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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 7.1896

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Schölermann, Wilhelm: Die XXIV. Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5774#0195

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.
Ankündigungsblatt des Verbandes der deutschen Kunstgewerbevereine,

HERAUSGEBER:

CARL von LÜTZOW und Dr. A. ROSENBERG

wien berlin rw.

Heugasse 58. Warteuburgstraße 15.

Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG, Gartensti. 15. Berlin: W. H. KÜHL, Jägerstr. 73.

Nene Folge. VII. Jahrgang. 1895/96. Nr. 24. 30. April.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst'' und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den
Sommermonaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Hark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeit-
schrift für bildende Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandluug
die Annoncenexpeditionen von II aasenstein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

die xxiv. jahresausstellung
im wiener künstlerhause.

von WILHELM SCHÖLEHMANN.
EL

Ludwig Dettmann, dessen starke Produktionskraft
bisweilen von einem Mangel an Vertiefung begleitet
wird, stellte sein Triptychon „Die Arbeit" aus,-ein in
dem hellen Mittelstück virtuos gemaltes Plein-air, welches
über eine gewisse Äußerlichkeit nicht hinauskommt. Die
Aufgabe ist malerisch, aber weniger inhaltlich gelöst,
und dazu verhelfen auch die Textunterschriften wie:
„Unser täglich Brot gieb uns heute" und .... „Wenn
es köstlich gewesen, so ist es Mühe und Arbeit ge-
wesen" ebensowenig, wie ein gutes Gedicht eine schlechte
Deklamation vergessen machen kann. Es ist wohl ein
verzeihlicher Irrtum, wenn ein Teil des Publikums von
einer bekannten und ehrwürdigen Inschrift, die durch
die Tradition geheiligt ist, sich über den Wert eines
Gemäldes täuschen lässt. Den objektiven Blick wird
das aber nicht beeinflussen. Hinter ähnlichen Motiven
aus Uhde's bester Zeit bleibt Dettmann's Empfinden weit
zurück. Was er aber „kann", malerisch auffassen und
kräftig „sehen", das zeigt er in den beiden Motiven rein
landschaftlicher Natur: „Letzte Sonnenstrahlen" (Ostsee)
und dem etwas unruhigen, flimmernden Waldmotiv mit
durchfallenden Sonnenstrahlen: „Der Botaniker im Spät-
sommerwald".

Der Belgier Leempoels verzichtet diesmal auf jede
Symbolik in dem ungemein bescheiden gemalten „Porträt
meiner Mutter", worin er, mit einer fühlbaren Absicht-
lichkeit, jeden koloristischen Reiz vermieden und sich
in das persönliche Wesen allein vertieft hat. Es ist
schwer, auf der ganzen Ausstellung ein nüchterneres,
anspruchsloseres Bild zu finden, aber gleichzeitig dürfte

es schwer sein, in so viel technische Nüchternheit so
viel liebende Hingebung und Intimität des Ausdrucks
zu legen, wie Leempoels es hier gethan.

Dass man sich nicht ohne Gefahr einer Eigenart
wie Leempoels' grübelnder Symbolik hingeben kann,
zeigt das kuriose Fegefeuerbild in brennenden Farben
von A. Kurtz-Gallenstein in München, das den Titel
„Heiße Bitten" trägt. Solche rote und gelbe Lohe ist
in der That von einer Hochofenhitze, die gewiss jede
Sünde auszutilgen vermag; aber wer denkt bei diesen
flehentlich emporgestreckten Händen nicht au Leempoels'
symbolisches Kuriosum auf der vorjährigen Münchener
Secessionsausstellung? Wer wirklich Talent hat, wie
der Maler dieser Höllenflammen, sollte auf eigenen Wegen
zum Ziele gelangen können.

Nach dieser koloristischen Siedehitze vermag die
zarte und vornehme Symbolik des Engländers Boberl
Fowhr (im Katalog steht fälschlich Richard Fowler),
mit ihren feinen durchsichtigen Tönen den Augennerven
Linderung zu bieten. Leider wirkt das Glas ungünstig,
so dass das ohnehin wie mit einem feinen Gazeschleier
überzogene Bild noch undeutlicher wird. Ein vollreifes
Weib träumt in dieser „Bezauberten Waldlichtung",
ganz in sich versunken, während ein ältlicher „Herr
Faun" auf der Syrinx zu flöten versucht. Durch die
lauschige Einsamkeit zieht ein Hauch stiller Sehnsucht
mit herbstlicher Melancholie. Leise zittert sie im hell-
gelblichen und dunkelrötlichen Laub, leise in den tief-
blauen Blumen am Rande des murmelnden Baches: eine
Elegie, die sich nur in gedämpften Rhythmen bewegt.
Sind diese zarten Weisen voll süßer Schwermut, aus
denen Vergänglichkeit und ein entschwundenes Glück
spricht, vielleicht das sanftausklingende Sehwanenlied
der englischen Präraphaeliten? Fast könnte man es
dafür halten. Sie haben einen edlen Schaftenstrieb voll
 
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