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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 8.1897

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Steinmann, Ernst: Das Appartamento Borgia im Vatikan, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5776#0185

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Warnen als Muster für neue Teppichmalereien verwandte,
welche auf Leinwand geraalt an den Wandflächen ent-
lang gezogen wurden, wo die noch erhaltenen Reste
völlig unversehrt gebliehen sind. Die Wiederherstellung
der Majolika-Fußböden endlich, von denen man mit
Mühe hier und dort noch einige Reste aufgefunden hat,
wurde nach vorausgegangener Konkurrenz unter die
Florentiner Firma Cantagalli und das Museo Industriale
di Napoli verteilt, und man darf behaupten, dass die
ursprüngliche Schönheit des Pavimentum sicherlich er-
reicht, wenn nicht gar übertroffen worden ist.

Durch die untere Loggia des Damasushofes gelangt
man zunächst in den Saal der Päpste, der nach seiner
Wiederherstellung vielleicht der glänzendste Festsaal ist,
welchen der Vatikan überhaupt besitzt. Kein geringerer
als Giotto soll durch seine Darstellungen der Päpste an
den Wänden diesem Saal seinen Namen gegeben haben,
aber seine Fresken sowohl wie die Pinturicchio's gingen,
wenn nicht schon früher, im Jahre 1500 durch den Ein-
sturz der Decke zu Grunde, die, wenig gefehlt, auch den
Papst erschlagen hätte, welcher gerade Audienz erteilte,
Jedenfalls ist die lange Reihe der Inschriften, welche
sich auf historische Facta der Papstgeschichte von
Stephan II. bis auf Martin V. beziehen und von Giovanni
da Udine und Perino del Vaga in die prächtige Decken-
dekoration mit aufgenommen wurden, als letzteReminiscenz
eines Bildercyklus der Nachfolger Petri zu betrachten,
von dem wir außer einer Notiz bei Vasari weiter keine
schriftliche Kunde besitzen.

Heute leuchten uns die heiteren Gebilde des Schüler
Raffael's von der Decke entgegen. Hier schilderte Perino
del Vaga die sieben Planeten mit derselben anmutigen
Naivetät, durch die er uns in Raffael's Loggien be-
zaubert, und Giovanni da Udine erfand das reizende
Rahmenwerk — weiße und goldene Stuckornamente auf
tiefblauem Grunde, — in das er kunstvoll Namen und
Wappen Leo's X. einzufügen verstand. In der Decken-
dekoration der sala Pontificum, in der Einfassung der
Psychebilder in der Farnesina und endlich in den Stuck-
ornamenten der Villa Madama zeigt sich in Rom am
klarsten, wie in der Renaissance durch wunderbar fleißige
Hände und form- und farbenfreudige Augen das Hand-
werk selbst zur echten Kunst geadelt wurde.

Der festlichen Dekoration der flachgewölbten Decke
entspricht die reizende Bekleidung der Wände. Pius IV.
gliederte die weiten Flächen durch mächtige Karyatiden
und brachte in den Mittelfeldern Landschaftsbilder an,
aber da die arg zerstörten Malereien nicht mehr zu
restauriren waren, wurden sie durch Leinewand bedeckt,
auf denen man sechs der herrlichsten Teppiche aus-
breitete, welche bis dahin in der päpstlichen Floreria
begraben waren. Alle diese flämischen Gewebe, welche
nach italienischen Zeichnungen gefertigt wurden, müssen j
vor 1550 entstanden sein; drei Schilderungen der Liebes-
leiden des Kephalos und der Prokris übertreffen durch i

die Schönheit der Farben und eine wunderbare Erhaltung
selbst die Teppiche Raffael's und bieten überdies gegen-
ständlich ein einzigartiges Interesse dar.

Eine Büste Leo's XIII. erhebt sich auf hohem, nur allzu
hohem Postament dort, wo man früher den mächtigen
Marmorkamin der Medici bewunderte, und gegenüber ober-
halb der kleinen Thür, welche zwischen zwei mächtigen
Fenstern auf die Terrasse hinausführt, ist auf marmorner
Tafel eine Inschrift eingelassen, welche den Papst als
Wiederhersteller der verfallenen Gemächer preist. Den
bestimmenden Charakter aber erhält dieser Saal, den der
prächtigste von allen Majolika-Fußböden ziert, weder
durch die Malereien an der Decke noch durch die Teppiche
an den Wänden, sondern durch die päpstliche Waffen-
sammlung, Helme, Schilder, Schwerter, Lanzen, welche
an den Bogenlünetten und Wänden malerisch angeordnet
sind. Besonders kunstvolle Arbeiten finden sich nicht,
aber in zwei großen Glasschränken glaubt man die
Rüstung zu bewahren, welche Julius IE vor Bologna
trug, und eine andere, die den Connetable von Frank-
reich so schlecht beschirmte, als ihn vor Rom Benvenuto
Cellini's (?) Todeskugel traf, deren Spuren sich noch
deutlich erkennen lassen.

Durch eine kleine, von marmornen Pfosten getragene
Thür, welche Nikolaus' V. gekreuzte Schlüssel zieren,
gelangt man in das folgende Gemach, dessen Dekorations-
Elemente weniger heiter und mannigfaltig sind als im
Saal der Päpste, das aber einheitlicher erscheint im
Charakter und stimmungsvoller wirkt durch die Treue,
mit welcher sich hier in den Schöpfungen der Kunst die
Tage Alexanders VI. widerspiegeln. Wir fühlen uns
auf einmal mitten ins Quattrocento zurückversetzt, und
von Decken und Wänden tönt uns der Name Borgia
wie ein Zauberwort entgegen. Ein breiter mit ver-
goldetem Stuckwerk verzierter Gurt teilt das Zwillings-
gewölbe, dessen Felder Medaillons mit Prophetenbildern
zieren, deren auf flatterndem Spruchband geschriebene
Weissagungen sich auf die entsprechende Darstellung
aus dem Marienleben beziehen, das an den Hochwänden
geschildert ist, mit der Verkündigung beginnt und end-
lich mit der Himmelfahrt der Jungfrau schließt. Nur
eine einzige Darstellung fällt aus dem Rahmen der
Marienschilderungen heraus, die Himmelfahrt Christi,
welche wahrscheinlich die Heimsuchung verdrängte, die im
folgenden Saal an gleicher Stelle angebracht ist. Diese
Himmelfahrt Christi links vom Fenster empfängt von
allen Fresken das beste Licht und erregt durch das
herrliche Porträt Alexanders VI., das einst Julius II.
zur Verzweiflung brachte, die höchste Aufmerksamkeit
des Besuchers. Der furchtbare Papst kniet, ganz in das
prächtige Pluviale gehüllt, vor sich die gold- und perlen-
schimmernde Tiara, mit anbetend erhobenen Händen vor
dem Auferstandenen, ihm gegenüber sein Sohn, der ver-
brecherische Cesare. in rot und blauer Rüstung, auf die
erhobene Lanze sich stützend. Die immer geschäftige
 
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