Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 8.1897

DOI Artikel:
Zur Würdigung von Bötticher's "Tektonik der Hellenen"
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5776#0039

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.
Ankündigungsblatt des Verbandes der deutschen Kunstgewerbevereine,

HERAUSGEBER:

CARL von LÜTZOW und Dr. A. ROSENBERG

wien BERLIN SW.

Heugasse 58. Yorkstraße 20.

Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG, Gartenstr. 15. Berlin: W H. KÜHL, Jägerstr. 73.

Neue Folge. viii. Jahrgang. 1896/97.

Nr. 5. 19. November.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den
Sommermonaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 83 Nummern. Die Abonnenten der „Zeit-
schrift für bildende Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf- für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung
die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

zur würdigung von bötticher's

„tektonik der hellenen".

Die Zeiten liegen weit hinter uns, in denen die
Ideen Karl Bötticher's die Theorie und vollends die
Praxis der Baukunst beherrschten. Der Mann und sein
Hauptwerk, die „Tektonik der Hellenen", gehören völlig
der Geschichte an. Aber damit soll auch gesagt sein,
dass sie unvergessen sind, dass sie einen Markstein bilden
in der Entwicklung des modernen Kunst- und Geistes-
lebens.

Es drängt sich somit jedem denkenden Betrachter
der neueren Zeitläufte die Notwendigkeit auf, an das
vielgenannte, aber nur von Wenigen hinreichend gekannte
Werk des Tektonikers einmal prüfend heranzutreten und
nach der Stellung zu fragen, die ihm als Kunstlehre
gebührt. Durch die gerechte Würdigung von Bötticher's
wirklichen Verdiensten gewinnen wir zugleich den besten
Schutz gegen seine Irrtümer.

Ein kürzlich erschienenes Buch des gelehrten Archi-
tekten Bichard Streiter hat die verdienstliche Arbeit
unternommen und glücklich durchgeführt.1) Das Buch
ist ein kunstgeschichtliches im besten Sinne des Wortes.
Es dringt, unter Beiseitesetzung alles überflüssigen
Ballasts, tief in die Grundgedanken der Lehre Bötticher's
ein, erörtert in lichtvoller Weise deren Verhältnis zu
den Theorieen der Vorgänger und Nachfolger, und zieht
am Schluss gerecht und klar die mit Notwendigkeit sich
ergebenden Konsequenzen.

Die Schrift beginnt mit einigen charakteristischen

1) Karl Bötticher's Tektonik der Hellenen als ästhetische
und kunstgeschichtliche Theorie. Eine Kritik von Dr. Richard
Streiter, Architekt. Hamburg und Leipzig, Leop. Voss. 1896.
135 S. 8«. (Beiträge zur Ästhetik, herausgegeben von
Theodor Lips und Richard Maria Werner. III.)

Daten aus Bötticher's Leben, das in früher erschienenen
Publikationen, von H. Blankenstein und von der Witwe
des Verstorbenen, eine ausführliche Darstellung erfahren
hat.1) Bötticher's leidenschaftliches, genial angelegtes
Wesen führte ihn bisweilen weit von seinem eigentlichen
Studienwege ab auf Gebiete, für deren wissenschaftliche
Beherrschung ihm alle Vorbedingungen fehlten, auf denen
er aber trotzdem durch Intuition als Entdecker auf-
treten zu können wähnte. So trug er sich eine Zeitlang
mit der Idee neuer Erfindungen über Elektricität und
Magnetismus und erst ein Todesfall in der Familie, der
ihn sehr ergriff, brachte ihn auf andere Gedanken. —
Den Mangel grundlegender Kenntnisse der alten Sprachen,
den sein zu früher Austritt aus dem Gymnasium zur
Folge hatte, wusste er in späteren Jahren mit Hilfe
eines gelehrten Freundes wieder gut zu machen. Aber
alle Energie und aller Fleiß konnten die Lücken nicht
ganz ausfüllen. Wie sein Entdeckereifer manche der
gewagten Hypothesen und sonstigen Extravaganzen in der
„Tektonik" erklärt, so vermochten Um andererseits die
verspäteten Sprachstudien nicht vor den mannigfachen
Fehlgriffen zu schützen, in die er bei der Auslegung
schwieriger Stellen antiker Schriftsteller (z. B. des Vitruv)
verfallen ist. — Von Wichtigkeit für die Beurteilung
der tektonischen Theorie ist auch die von Streiter mit
Recht betonte Thatsache, dass Bötticher die Baudenkmale
Griechenlands erst viele Jahre nach dem Erscheinen des
zweiten Teils seines Hauptwerkes durch Autopsie kennen
gelernt hat.

Die erste Ausgabe der „Tektonik der Hellenen

H.

1) Karl Bötticher, sein Leben und W^e"'
Blankenstein. (Sonderabdruck aus den. Centra blatt der Bau-
verwaltung.) Berlin, Ernst & Sohn. 1889- - Aus.dem Leben
Karl Bötticher's. Von seiner Gattin Clausa Lohde-Botticher.
Gotha, F. A. Perthes. 1890.
 
Annotationen