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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 7.1896

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Neue Raffael-Forschungen
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Pariser Gemäldefabriken
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https://doi.org/10.11588/diglit.5774#0165

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Pariser Gemäldefabriken.

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fügung stellte. Auf diese Weise entstand der „Burg-
brand", im Wesentlichen durch das Zusammenarbeiten
Raffael's mit Penni.

Wie bedeutend sich der Umfang des Anteils der
Schüler an den Arbeiten Raffael's gestaltet hat, wird
nun von Dollmayr im weiteren Verlaufe seiner Unter-
suchung dargethan. Als gen i eins am es Werk des Penni
und Giulio Romano stellt sich z B. die Madonna Franz
des Ersten im Louvre heraus, als Werke des Penni allein
die Madonna dell' Impannata im Palazzo Pitti, der
Johannes der Täufer in den Uffizien, die Vierge au
Diademe im Louvre, die Madonna von Monteluce im
Vatikan u. a. Einen viel weiteren Kreis, als man früher
dachte, beschreiben die Arbeiten der Schüler an den
späteren Fresken der römischen Zeit Raffael's. den Loggien,
der Farnesina und an den Teppichen. -— Wir müssen uns
mit diesen Hinweisen begnügen uud begrüßen Dollmayr's
Forschungen neben denen Vöge's nochmals als muster-
giltige und fruchtbringende Beiträge zur Kunstgeschichte
der Blütezeit Italiens. c. v. L.

PARISER GEMÄLDEFABRIKEN.

Unter diesem Titel bringen die „Münchener Neuesten
Nachrichten1' v. 12. Febr. eine Pariser Korrespondenz, die
wir als Beitrag zur Charakteristik des modernen Kunst-
handels reproduziren. Der Korrespondent schreibt:

Nicht genug, dass in Paris an die 20,000 Maler
und Malerinnen mit Kunst und Fleiß, Kummer und Öl
jährlich einige hunderttausend Bilder produziren, die
mehr oder weniger Anspruch auf .Kunstwert haben und
allenfalls in „Salons", Kunstvereinen und anderen Aus-
stellungen figuriren können, giebt es hier noch besondere
Fabriken, wo Ölgemälde dutzend- und grossvveise ange-
fertigt werden, Fabriken mit wirklicher „Handarbeit",
bei denen sogar viele vormals hoffnungsvolle Schüler der
Akademie ihr Brod finden. Bekannt war das schon lange.
Neuerdings aber hat ein kleiner Vorfall die öffentliche
Aufmerksamkeit wieder auf jene Werkstätten gelenkt
und ihnen eine unwillkommene Reklame gemacht, — un-
willkommen insofern, als ihre Besitzer doch mehr oder
woniger auf die Dummheit und Geschmacklosigkeit des
Publikums spekuliren und es deshalb lieber hätten, wenn
ihre Verdienste im Stillen blieben.

In Nantes sollte dieser Tage eine öffentliche Ver- j
Steigerung von Gemälden stattfinden. Der Kunstverein
der Stadt ließ jedoch dem Auktionator die Auktion in
aller Form durch den Gerichtsvollzieher verbieten. Er ;
stützte sich hierbei auf ein Gesetz vom Jahre 1841, das
die öffentliche Versteigerung neuer Waren untersagt.
Der Auktionator wandte sich zum Schutz seines Ge-
werbes an den Vorstand seiner Korporation, die ihrer-
seits die Sache gerichtlich zum Austrag bringen und
nötigenfalls bis in die höchsten Instanzen gehen will.
Von Wichtigkeit ist die Entscheidung besonders für eine
gewisse Art von Gemäldehandel, der in Paris, im „Hotel

des Ventes", seinen Hauptsitz hat. Es ist dies eben das
Geschäft der erwähnten Gemäldefabrikanten en gros.

Steigt man die Treppe des Pariser Auktionshauses
hinan, so kommt man im Zwischenstock links in den
Saal 21, der an jedem Nachmittag dicht gestopft voll
Käufe.]' ist. Dort werden eingerahmte Gemälde versteigert
und gelien zu Preisen ab, die scheinbar nicht einmal
den Wert des Rahmens erreichen. Ein Tierstück, eine
Landschaft oder auch ein Stillleben in Öl, 33 auf 40
oder 25 auf 30 Centimeter groß, kauft man in „Gold-
rahmen" für 5 Frcs., größere Figurenbilder für 10 — 12
Frcs. Die Bilder sehen auf den ersten Blick nicht übel
aus. Sie haben flotten Pinselstrich und imponiren dem
ungeübten Auge des Durehschnittskäufers. Hunderte von
Leuten, die einen Blick in den Saal werfen und die
Billigkeit der Ware bemerken, lassen sich fangen und
sagen sich, selbst wenn sie an dem Kunstwert der Bilder
zweifeln: „5 Frcs. ist wenigstens der Rahmen wert".
In der That ist er es aber nicht wert, und es lässt sich
nachweisen, dass die Verkäufer noch einen guten
Schnitt machen.

Die Fabrikanten wohnen größtenteils in der Gegend
der Rue des Petites Ecuries, bei den Boulevards, einige
auch auf dem linken Seineufer in der Nähe der Wein-
hallen. Die Rahmen lassen sie von Lehrlingen, die nur
25 Centimes für die Stunde bekommen, aus Leisten an-
fertigen, die modellirt zu billigem Preis aus Norwegen
bezogen und mit sogenanntem halbfeinem Gold, d. h. mit
schlechter Bronze „vergoldet" werden. Zur Herstellung
der Gemälde haben sie ein Personal verkommener Maler,
die auf dem Speicher arbeiten. Jeder pinselt sein Dutzend
auf einmal nach gleichem Muster: Landschaft mit Bach
und Haus, Blumenstück oder Stillleben. Mit dem Pinsel
voll Farbe geht er von einer Leinwand zur andern und
streicht das Nötige auf. Ist das Dutzend fertig, so be-
kommt er als Lohn 3 Frcs. 60 Centimes = 30 Centimes
fürs Stück und dafür hat er noch die Farbe zu liefern!
Welcher Qualität diese Farben sind, kann man sich
denken. Figurenbilder werden nur in größerem Format
hergestellt. Für das Gemälde von 1 Meter auf 81 Centi-
meter bekommt der Maler 4 Frcs.

Sehen wir, was bei dem Geschäft herausspringt!
Bei einem Bild von 25 auf 30 Centimeter kostet die Leine-
wand aufgespannt 50 Centimes, der Rahmen 3 Frcs.,
die Malerei 30 Centimes, das Ganze 3 Frcs. 80 Centimes.
Zu 5 Frcs. wird es im Durchschnitt verkauft, macht 1 Frcs.
20 Centimes Reingewinn. Die Gemälde kommen in vollen
Ladungen von Möbelwagen im Hotel des Ventes an
und gehen ab wie die warmen Semmeln. Schwunghaft
wird auch der Export betrieben. Ganze Eisenbahnwagen
voll von den bewussten „Kunstwerken" fahren nach
Havre, Nantes und Marseille, wo die Waren nach Amerika
und Australien eingeschifft werden. Es giebt eben in
aller Welt geschmackloses Publikum genug, um der-
gleichen Schund an den Mann zu bringen.
 
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