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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 8.1897

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Aus dem Wiener Künstlerhause
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https://doi.org/10.11588/diglit.5776#0080

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glitzernde Schlange dienen ihm zum Gegenstand des
Studiums. Er entkleidet das Ewig-Weibliche fast ganz
seiner geschlechtlichen Keize als Gattung und sucht
nur das Einzelwesen. Nur die Sphinx zieht ihn magisch
an: kalt, stark und herbe (wie die Büste „Das herrische
Weib"), oder eine Schattirung zarter und elegischer, aber
immer noch sehr herbe und streng im Typus (wie das
Eelief mit dem lebensgroßen Profil und der Inschrift
„Auld lang syne"). Nicht ohne Grund mag hier das
nordische Idiom gewählt sein: in Schottland und im
Norden Englands sind solche Mädchen am häufigsten zu

| ein ähnlicher Typus, nur abstrahirt van der Stappen
nicht so von der Wirklichkeit; seine Anschauung ist

j viel unmittelbarer, während er von seinem andern Lands-
mann, Felicien Eops, dem dritten modernen Sphinx-
darsteller, dadurch verschieden ist, dass er von der
sexuell-dekadenten Seite ganz absieht. Nicht die Be-
ziehung des Weibes zum Manne, sondern zu seinem ur-

[ eigenen Wesen reizt des Künstlers Forschungstrieb.

| Mit wie eigentümlicher Vornehmheit er diese etwas

| eckigen, flachbrüstigen Wesen zu behandeln weiß, zeigt
die anmutige Gruppe „Die große Schwester", worin der

finden. Sie scheinen wie vom Glück enterbte Wesen,
die, sich selbst ein Geheimnis, kaum in der Gegenwart
leben, in stummer, verzehrender Sehnsucht ihr Dasein
versohmachten, stolz und kalt nach außen, aber ewig
suchend nach dem großen Unerklärlichen. So steht
dieses Mädchen mit den mageren entblößten Armen am
Sarkophag und träumt von der Vergangenheit und Zu-
kunft — und vom Glück, das niemals kommt. „Ent-
behren sollst Du, sollst entbehren". . . So muss es sich
endlich in sich selbst zurückziehen und das leidvolle
Sehnen wird ihm zum Heiligtum. ,,I shut my door upon
myself" heißt ein Bild von Fernand Knopff. Das ist

Kontrast zwischen dieser und den pausbackigen Rangen,
die sich an sie hängen, in prägnanter Weise zum Aus-
! druck gelangt. Van der Stappen ist eine Erscheinung,
die zwei seltene Eigenschaften in sich vereinigt: den
technischen „Könner" und den menschlichen „Kenner".

Unter den Österreichern ist Vaclav Broxik mit
seiner im Auftrage des Kaisers gemalten Illustration zu
dem alter Dictum: „Tu felix Austria mibe" vertreten,
einer großen Historie mit feierlichem Prunk und nicht
weniger als 81 historischen Porträts. Es handelt sich um
die Doppelhochzeit zwischen den Kindern Wladizlav's II.
und Kaiser Maximilian's I. Enkeln, am 22. Juli 1515 im
 
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