kandelaber. Säulen dienen als Tischfüße, Giebel
als Bekrönungen von Kästen und Laden, Kundtempel
von Alabaster oder kostbaren Metallen fungiren als Uhr-
gehäuse oder Tafelaufsätze. In einigen Fällen werden
auch bekannte Fundstücke aus antiken Städten, wie der
bronzene Dreifuß aus Pompeji im Museum zu Neapel,
in Gold und Silber nachgebildet, um als Prunkstücke
für den Salon Verwendung zu finden.

Es weht ein Zug zum Autokratismus und Imperia-
lismus durch unsere an der Parlamentsmisere laborirende
Zeit. Vielleicht steht es damit in einem gewissen inneren
Zusammenhange, dass auch der lange verachtete, als kalt
und steif gemiedene Stil des Empire wieder am Horizonte
des modernen Geschmacks erscheint. Eine Hochflut
Napoleonischer Litteratur kommt dieser Modewandlung
zu Hilfe. Die Wiener Kongress-Ausstellung wird ihr
jedenfalls bedeutenden Vorschub leisten. Denn sie weist
aus allen Gebieten der Kunst und Kunstindustrie Pracht-
stücke von so vollendeter Beschaffenheit auf, dass man
den Eindruck begreift, den diese Werke auf den empfäng-
lichen Betrachter machen.

Es sind namentlich zwei Wahrnehmungen, die sich
jedermann ungesucht aufdrängen: erstens, dass wir in
der künstlerischen Ausdrucksweise des hier zur Dar-
stellung gelangten Zeitalters einen wirklichen Stil von
allgemeiner Bedeutung und völlig abgeklärter Form vor

uns haben, und zweitens, dass in diesem Stile niemand
sich als Meister geriren konnte, der seine Gedanken
nicht in tadelloser Technik vorzutragen verstand. Was
uns an den Werken jener Zeit mit ungeteilter Be-
wunderung erfüllen muss, auch wenn wir ihre Ideale
keineswegs teilen, das ist der hingebende Fleiß, die
Sorgfalt und strenge Gewissenhaftigkeit, mit welcher sie
ausgeführt sind. Hierauf beruht der Eindruck von künst-
lerischer Tüchtigkeit und Solidität, welchen die aus-
gestellten Werke durchwegs machen. Schon das Drängen
und Hasten der Gegenwart erschwert die Erreichung
eines so hohen Gesamtniveau's für unser heutiges Kunst-
gewerbe ungemein, ja macht sie ihm vielfach zur Un-
möglichkeit, — ganz abgesehen von dem erschreckenden
Mangel an Stilgefühl und aufrichtigem, naivem Kunst-
bestreben, der uns häufig in den Leistungen unserer Zeit
entgegentritt.

Als diejenigen Kunstfächer, welche, abgesehen von
der Malerei und Skulptur großen Stils, die eben aus-
gesprochenen Wahrnehmungen besonders lehrreich illu-
striren, bezeichnen wir die Werke der Goldschmiede-
und Medailleurkunst, die Porzellan Sachen, Fächer, Spiel-
karten, Kostüme, Wagen und Schlitten, endlich die
Zimmereinrichtungen und Möbel. Aus allen diesen Ge-
bieten hat die Ausstellung Prachtstücke höchsten Ranges
aufzuweisen, darunter manche Werke von Meistern, ein-
heimischen und fremden, deren Namen verschollen oder
doch wenig bekannt waren und hier zum erstenmale
wieder aus der Vergessenheit emportauchen. Wir nennen
als Beispiele den schönen Tafelaufsatz von Thomire
(Paris), die reiche Bronzegarnitur von den Gebrüdern
Lurasco (Amsterdam), die Uhren der Wiener Meister
Hartmann und Flasge, die von der Kaiserin Marie Luise
dem Kaiser Franz geschenkte Kassette von Biennais,
die nicht minder wertvolle Kassette mit drei Porträt-
medaillons von Oiroux, das weitere Detail den folgenden
Berichten vorbehaltend.

Die Ausstellung füllt den Säulenhof und die Säle V
bis VIII des Erdgeschosses, ferner die Arkaden, den
Saal IX und den Vorlesesaal im ersten Stockwerk des
Museums. Die Säle mussten ausgeräumt, zum Teil mit
Einbauten und neuen Stellagen versehen werden. In
der geschmackvollen und raschen Bewältigung aller dieser
Aufgaben, sowie in der Herstellung des etwa 15 Druck-
bogen umfassenden Kataloges, haben die Direktion und
die Beamten des Österreichischen Museums wieder ihre
anerkannte Tüchtigkeit bewährt. Sie wurden dabei durch
die Präsidenten des Ausstellungskomitees, sowie durch
zahlreiche kunstfreundliche Mitglieder desselben, aufs
kräftigste unterstützt. Wir machen unter denjenigen,
welche sich um das Zustandekommen der Ausstellung
in erster Linie verdient gemacht haben, die folgenden
Herren besonders namhaft: Graf Abensberg-Traun, Graf
Baillet-Latonr, Geh. Bat v. Arneth, Hofr. Bucher, Direktor
Glossy, Graf Lanckoronski, Kustos Leisching, Kustos
 
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