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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 7.1896

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Feld, Otto: Bing's "L'art nouveau"
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https://doi.org/10.11588/diglit.5774#0227

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.

Ankündigungsblatt des Verbandes der deutschen Kunstgewerbevereine.

HERAUSGEBER:

CARL von LUTZOW

wien
Heugasse 58.

und Dr.

A. ROSENBERG

BERLIN SW.
Warteuburgstraße 15.

Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG, Gartenstr. 15. Berlin: W H. KÜHL, Jägerstr. 73.

Neue Folge. VII. Jahrgang.

1895/96.

Nr. 28. 4. Juni.

Die Kunstehronik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den
Sommermonaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeit-
schrift für bildende Kunst" erhalten die Kunstehronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung
die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse u. s.w. an.

bing's „l'art nouveau".

von OTTO FELD, PARIS.

Herr Bing hat sich zweifellos durch die Art, wie
er jahrelang seinen Handel mit Japanwaren betrieben,
ein gewisses Verdienst um die Kenntnis und Wert-
schätzung japanischer Kunst auf dein Kontinent er-
worben. Die Publikation, mit der er das Interesse für
die Sitten und die Kunst jenes Landes, dessen Kunst-
erzeugnisse er auf den Markt brachte, rege zu halten
bestrebt war, der „Japanische Formenschatz", brachte
Künstlern und Kunstfreunden Anregung und Heiehrung.
Die japanischen Waren, die aus dem Bing'schen Magazin
in die Sammlungen oder die Salons der Liebhaber
wanderten, waren fast ausschließlich wirkliche Kunst-
produkte und hatten nichts mit der billigen und schlechten
Marktware gemein, die von anderen Stellen aus Europa
überschwemmt haben.

Der Einfluss, den die Bekanntschaft mit der japa-
nischen Kunst auf die Kunst Europa's ausgeübt haben
soll, ist vielfach überschätzt worden. Wenn man z. B.
das Auftreten des Impressionismus aus der Bekanntschaft
abzuleiten sucht, welche die Begründer jener Richtung
mit der anmutigen Kunst Japans gemacht hatten, so heißt
das doch wohl die leitende Idee der Bewegung ver-
kennen, in der nach einer Zeit sog. objektiver Natur-
schilderung die Erkenntnis von dem Reiz des Kunst-
werkes als Offenbarung einer künstlerischen Persönlichkeit
zum Durchbruch zu kommen suchte. Diejenigen Künstler,
die aus der Betrachtung dieser fremden Werke zu
lernen verstanden und den Reiz in der Anordnung der
Flecken, den sie dort fanden, den feinen Geschmack in
der Wahl der hellen fröhlichen Farben zu würdigen
wussten, haben ja sicherlich einen gewissen Nutzen aus
diesem Studium gezogen. Den blinden Nachahmern hat

wie immer auch hier, wo ein Fremdes wahllos in ein
anderes Milieu übertragen werden sollte, diese Bekannt-
schaft mehr Schaden als Nutzen gebracht. Sie sahen
nur das Bizarre, das Neue, das Fremde, und in unge-
schickter Nachahmung kamen qualvoll erklügelte uner-
freuliche Resultate zustande.

Nun geht der Bestand Japans an Kunstwaren auf
die Neige und Herr Bing hat den Raum, in dem einst
japanische Produkte aufgesammelt waren, in einen Bazar
für allerhand Arbeiten lebender Künstler und Kunsthand-
werker umgewandelt, dem er den anspruchsvollen Namen
„l'Art nouveau" gegeben hat. Herr Bing ist vielleicht
privatim ein feinsinniger Kunstliebhaber, auch wohl
Kunstschriftsteller — er veröffentlicht eben eine Arbeit
über Hok'sai') — in dem Hause in der Rue de Provence,
das die Inschrift „l'Art nouveau" trägt, sind wir jedoch
nicht, wie vielleicht manche erwartet haben, in einer
Sammlung, sondern in einem Kaufhaus, in dem allerhand
kunstgewerbliche und künstlerische Erzeugnisse zu einem
etwas unruhig wirkenden Bazar vereinigt sind, dessen
Titel mehr verspricht als er hält, als er zu halten im
stände ist.

„Die neue Kunst!" Welche Kunst ist denn diese
„neue"?! Die Kunst Besnard's, Van der Velde's, Tiffany's,
deren Arbeiten wir hier finden, oder die Kunst Menzel's,
Carriere's, Thaulow's, die doch auch dort vertreten sind.
Ist das die neue Kunst, was in den embryonalen Möbeln,
die wir hier sehen, sich regt, oder in den geschmack-
losen Skizzen Valloton's, oder haben wir sie in den
geistreichen Arbeiten Meunier's zu suchen, die gleichfalls
hier Unterkunft gefunden! Wir finden eine Menge zum

1) Ich folge der Bing'schen Schreibart Hok'sai. Ich selbst
kann nicht beurteilen, ob diese oder die bisher übliche
llokusai die richtigere ist.
 
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