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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 8.1897

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Schölermann, Wilhelm: Aus dem Wiener Künstlerhause
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5776#0146

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279

Bücherschau.

280

sition russe", mit freier Nachempfindung der Manoeuvre-
studien Detaille's. Abscheulich auffallend ist Le Feure's
spanische Tänzerin „Isita", doch der genialste Exponent
der vollständigsten Decadence und Perversität ist Lautrec,
den man den Degas des Plakats nennen könnte. Den
übrigen Franzosen Paul Bonnard, Privat-Livemont etc.
reihen sich einige Brüsseler an, unter denen Henri
Meunier mit seinem „Casino de Blankenberghe" hervor-
ragt. Auch „La fille du forain" ist ein sauberes Plakat,
wie denn überhaupt die belgischen „affiches" an Chic den
Franzosen durchaus nicht nachstehen. Weniger reprä-
sentativ sind die Amerikaner vertreten, einige Maga- '
zine wie „Harper's" und Theaterannoncen ausgenom-
men. Hier ist Edward Penfield zu nennen und ein
reizender „poster" ist als Eeklame für eine „Cassier-
maschine" in schwarz, gelb, grün und weiß gedruckt,
von Carqueville.

Dass die Plakatkunst bei uns noch erst eben die
Flügel zu heben beginnt, ist genugsam bekannt, doch
lassen schon die Anfänge Gutes hoffen. Einige Blätter
der Münchener ,. Jugend" (z. B. das von Zumbuseh) sind
voll Talent, Hans Unger's großer Orgel-Reklame-
zettel ist direkt von Klinger inspirirt und wirkungsvoll
genug, um auf größere Distanzen gesehen zu werden!
Desgleichen Th. Th. Heine's rote Bulldogge für den J
bösen „Simplicissimus". — Unter den Wienern wäre
Lefler's „Auer-Licht" zu erwähnen. Das Blatt, in
seinen Schattirungen von blassem und leuchtendem Rot,
ist wirklich ein ebenso einfaches wie hübsches und
zweckentsprechendes Plakat.

WILHELM SCHÜLERMANN.

BÜCHERSCHAU.

Dante's Spuren in Italien. Wanderungen und Un-
tersuchungen von Alfred Bassermann. Mit einer
Karte von Italien und siebenundsechzig Bildertafeln.
Heidelberg, Carl Wintens Universitätsbuchhandlung.
In Leinwand geb. M. 40.

Dante's Name und Dichtungen sind mit dem geisti-
gen Lebensodem der Kunst im italienischen Trecento
und Quattrocento so eng verknüpft, dass es keiner
Rechtfertigung bedarf, wenn wir dieses gehaltvolle Werk
des Heidelberger Danteforschers in einem Kunstblatte
anzeigen, um so weniger, als die beigegebenen Lichtdruck-
tafeln ein umfassendes Bild von der Einwirkung Dante's
auf die Kunst von mehr als zwei Jahrhunderten dar-
bieten. Bassermann hat es mit Absicht vermieden, durch
die wohlfeilen Hilfsmittel der Photographie ein soge-
nanntes Prachtwerk für das gebildete Publikum herzu-
stellen, dem alle Stätten, auf denen Dante geweilt, durch
mehr oder minder schwarze Autotypieen nach Photo-
graphieen „schöner Gegenden" und berühmter Baudenk-
maier vor Augen geführt werden, obwohl diese Illustra-
tionsmethode in neuester Zeit sehr beliebt geworden
ist und — wir wollen das Kind nicht mit dem Bade I

ausschütten — auch manches für sich hat. Wir erinnern
nur an die groß angelegte, leider ein Torso gebliebene
Biographie Lionardo's von Müll er-Walde, an die im
Dezember vorigen Jahres erschienene Correggio-Bio-
graphie von Corrado Ricci, dem Direktor der Galerie in
Parma, die wir demnächst eingehend besprechen werden,
und an desselben Kunstforschers illustrirte Prachtaus-
gabe der „Göttlichen Komödie", deren Herausgabe der
deutsch-schweizerische Verleger Hoepli in Mailand unter-
nommen hat. Bassermann hat in seinem strengen For-
scherernst nicht dasselbe leichte Geblüt. Er vertritt und
verficht mit guten Gründen die Meinung, dass die moderne
Kultur die italienische Landschaft so gründlich umge-
staltet hat, dass die Bilder, die Dante vor Augen gehabt
und in seinen herben Terzinen gleichsam aus dem
Erdgerippe herausgemeißelt hat, ganz und gar nichts
mehr mit der zahmen, abgeglätteten und geschniegelten
Gegenwart gemein haben. Er verlässt sich allein auf
die historischen Quellen und, indem er aus ihnen schöpft,
auf die Beredsamkeit seiner Schilderung, die den Leser
allerdings durch den tiefen Einblick in die Stimmungen
des Dichters und seiner Zeit fesselt und bald überzeugt.
Er versteht, die historischen Landschaften, die Dante
besucht und dann in seinen großen Gedichten in monu-
mentalen Zügen umrissen hat, den Augen des Lesers
wieder lebendig zu vergegenwärtigen, und daneben würden
allerdings die Aufnahmen der italienischen Photographen
von heute, die nur nach den freundlichsten Aspekten für
die nach Andenken begierigen Touristen angefertigt
worden sind, eine klägliche Rolle gespielt haben.

Das Schlusskapitel, das „Orvieto" überschrieben
ist, interessirt uns hier am meisten. Hier hängt der
Verfasser den Exkurs „Dante und die Kunst" an, und
hier hat er so viel neues zu sagen, dass es Überhebung
wäre, wenn die Kunsthistoriker es ablehnen wollten,
von einem Litteraturforscher etwas zu lernen. Im Dom
zu Orvieto befindet sich jenes gewaltige Werk aus dem
Ausgange des Quattrocento, Signorelli's Jüngstes Gericht,
worin der Verfasser die höchste künstlerische Gestaltung
Dante'scher Gedanken erblickt. Der lange Weg, der
dahin geführt hat, geht durch die Buchmalerei, und in
der Prüfung der mit Miniaturen und anderen Illustra-
tionen ausgestatteten Handschriften und Druckwerken
auf ihren künstlerischen Gehalt liegt für die kunstge-
schichtliche Erkenntnis der Hauptwert der Unter-
suchungen Bassermann's, der die wichtigsten Bibliotheken
Italiens für seinen Zweck mit emsigem Fleiß durch-
mustert und dabei viele neue Entdeckungen gemacht
hat. Einzeln auf sie einzugehen, könnte nur im Rahmen
einer umfangreichen kunstgeschichtlichenüntersuchung ge-
schehen. Hier sei nur soviel bemerkt, dass für Basser-
mann's Kritik nicht der rein künstlerische Wert ent-
scheidend ist, sondern in höherem Grade das Verständnis,
das jeder Künstler und Nichtkünstler — gerade unter
den Dante-Illustratoren findet man die sonderbarsten
 
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