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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 8.1897

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Bach, Max: Zur Vorgeschichte des Ulmer Münsterbaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.5776#0176

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Zur Vorgeschichte des Ulrner Münsterbaues.

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Leute von ferne kamen, um das herrliche Bauwerk zu
sehen, denn in ganz Schwaben fand man keine zweite
solche Kirche, — sie war sehr kostbar und mit vielen
ewigen Lichtern geziert." Urkundlich werden 11 Altäre
in ihr genannt. Der Fronaltar, sagt der Chronist Sebas-
tian Fischer, „stand im Mittel des Kirchhofs, da jetzund
das Keppelein ist". Wann wurde nun aber diese schöne
Kirche erbaut?— Darüber geben uns die Ulmer Forscher
keine genügende Auskunft. Hassler setzt die Entstehung
der Kirche in die Zeit zwischen 1270—80, was durch-
aus unbegründet ist; erst 1286, wie Pressel ganz richtig
bemerkt, begegnen wir der ersten Spur einer Bauthätig-
keit an der alten Pfarrkirche. Ernstlich an der Kirche
gebaut wurde aber erst in der Mitte des 14. Jahrhun-
derts; wir haben eine ganze Reihe von Urkunden von
1337—1370, in denen von Stiftungen „an unser Frowen
buwe" die Rede ist. Und somit wird es auch begreif-
lich, als die Stadt plötzlich im Jahre 1376 beschloss, ihre
Pfarrkirche in die Stadt zu verlegen, dass man einen
Teil des eben fertig gewordenen Schmuckes der Kirche
und, wie uns Fabri bestimmt mitteilt, die Portal-Skulp-
turen in das neue Münster übertrug. Nur dürfen wir
nicht annehmen, dass das schon im Jahre 1377 geschah,
sondern erst als der Bau soweit gediehen war, um an
dem gegebenen Orte die Steine einfügen zu können.

Diese Angaben Fabri's werden noch dadurch weiter
bestätigt, dass nach den scharfsinnigen Untersuchungen
Carstanjen's auch ein Teil der Portallaibungen und
Bogenstücke, besonders am nordwestlichen und südöst-
lichen Portal, einen älteren Stil aufweisen und daher
recht wohl von der alten Kirche übertragen worden sein
können. In der That findet sich auch am nordwest-
lichen Portal die Zahl 1356 eingehauen, ganz ent-
sprechend der von uns angegebenen Bauzeit der alten
Kirche. Noch mehr aber spricht für die Übertragung
der Skulpturen von einem anderen Bau der Umstand,
dass sie augenscheinlich in den gegebenen Baum nicht
recht passen wollen; am auffallendsten ist das am Süd-
westportal, wo zwischen den Bogengrenzen und den
rechtwinkligen Feldern hässliche leere Stellen sich
finden. Ganz bestimmt weist auch der Stil der Skulp-
turen, besonders die charakteristischen Kriegertrachten,
auf eine frühere Zeit, und zwar tief in das 14. Jahr-
hundert zurück, eine Zeit, in der von einem Neubau
der Pfarrkirche noch nicht die Bede sein konnte.
Unthunlich ist die Annahme einer vollständigen Zer-
störung der Kirche, wie die Chronisten mitteilen; denn
fortwährend geschehen noch Stiftungen an dieselbe, und
im Jahre 1407 ist sogar von einem Vermächtnis an
ihren Bau die Rede.1) Damals muss also an der Kirche

1) Nach nochmaligen eingehenden Untersuchungen der
Quellen, scheinen doch Fabri und die aus ihm schöpfenden
Chronisten Recht zu behalten. Die erwähnten Stiftungen
beziehen sich nämlich alle auf die Allerheiligenkapelle,
welche neben der Pfarrkirche auf dem damals (d. h. zur

noch etwas gebaut worden sein, und wir werden wohl
nicht fehl gehen, wenn wir diese Baureparatur mit der
Versetzung der Portale an das neue Münster in Ver-
bindung bringen. Noch das ganze 15. Jahrhundert
hindurch wird die Kirche genannt, und erst 1532 wurde
sie laut der Aufzeichnungen eines Zeitgenossen gänzlich
abgebrochen.

Wenden wir uns nun zur zweiten Frage, welche lautet:
Was stand früher an Stelle des Münsters, haben wir
dort noch ein Urmünster, eine früliere Pfarrkirche an-
zunehmen? Auch darüber, glaube ich, giebt Felix Fabri
genügend Auskunft. Er sagt: es war keine Pfarre in
der Stadt — „und sie wählten den Platz für die neue
Kirche im Mittelpunkt der Stadt, wo schon längst ein
Bad bestand mit mehreren Häusern, welche die Bürger
ankauften und den Platz säuberten, um die Fundamente
zu legen. Aber auch für den Kirchhof kauften sie das
Haus der Schwestern von der dritten Begel des heiligen
Franziskus, welche Schwestern von Beuren genannt
werden." Dieses Besitztum wird noch näher also be-
zeichnet: „Ihnen, nämlich den Schwestern von Beuren,
wurde ein Ort gegeben zur Seite der Mauer der Minder-
brüder (Franziskaner), weil da ein geräumiger und
leerer Platz war. Denn die Kirche der heiligen Jung-
frau war nicht da, noch der Kirchhof, auch war da kein
Marktplatz, sondern es waren Gärten, welche den Minder-
brüdern und den Schwestern von Beuren neben ihnen
gegeben worden waren. Ihr Haus stand an dem Orte,
wo jetzt die Werkstätte der Steinmetzen auf dem Kirch-
hof der heiligen Jungfrau ist, gemeinhin die Steinhütte
genannt, und es stand oberhalb der alten Gräben, welche
noch nicht ganz ausgefüllt und dem übrigen Boden
gleich gemacht waren. — So nahm man auch den größe-
ren Teil des Gartens der Minderbrüder, um den Grund
zur Kirche zu legen, und damit nachher vor der Kirche
ein freier Platz wäre."

Im Südosten des Münsters lag ebenfalls eine klöster-
liche Besitzung und zwar das Conventhaus des Klosters
Bebenhausen mit der St. Georgenkirche. Dieses Haus
erwarb das Kloster urkundlich am 28. August 1292
von Rudolf Gwärlich in Ulm, und eine Hofstatt hinter
der St. Jörgenkapelle von Georg Vainag, welche derselbe
von dem Markgrafen von Burgau zu Lehen trug. Diese
Häuser mussten nun ebenfalls dem Münsterbau weichen,
und nur die St. Georgskapelle blieb stehen, welche nebst
allen Besitzungen des Klosters in Ulm 1392 an den
Grafen Eberhard von Württemberg überging und erst
1532 abgebrochen wurde. Fabri bemerkt noch aus-
drücklich, man habe mit Bücksicht auf eine Gerecht-
same des Klosters Bebenhausen auch noch die Ein-
Zeit Fabri's) nach ihr benannten Kirchhof stand und viel-
fach mit der alten Pfarrkirche verwechselt wird. Die nach
Pressel (Ulm und sein Münster 1877) citirte Urkunde von
1407 scheint eine Verwechslung mit einer solchen von 1487
zu sein, welche sich auf das Münster bezieht.
 
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