Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 8.1897

DOI Artikel:
Reinicke, Rudolf: Wie stellte Phidias die Athena Promachos dar?
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5776#0056

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Wie stellte Phidias die

Florenz im Saal der Chimäre, ferner in den Uffizien zu
Florenz in halber Lebensgröße. In wundervoller Aus-
führung finden wir diese Auffassung der Pallas aber auf
einem kleinen goldenen Schmuckgegenstande in Bologna.
Auf Vasen sehen wir die Göttin vielfach als Kämpferin
oder Beschützerin in mehr oder minder bewegter Haltung
dargestellt; einige davon sind in Baumeisters Werk ab-
gebildet, so auf einem Vasenbild mit der Einnahme von
Troja, woselbst die Pallas als Statue aber doch mit er-
hobenem Schild und Lanze dargestellt ist.

Die Anhänger der Ansicht, dass die Pallas den
Schild bei Fuß stehen gehabt habe, machen vor allem
geltend, dass die getriebenen Eeliefs auf dem Schilde
nicht sichtbar oder dem Auge doch nur wenig deutlicli
erschienen seien, wenn die Göttin den Schild hoch er-
hoben gehalten habe, und dass es deshalb keinen Zweck
gehabt hätte, diese Verzierungen auf dem Schilde anzu-
bringen.1) Dieser Grund passt nun wohl auf unsere
zwecksuchende Zeit, aber keineswegs auf die Blütezeit
hellenischer Kunst.

Bei allen ihren Werken, die Gottheiten geweiht
waren, war es den Griechen gar nicht so sehr darum zu
tlmn, sie den Menschen möglichst sichtbar zu machen,
sie den Gläubigen zuliebe möglichst schön und prächtig
herzustellen, ihnen einen Genuss zu schaffen, sondern das
Werk war für den Gott bestimmt und da war den
Hellenen das Beste gerade gut genug. Da kam es nicht,
wie bei uns leider so oft, darauf an, das Werk an den
Stellen sorgfältig herzustellen, wo es der Blick der ver-
ehrenden Menge treffen konnte, an anderen aber nicht,
sondern es wurde in allen seinen Teilen so vollkommen
hergestellt, wie nur möglich. Die Giebelskulpturen am
Parthenon sind an der dem Beschauer nie zugewandten
Seite ebenso gut, ebenso sorgfältig in Gewandung und
Behandlung des Nackten durchgeführt, wie an der Vorder-
seite; und das ist keine Atelierlaune des Künstlers,
denn erstens sind Atelierlaunen nur Eigentümlichkeiten
einer Verfallzeit der Kunst, nicht aber einer Blütezeit,
die wir auf das Höchste bewundern müssen, zweitens
wurde der Parthenon aber so schnell gebaut und fertig
gestellt, dass ein Künstler wohl keine Zeit zu solchen
Atelierlaunen gehabt hätte. Dieses feine Ausarbeiten
selbst der unsichtbaren Teile finden wir auch an anderen
Werken, so an den Skulpturen des Pallastempels auf
Ägina, bei denen die Eückseiten der Figuren so gut be-
arbeitet sind, dass man einzelne Figuren früher statt an
die rechte Seite an die linke Seite des Giebels gesetzt
hatte und erst durch Beachtung der Korrosion des
Marmors auf das Eichtige geführt wurde. Die weißen
Marmorziegel am Parthenon waren mit leuchtenden
Farben und Gold bemalt, wie wir aus Analogieen und
der Anwendung der Polychromie überhaupt schließen
können, und dennoch sind sie bei der flachen Neigung

1) Siehe Bötticher, Akropolis.

Athena Promachos dar? 1Q0

des Daches und der hohen Lage des Tempels dem Auge
kaum sichtbar gewesen. Nehmen wir endlich an', dass
die Tempel nicht hypaethral waren, eine Annahme, die
zur Zeit ebenso gerechtfertigt ist, wie das Gegenteil, so
sind auch die herrlichen Goldelfenbeinbilder in den Zellen
der Tempel dem Auge so gut wie unsichtbar gewesen,
denn, wenn wir das Licht im Süden auch noch so in-
tensiv annehmen, so wird doch so leicht kein Architekt
zugeben, dass durch eine Thür, und sei sie noch so groß,
die außerdem noch hinter einer tiefen Vorhalle liegt, ge-
nügend Licht in eine Zelle von der Länge der des
Parthenon hineinfällt, um ein Kunstwerk genießen zu
lassen. Also auch hier dasselbe; das Kunstwerk ist ein
Weihgeschenk an die Gottheit, dazu in erster Linie be-
stimmt, nicht aber eine Dekorationsfigur wie in den
französischen Gärten des vorigen Jahrhunderts. — Die
Altis von Olympia war mit Bildwerken überhäuft, aber
sie alle waren nur Weihgeschenke; als solche werden sie
von den antiken Autoren erwähnt, nicht aber, dass man
der schaulustigen Menge zuliebe etwa einen der künst-
lerischen Gestaltung entbehrenden Platz mit ihnen ge-
schmückt habe. Hier darf auch der große Fries vom
Parthenon nicht unerwähnt bleiben, jenes herrliche, in
Stein gehauene Epos eines antiken Festzuges, dessen Be-
trachtung sowohl durch die unbequeme Stellung als auch
durch die Dunkelheit, in der der Fries lag, beeinträchtigt
wurde. Die Ausführung aller Einzelheiten hat unter dieser
Überlegung nicht gelitten. — Wenn wir nun auf den
Schild der Promachos zurückkommen, so brauchen aber die
Eeliefs des Schildes gar nicht unsichtbar gewesen sein.
Wenn die Göttin den Schild am halb erhobenen linken
Arm trug, ihn leise, gleichsam schützend vorstreckend, so
genügte eine senkrechte oder doch nur wenig nach unten
geneigte Lage des Schildes, um seinen Schmuck voll-
kommen sichtbar zu machen.

Wenn der Marmorfries im Pteroma des Parthenon
in einer Höhe von 12 m und bei einem äußerst zarten
Eelief von höchstens 5 cm genügend sichtbar erschien,
und wir den ganzen Fries nicht auch als eine Atelier-
laune auffassen wollen, so sind die Eeliefs auf einem
Metallschilde, in einer Technik, die viel schärfere Kon-
turen zulässt, als der Marmor, vollkommen deutlich und
sichtbar gewesen, selbst wenn wir eine Höhe des Schildes
über dem Erdboden von 7 bis 8 m annehmen und die
Kleinheit der Figuren berücksichtigen, denn die Pro-
machos stand im Freien, wo sie das intensivste Licht
des Südens treffen konnte. Annehmen lässt sich also
die Sichtbarkeit der Schildreliefs selbst bei erhobenem
Schilde, aber ich halte das gar nicht für nötig, da die
Griechen, wie vorhin gezeigt, ganz etwas anderes wollten
mit ihren Statuen und Götterbildern.

Wir kommen nun zu einem zweiten Grunde, wes-
halb wir uns wohl die Promachos mit dem Schild am
erhobenen Arm, nicht aber an ihrer Seite lehnend, zu
denken haben. — Athena Promachos heißt die Vor-
 
Annotationen