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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 7.1896

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Schultze-Naumburg, Paul: Die Münchener Jahresausstellung im Glaspalast, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5774#0277

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Die Münchener Jahresausstellung im Glaspalast. II.

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maierei, wie Bohr dt in seinem großen Wikingerschiff
eine Probe giebt, die uns mehr wie eine große farbige
Illustration in Öldruck anmutet, und in seinem Schuppen-
rahmen an einen Operneindruck denken lässt, von Wucht,
Kühnheit und Größe aber keine Spur zeigt.

Einer der besten Säle ist wieder der der Worps-
wedes Gruppe. Ich habe dies Jahr häufig die Be-
merkung gemacht, dass sich Künstler von feinem Urteil
mehr als nötig ablehnend gegen die Worpsweder Künstler-
gruppe verhalten. Der Grund dafür ist wohl der: so
gut sie sind, sie sind nicht besser als im Vorjahre. An
malerischen Qualitäten ganz sicher mit zu den besten
der Ausstellung gehörig, machen sie doch etwas den
Eindruck der Monotonie, da sie nur stete Wiederholungen,
ausgezeichnete Wiederholungen, aber eben doch nichts
Neues bringen. Nicht, dass sich neuerungssüchtige
Leute gelangweilt fühlen; aber man kann bei allen großen
Künstlern die Bemerkung machen, dass sie dann, wenn
sie ein Problem gelöst haben, sich ein neues setzen; die
Ausnutzungen des gelösten Problems verlieren die Frische
und Unmittelbarkeit und werden geringer geschätzt.
Aber bei den Worpswedern denkt man viel weniger an
das Stellen von neuen Problemen als an den Austausch
der gelösten untereinander, — eine Erscheinung, die
schließlich gar nicht so merkwürdig ist, wenn eine kleine
Zahl von Künstlern längere Zeiten auf gegenseitigen
Verkehr und Anregung angewiesen ist. Es ist zudem
immer eine prekäre Sache, dreißig ganz ähnliche, in der-
selben Natur, aus derselben Kunstanschauung, von ähn-
lichen Talenten geschaffene Werke vorzuführen, ohne den
größten Eeiz, den der Persönlichkeit, zu verlieren. Man
ist seiner Sache nicht ganz sicher, ob man einen Over-
beck oder einen Modersohn vor sich hat, und wenn diese
Thatsache auch an sich ganz belanglos ist, so beweist
sie doch eben, dass die individuellen Eigentümlich-
keiten nicht stark hervortreten. Ein einzelner Künstler,
der sich in Worpswede niedergelassen, würde vielleicht
bedeutender werden. Bei alledem: es sind alles aus-
gezeichnete Leistungen. Mackensens großes Figurenbild
„Trauernde Familie" fand ich heut in der Kunstchronik
von Düsseldorf aus besprochen und kann, da ich mich
jener Kritik vollkommen anschließe, darüber schweigen.

Eine weitere Kollektion ist die von Werken Thoma's,
die, wie der Katalog besagt, ein Bild von der Entwicklung
des Künstlers geben soll. Wenn das der Fall ist, so
finde ich, dass die Schilderung dieser Entwicklung recht
uninteressant ist, wenigstens nichts bringt, was frühere
Kollektionen des Künstlers nicht besser gegeben hätten.
Man hat denselben jahrzehntelang verkannt und jetzt
ist es Mode, vor jedem Strich desselben Bewunderung
zu markiren. Das ist nun aber nirgends schlechter an-
gebracht, als bei Thoma, der einer der am ungleich-
mäßigsten schaffenden Künstler ist und dessen schönste
Arbeiten immerhin doch mehr seiner späteren Zeit an-
gehören. Also wozu nun Sachen vorführen, die absolut

nicht geeignet sind, den tiefen Eindruck, den Thoma's
Werke hier stets gemacht, noch zu vertiefen?

Die Düsseldorfer füllen zwei Säle und mehr; das,
was uns hier frommte, fände auf einer Wand Platz.
Von Munthe sind zehn Bilder da. De mortuis nil nisi
bene — aber ein guter Dienst war dem Verstorbenen
mit Vorführung dieser Kollektion nicht erwiesen. Wie
weit mehr hätten ein oder zwei seiner besten Werke
gezeigt, was man an ihm verloren; die Mehrzahl aber
von dem, was da aufgeboten, erweist sich als bessere
Verkaufsware, und die hätte man zum Nekrolog nicht
herbeizuziehen gebraucht. Wenn man Berichte über
Düsseldorfer Kunst liest, wiederholt sich in ihnen ge-
wöhnlich das Urteil: Güte und Langeweile. Das bestätigt
sich auch hier, aber zwischen diesen letzteren hängen ein
paar ausgezeichnete Leistungen. Jernberg, Dircks, E.Kampf
sind ein paar hervorragende Landschafter, Bretz schließt
sich ihnen an. Spatz ist eine Persönlichkeit, das siebt man
sofort, und wenn man auch nicht von allem hingerissen ist
und manches anempfunden erscheint, so berührt in diesem
Saal doch jede Persönlichkeit wie eine Erfrischung. Keller
scheint ein tüchtiger Porträtmaler zu sein; seine Homo
sapiens ist nichts anderes als zwei recht billig gemalte
Akte, die an Slevogfs „Menschenpaar" nicht heran-
reichen. Bochmann ist fein wie immer; Rocholl schickte
zwei Proben seiner derben Soldatenbilder, denen man
hier nur absolut keinen Geschmack abgewinnen kann.
Kröner ist furchtbar zurückgegangen; als Tierschilderer
mag er noch der alte sein, — malerisch bedeuten seine
Leistungen sehr wenig; was auch von dem Berliner
Friese gilt, der als Maler immer uninteressanter wird.

Die Karlsruher haben nicht kollektiv ausgestellt,
gehören aber ihrem Geiste nach viel zu sehr zusammen
um getrennt betrachtet zu werden. Das Beste von dort
hat uns dies Jahr wohl Berlin weggeschnappt, da dort
die Karlsruher den Berichten nach ausgezeichnet ver-
treten sein sollen. Zieht man nun noch in Betracht,
dass in der Secession etliche Künstler aus dieser Stadt
ebenfalls vertreten sind, so ist es kein Wunder, dass
die hier im Glaspalast ausgestellten Werke kein Bild
davon geben, was in dem letzten Jahre dort geschaffen
ward oder überhaupt, wie der Wind dort weht. Auch den
Karlsruhern rühmte man immer ein gut Stück Lange-
weile nach; das soll dort jetzt anders geworden sein.
Im Glaspalast empfindet man nicht allzuviel davon; zwar
hat Meister Schönleber zwei Bilder darin, die ganz ge-
wiss Perlen sind, aber dem Publikum auch in der appetit-
lichsten Fassung geboten werden. Alles übrige leidet etwas
an Easselosigkeit, — nichts ist da, woraus die Persönlich-
keit ein wenig kecker hervorschaute. Wenn man nicht
schon so entsetzlich viel tüchtige Leistungen anzu-
schauen hätte, so würden einen die Arbeiten von Baven-
stein, Hoch, Hellwag wohl mehr fesseln. Der letztere
giebt immer mehr Ansichten als Motive, und ich werde
bei seinen Arbeiten den Eindruck nie los, als wären die
 
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