Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 7.1896

DOI Artikel:
Die Ausstellungen der "New-Gallery" in London
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5774#0236

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
459

Die Ausstellungen der „New-Gallery" in London.

460

weisen, welche nicht weit entfernt hängen. — Sir
Edward Burne-Jones ist mit zwei Bildern vertreten, die
durchaus seinen bisherigen Stil aufweisen, so dass Neues
eigentlich über diesen anerkannten Meister kaum zu-
sagen wäre. Das eine der Werke betitelt sich „Der
Traum Lancelot's in der Kapelle des heiligen Gral"
und das andere „Aurora." Letzere bildet eine Illustra-
tion zu einem mit Vorliebe citirten Verse Miltons,
wie man denn überhaupt in England gern ein Kunst-
werk nach Gedichten und Aussprüchen großer Poeten
schafft. Die Einen sagen: die Verbindung der Poesie
mit der bildenden Kunst ist das Höchste und Idealste,
was sich erreichen läßt, die andern verneinen dies und
behaupten, es beweise einen Mangel an selbständigen
Ideen. Bei Bnrne-Jones aber hat man dergleichen nicht
zu befürchten, und es ist denn auch die Illustration zu
Milton's Vers: „Day's harbinger comes dancing from
the East", so eigenartig ausgeführt, wie sie wohl sonst
niemand ersonnen hätte. Ein sehr charakteristisches
Moment bildet hierbei die kleine mittelalterliche Ideal-
stadt, welche die Göttin des Morgens, durch ihr Er-
scheinen belebt. In dem glänzenden Farbenton ihres Ge-
wandes, auf welches das Licht von vorn und hinten zu-
gleich strahlt, hat der Meister eine hübsche Aufgabe
glücklieh gelöst. Während in vorangegangenen Jahren
die Wände bedeckt waren mit Werken aus der Schule
der Praeraphaeliten und der Gefolgschaft Rosetti's,
finden wir augenblicklich sonst kaum Erwähnenswertes
mit Ausnahme eines kleinen, sehr sorgsam ausgeführten
Madonnenkopfes von Miss habel Dacre und einer Ma-
donna von Miss C. Weekes, beide in der Manier der
frühen Italiener. Walter Grane figurirt auf der Aus-
stellung nur mit einem einzigen Bilde, das er „die Welle
und der Regenbogen" nennt, die er beide personi-
fizirt hat. Die Komposition ist zwar mit überraschen-
der, anziehender Phantasie entworfen, aber in der Far-
bengebung erinnert sie zu sehr an Turner's dritte
Periode. Bekanntlich war dieser große englische Land-
schafter in seiner ersten Epoche ein beispiellos glück-
licher Nachahmer Claude Lorrain's, in seinem zweiten
Abschnitt eigenartig, in seinem Endlauf aber wirkte
seine Phantasie überspannt und wurden seine gesuchten
Lichteffekte ebenso wie sein Kolorit überreizt und
maßlos. Personen, die nur nach Kupferstichen Watts
und Burne-Jones beurteilen, kommen leicht zu unrich-
tigen Schlüssen. Beide sind zwar Symboliker, aber
Burne - Jones der äußerste Idealist und Phantast im
Kolorit. Ihre Werke leiden natürlich bei der Wieder-
gabe in Schwarz und Weiß, aber in höherem Grade die-
jenigen von Burne-Jones, da Watts Licht und Schatten
kräftiger und markanter behandelt. Eosetti, Watts,
Burnes-Jones, Walter Crane und Robert Fowler mit
seiner vornehmen und feinen Symbolik sind ebenso
charakteristisch für England, wie es Böcklin für Deutsch-
land ist, aber in dem schließlich nicht abzuweisenden

und mit elementarer Gewalt sich aufdrängenden Ver-
gleich muss doch unser Meister sozusagen als der ge-
borene Fabulist unserer Zeit anerkannt werden.

Alma Tadema, der für gewöhnlich die New-Gallery
mehrfach beschickt, hat diesmal nur eine Familiengruppe
ausgestellt. Den Meister selbst erblickt man im Hinter-
gunde des Gemäldes. Mrs. Alma Tadema hat ein kleines
technisch ausgezeichnet behandeltes Bild, „der Ring"
betitelt, eingesandt. — Hinsichtlich der Landschafter ist
zu berichten, dass zwar eine ganze Reihe guter Werke
vorhanden ist, jedoch keines, welches außergewöhnliches
Interesse beanspruchen könnte. Weder jüngere Kräfte
haben Werke geliefert, welche ihnen die Zukunft garan-
tiren, noch ist von den älteren, auch in Deutschland be-
kannten Meistern, etwas geschaffen worden, das eine
neue Etappe oder Wandelung ihrer Kunst erkennen
ließe. In Mac Whirter's „Hochlandwetter" ahnen wir
nicht nur den Sturm, sondern wir sehen ihn voller
Furie wüten und dahinrasen. „Ein Wanderer aus der
alten Welt" nennt sich ein Werk Brilon Ttiviere's, in
welchem ein Matrose eine mitten im Ocean liegende
Felseninsel betritt, die nur von Seemöven bewohnt
wird. Übrigens bildet dieses malerische Sujet, das gerade
in England, als desjenigen Landes, das den Robinson
hervorbrachte, sehr beliebt ist, auch für andere kolonial-
freundlich angelegte Künstler ein ergiebiges Feld,
ihrer Phantasie freien Spielraum zu lassen. Oswald, von
Glehn giebt uns zwar einen etwas düster gestimmten
Herbsttag an der Themse; wer aber in England gelebt
hat, weiß, dass solche Tage thatsächlich nur zu oft
vorkommen. „Ein Stück Alt-Englands" von Thorne
}}'nilr erinnert an Joshua Reynolds und Gainsborough.
Ersterer war bekanntlich der Begründer der „Royal-
Academy" und ist es hieran anknüpfend der Ausspruch
wohl gestattet: die eng.us.che Schule besitzt im allge-
meinen den großen Vorzug, dass selbst bei ihren
modernsten Mitgliedern die seit Jahrhunderten continuir-
lich wirkende Tradition niemals völlig von ihnen ver-
leugnet oder unterbrochen wird, und sie somit nicht
losgelöst in der Luft, sondern immer noch auf einer ge-
sunden Basis stehen, woraus ihnen allerdings mitunter
der Vorwurf der langweiligen Korrektheit erwächst.
Die mythologische Fabel des Riesen Antäus, der unbe-
sieglich bleibt, sobald er den Erdboden berührt, gehört
mit Recht zu den tiefsinnigsten Erzählungen des Alter-
tums.

Ich möchte den auf der Ausstellung vertretenen
Professor Giovanni Costa nicht im eigentlichen Sinne
zu den Engländern zählen, obgleich ein Anklang an
Millais bei ihm vorhanden ist. Seine beiden italienischen
Landschaftsschilderungen sind jedenfalls sehr erwähnens-
wert, so namentlich die Stimmung in „Carrara bei Sonnen-
aufgang". Die Ansichten über Costa's Wert sind hier,
ebenso wie vielleicht in Deutschland, hoffnungslos geteilt,
je nach dem grundsätzlichen Standpunkt des Kritikers.
 
Annotationen