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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 8.1897

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Schultze, Paul: Die Münchener Jahres-Ausstellung im Glaspalast, [3]
DOI Artikel:
Braun, E.: Die Würzburger Tiepolo-Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5776#0017

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Die Würzburger Tiepolo-Ausstellung.

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soliden Weg des intensiven Naturstudiums ein wie
Greiner, sondern lebt allein von dem Kapital, mit dem
ihn die Natur beschenkt, so ist es nur eine Frage der
Zeit, wie lange jenes ausreicht. Viele haben schon lange
damit gewirtschaftet, aber der Tag ist immer gekommen,
an dem es verbraucht war. — Zu den Besten gehört
auch Dasio, der in seinen — im guten Sinne — außer-
ordentlich dekorativen Eadirungen immer mehr seinen
eigenen Stil findet. Über seinen Cyclus, den er nach
den neun Musen nennt, ist in diesen Blättern schon be-
richtet. Wclti und Urban, der leider nur mit drei Kohle-
entwiirfen vertreten ist, sind ähnliche Talente; auch Pankok
gehört zu ihnen, der neben schönen Zeichnungen nach
der Natur besonders geistvolle Entwürfe zu orna-
mentalen Kandeinfassungen etc. liefert, die teilweise
stark den englischen nachempfunden sind, aber doch ein
vielversprechendes Talent verraten.

Ganz auf dem Boden der realen Erscheinung der
Dinge stehen Vötting mit kecken Naturstudien mit
der Eadirnadel, Meier-Basel, Wenban, Hahn, übbelohde,
Keitel, Benno Becker, Berlepsch, von dem auch noch
keramische Entwürfe hervorzuheben, Sandreater mit
Aktstudien etc. Auch Bossmann's Diplom sei er-
wähnt. Eine große Kollektion rührt von Herzog her,
der in diesen anspruchlosen Sachen entschieden höher
steht als in seinen prätentiösen Ölbildern. Etliches
sind flott und kräftig hingesetzte Illustrationen, hinter
denen man nicht viel sucht, einiges wirklich feine
Stimmungsbilder, wie z. B. der Abend am Isarthorplatz.
Wieder anderes verblüfft durch die technische Geschick-
lichkeit, mit der er die Kupferplatte bearbeitet.

Von der übrigen Schwarzweiß-Ausstellung nehmen
mit am meisten vier ältere Handzeichnungen Klinger's das
Interesse in Anspruch. Sie sind alle mit „Bruxelles 79"
bezeichnet und es ist erstaunlich, wie fertig und in sich
abgeschlossen er schon in diesen Blättern auftritt. In
dem einen, „Alpdrücken", weiß er mit den wenigen
Federstrichen so genial den Eindruck des Spukhaft-
Unheimlichen hervorzurufen, dass man sich unwillkürlich
ins Gedächtnis zurückruft, welches testimonium pauper-
tatis sich jene ausstellten, die Klinger's erstes Auf-
treten mit Spott begrüßten. Auch das zweite Blatt,
„Dedie ä une maison de tolerance", zeigt schon eine
bedeutende zeichnerische Meisterschaft, die hier an
Menzel denken lässt. Das dritte, „Tod und Jenseits",
ist ein Entwurf, der neuerdings erst ausgeführt wurde,
das vierte, „der Schritt der Zeit", der riesenhafte Fuß
des Chronos, der eine Christusfigur niederdrückt.

Neben Klinger hängen zwei Blatt Rops, seine zahm-
sten und, wenn ich nicht irre, die ersten, die eine officielle
deutsche Ausstellung birgt. Gysis bringt ein außer-
ordentlich schönes Diplom für die heurigen olympischen
Spiele, in ^em er antjke j£0tiVe mit der mystischen
Zartheit unserer Tage aufs glücklichste verbindet. Ich
nenne noch die interessanten Original - Eadirungen von

Vogeler-Worpswede, am Ende, Leibi, Bohr, Klotz,
Seufferheld, Hollenberg, Köpping u. a. mehr, zuletzt
auch noch die ausgezeichneten reproduzirenden Stiche
und Eadirungen der verschiedensten Namen, sowie die
brillanten Holzschnitte, die zumeist den „Fliegenden
Blättern" entnommen sind.

Überblickt man das weite fruchtbare Feld, das sich
den zeichnenden Künsten öffnet und denkt dabei an
das Zwecklose der Überproduktion an Ölbildern, so
wird man in der Verschiebung der Anteilnahme der
Künstler zu Gunsten des ersteron Gebiets ein günstiges
Omen sehen. Denn gesund und kräftig kann eine
Kunstübung — sieht man dabei von den Bestrebungen
Einzelner ab — im Grunde nur dann sein, wenn Angebot
und Nachfrage in einem annehmbaren Verhältnisse
stehen. Und gegenüber der Menge des zu bedruckenden
Papiers von heutzutage werden die bei den wenigen
Kunstsinnigen, die noch für Bilder frei sind, sehr
wenig in Frage kommen.

SCH UL TZE- NA UMB ÜB 0.

DIE

WÜRZBURGER TIEPOLO - AUSSTELLU NG.

Analog der Tiepolo-Ausstellung in Vendig hat nun
auch Würzburg eine Eeihe von Werken dieses Meisters
zu einer Kollektivausstellung vereinigt, die in der Ee-
sidenz im weißen und im Kaisersaal aufgestellt ist. Der
Zugang dazu geht über die große Freitreppe, über der
bekanntlich die herrlichen Deckenfresken Tiepolo's sich
befinden. Eine Eeihe von schwer zugänglichen Bildern
aus Privatbesitz bilden den Hauptwert, ferner sind
Handzeichnungen und Photographieen vorhanden. Von
der Thätigkeit und der künstlerischen Vollendung der
Fresken Tiepolo's gewähren die Würzburger Fresken,
aus der reifsten Zeit des Meisters stammend, auch dem
ein klares Bild, der seine herrlichen Meisterwerke in
Venedig, Madrid u. a. a. 0. nicht kennt. Zudem ist
Tiepolo als Freskenmaler schon zu oft besprochen und
gewürdigt, zuletzt in dem allerdings nicht viel Neues
bietenden populären Werkchen F. F. Leitschuh's. Gehen
wir gleich zu den Gemälden über, die zum größten Teil
aus Privatbesitz stammen und unser intensivstes Inter-
esse erwecken! Meist waren sie bisher unbekannt. Die
siegreiche kräftige Individualität des Meisters, die trotz
aller möglichen deutlich erkennbaren fremden Beein-
flussungen, welche er von Eubens, Veronese, Velazquez,
Dürer und sogar Altdorfer empfing, sich immer wieder
Bahn brach zu eigenem Ausdruck, erfüllt uns mit Be-
wunderung. Tiepolo ist ein echter Venezianer, und wenn
er auch hier und da der lyrisch-sentimentalen Strömung
seiner Zeit Concessionen macht, da wo wir kräftige
dramatische Bewegung erwarten, so entschädigt er
andererseits durch eine Eeihe von prächtigen kolo-
ristischen Details, durch die geniale Komposition und
 
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