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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 8.1897

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Aus dem römischen Kupferstichkabinett
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Schölermann, Wilhelm: Aus dem Wiener Künstlerhause
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https://doi.org/10.11588/diglit.5776#0144

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275

Aus dem Wiener Künstlerhause.

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malerischer Wirkung wie Naturtreue, Tiberufer), Paul
Bril (Isola Bartolommeo und Piazza del Popolo), Andrea
Sacchi (Pest auf Piazza Navona), Hermann v. Swanevelt
(Der Kirchhof der non poenitenti am Pincio-Abhang)
feiern ihre Triumphe. Von ganz besonderem geschicht-
lichen Interesse ist ein Blatt von Westerhout, eine
Darstellung des Konklave, aus welchem 1721 Tnnocenz XIII.
als Papst hervorging, mit Plänen des Vatikans und der
Konklavegemächer, Einzelbildchen aller Ereignisse und
Ceremonien, Anführung der 68 Teilnehmer etc.

Das Ende des 18. und den Beginn des 19. Jahr-
hunderts (Gruppe 4) veranlassen mit dem genaueren
Studium des Altertums auch wieder eine genauere Dar-
stellung der Einzelheiten seiner Eeste, aber damit
gehen zusammen Übertreibungen, unrealistische Vereini-
gungen von Bauwerken, die räumlich nichts miteinander
zu thun haben, und phantastische Beigaben. Es ist die
Zeit eines Piranesi, von dessen malerisch so prächtigen
Blättern die heutige Archäologie nicht weiß, ob sie sie
wegen ihrer phantastischen Gesamtanlage mehr schelten
oder wegen ihres liebevollen Eingehens ins Einzelne be-
wundern soll, eines Nerly, der mit einem Karneval bei
San Carlo am Korso vertreten ist, von Ant. Sarti (San
Paolo fuori le mura unmittelbar nach dem Brande von
1823). Von besonderem Interesse ist in dieser Gruppe
eine Darstellung des Quirinalhügels, welche die Rosse-
bändiger noch nebeneinander gerückt auf hohem Sockel
zeigt. Eine Kuriosität bildet ein Rahinen mit sechs Visiten-
karten von 1800 (Franz Barbazza), welche außer dem
Namen noch fein ausgeführte Bildchen römischer Monu-
mente tragen. Die Zeit der „Republik Rom" findet
in Föderationsfesten der Jahre 1799 und 1800 vor dem
„Tempio pacis", der Konstantinsbasilika, Darstellung.

Eine dankenswerte Ergänzung dieser vier Gruppen
bilden mit dem Jahre 1742 beginnende Stadtdarstellungen
aus der Vogelperspektive und eine Zusammenstellung
einer Reihe von Handzeichnungen römischer Meister,
welche vorzugsweise die Cainpagna schildern; fast alle
großen Namen der römischen Malerei sind wenigstens
in einzelnen Blättern vertreten.

Die Ausstellung wird 1 — 2 Monate, anerkennens-
werter Weise übrigens unentgeltlich, dem Publikum ge-
öffnet bleiben. Voraussichtlich wird sich ihr dann eine
zweite, Dürer'sche Blätter umfassende anschließen. Dr.
Kristeller erwirbt sich mit diesen an deutsche Einrich-
tungen sich anlehnenden Veröffentlichungen aus dem reichen
Besitz des Kabinetts ein großes Verdienst. •». Gr.

AUS DEM WIENER KÜNSTLERHAUSE.»)

Es geschehen Zeichen und Wunder! Im Wiener
Künstlerhause sind an Stelle der zahlreichen, als Stamm-
gäste bekannten Talente plötzlich zwei wirkliche Genies
eingezogen. Schade nur, dass sie beide schon tot sind:

1) Wegen Raummangels verspätet.

I Schubert und Schwind. — Überlassen wir Schubert
den Musikfreunden und verweilen einen Augenblick bei
seinem glücklicheren Zeitgenossen. Wie kommt es nur,
dass seine Kunst nicht auch tot ist, wie die der beiden
anderen Zeitgenossen, deren Werkem man ebenfalls aus-
stellte, Kupclwieser und selbst Danhauser. Diese ver-
mochten sich kaum je von der Tradition zu befreien,
welche den Schwerpunkt auf den ..bedeutsamen In-
halt" legte. Ihre malerische Kunst sollte nicht durch
sich selbst, durch ihre eigenen Ausdruckmittel, Linien
und Farben, sprechen, sondern sie bedurfte eines
unmalerischen Nebenzweckes, um sich zu entfalten.
Beim Genrebild kam man dann selten über die Illustra-
tion der Anekdote hinaus. Ein Beispiel mag dies zeigen.
Da ist ein sehr gut gemaltes Bild von Danhauser aus-
gestellt: „Erinnerung an Liszt". Ein Klavierfabrikant
hat es ursprünglich bestellt, doch das hat wohl keinen
Einfluss auf die Auffassung gehabt. Wir sehen den
jugendlichen Meister am Flügel, mit verzücktem Aus-
druck aufwärts blickend; zu seinen Füßen niedergesun-
ken eine seiner zahlreichen Verehrerinnen; im Vorder-
grund sitzt Georges Sand, in Männerkleidern, mit der
Cigarre in der Hand; neben ihr Alexandre Dumas pere;
hinter den beiden Victor Hugo. Doch das ist noch nicht ge-
nug. Im Hintergrunde stehen Rossini und Paganini,
Arm in Arm, wie ein paar moderne Dioskuren. Vor so viel
geistiger Größe, in einem Zimmer zusammengedrängt,
muss wohl ein jeder die Waffen strecken! Zum Glück
— und zur Ehre unserer Vorfahren — dürfen wir in-
dessen annehmen, dass wohl selbst die sentimentalsten
unter ihnen niemals eine solche sinnlose Komödie sich
haben zu Schulden kommen lassen.

Bei Schwind finden wir nichts dergleichen. Seine
Gesundheit bewahrt ihn davor; wenn er einmal ein
anekdotenhaftes Thema behandelt, so kann er gar nicht
ernst bleiben. Sein goldener Humor bricht überall hin-
durch, wie in dem Cyklus aus dem Leben seines Freun-
des Franz Lachner. Und wenn er die tägliche Um-
gebung oder Reiseerinnerungen malt, so verklärt sich
die Welt durch die kindlich treuen Augen, mit den er
sie ansieht. „Schwind und Bauernfeld auf einer Land-
partie", „Abschied im Morgengrauen" und die ..Morgen-
stunde" sind reine, liebliche Stimmungsbilder. Das letztere,
auf dem Schwind's Tochter am Fenster ihres Zimmers
steht und den jungen Tag begrüßt, atmet den ganzen
taufrischen Duft keuscher Empfindung, der dem Meister
angeboren war. Bei Schwind — wie bei allen kindlich
einfachen Naturen — flössen Gemüt und Humor aus
einer Quelle. So bewahrte ihn beides vor der Senti-
mentalität und dem falschen Pathos.

Aber selbst Schwind hat dem Zeitgeist nicht immer
entgehen können. Zwar vermochte weder die strenge
Schule des Cornelius noch die Abstraktion der klassi-
schen Antike befruchtend auf ihn zu wirken. Wenn

er „große Kunst" malen wollte, verließ ihn die an-
 
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