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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 8.1897

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Reinicke, Rudolf: Wie stellte Phidias die Athena Promachos dar?
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https://doi.org/10.11588/diglit.5776#0055

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.
Ankündigungsblatt des Verbandes der deutschen Kunstgewerbevereine.

HERAUSGEBER;

CARL VON LÜTZOW und Dr. A. ROSENBERG

WIEN BERLIN SW.

Heugasse 58. Yorkstraße 20.

Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG, Gartenstr. 15. Berlin: W H. KÜHL, Jägerstr. 73.

Neue Folge. VIII. Jahrgang. 1896/97. Nr. 7. 10. Dezember.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den
Sommermonaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeit-
schrift für bildende Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf- für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung
die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

WIE STELLTE PHIDIAS
DIE ATHENA PROMACHOS DAR?
VON RUDOLF REINWKE.

Drei Werke des großen Phidias waren es vor allem,
welche die Hellenen zur höchsten Bewunderung hinrissen,
nicht nur weil sie die Typen von Gottheiten darstellten,
welche sie am meisten verehrten, sondern auch weil sie
an eigentlichem künstlerischen Wert hoch über allem
standen, was vor oder nach der Perikleische.n Zeit in
Hellas geschaffen wurde.

Diese drei Werke sind die Goldelfenbeinbilder des
Zeus in Olympia, der Athena Parthenos im Parthenon
auf der Akropolis zu Athen, und das Erzbild der Athena
Promachos') auf derselben Stätte. Keines der drei
Werke ist im Original oder in so beglaubigter Kopie auf
uns gekommen j dass wir uns ein unzweifelhaftes Bild
von ihrer Auffassung machen könnten, und keiner der
antiken Autoren hat es unter den Ausdrücken von Be-
wunderung für nötig erachtet, eine so genaue Beschreibung
der Werke zu geben, dass wir sie im Geiste wiederher-
stellen könnten. In Bezug auf die Auffassung der Werke
seitens ihres Schöpfers sind wir angewiesen 1) auf die
Angaben der antiken Autoren, so namentlich des Pau-
sanias, 2) auf spätere, mehr oder minder getreue
kleinere Nachbildungen, so z. B. auf solche der Par-
thenos,2) 3) auf Werke römischer Zeit, die wir wohl
als von jenen Meisterwerken beeinfiusst annehmen dürfen,
so z. B. der Jupiter von Otricoli; endlich können wir
noch Schlüsse ziehen aus Vasenbildern, Gemmen und
Münzen, freilich nur in Bezug auf das Allgemeine der

1) Pausanias, Beschreibung von Griechenland, I, 28, 2.

2) Athenastatuette vom Varvakeion in Athen; Statuette
Lenorruant; Kopf der Parthenos auf einer Gemme des
Aspasios (Baumeister, 1456).

Stellung, indem diese letzteren Zeugnisse zu klein sind,
um uns die geistige Auffassung eines Kolossalbildes ver-
gegenwärtigen zu können.

Von der Athena Promachos nun wissen wir zu-
nächst, dass sie ein sehr großes Werk war, wenngleich
man jetzt dazu gekommen ist, ihre Größe gegen früher
etwas herabzusetzen. Michaelis hat ihre Höhe auf ca.
7,50 m, mit Basis auf ca. 9 in festgestellt. Ein antiker
Autor berichtet, dass der heinikehrende Athener schon
am Cap Sunion durch das Leuchten der goldenen Lanzen-
spitze der Göttin begrüßt würde. Dies ist wohl dahin
richtig zu stellen, dass der betreffende Schriftsteller Cap
Zoster meint, denn am Cap Sunion ist von der Akropolis
gar nichts zu sehen, da der Hymettos sich dazwischen
schiebt. — Weiter wissen wir unzweifelhaft, dass die
Göttin mit Speer und Schild dargestellt war, und dass
in einer späteren Zeit auf dem Schilde von Mys nach
Zeichnungen des ParrhasiosCiselirungen angebracht wurden,
welche das beliebte Thema der Lapithen- und Kentauren-
kämpfe behandelten. Von jeher nun ist die Frage er-
örtert worden, ob die Göttin, die Promachos, die Vor-
kämpferin1) den Schild an dem erhobenen Arm2) ge-
tragen habe, oder ob sie denselben an ihrer linken Seite
stehend gehabt habe, ihm nur durch die leise aufgelegte
Hand den nötigen Halt verleihend. Auf Münzen und
Vasen finden wir beide Arten der Darstellung, wobei
wir allerdings keinen Grund haben, die Göttin, wenn sie
ruhig steht mit dein Schild bei Fuß, als Promachos zu
bezeichnen. Pallasstatuen mit dem Schilde am erhobenen
Arm finden sich zum Beispiel im Museo archeologico zu

1) Der Name Promachos = Vorkämpferin findet sich zuerst
in den Scholien zu Demosthenes c. Amirot. p. 597. Reiske.

2) Zosimus V, ü, 2. Hier ist freilich nicht von der Pro-
machos auf der Akropolis die Rede, sondern allgemein von
der Göttin.
 
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