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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 8.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.5776#0188
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Sammlungen und Ausstellungen.

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Falle auf 60 Millionen Mark beziffert. Es ist wohl möglich,
dass in einzelnen Abteilungen, wie z. B. den Bildern, die Galerie
Liechtenstein, Borghese, Kllesnrere oder einige der Familie
Rothschild gehörende Kollektionen die in Rede stehende
übertrifft. Als Ganzes genommen kann sich indessen keine
mit ihr messen. Auf derselben Höhe und Ausdehnung, wie
die Gemäldegalerie, stehen ebenfalls die Sammlungen in den
anderen Kunstzweigen, so namentlich: alte Kunstmöbel, die
vorzüglichsten Meisterwerke von Boulle und Riesener; ge-
triebene Gold- und Silbergegenstände, darunter ein Satz von
Silbervasen nach Gouthiere, für den allein ein Vermögen
offerirt wurde; Emails, Bronzen, Renaissance-Kunstobjekte,
eine Dosensammlung, die ein Unikum an und für sich bildet.
Forner: Uhren, Porzellane aller Art nebst einer Special-
kollektion von 250 alten Sevres-Vasen, Waffen, Merkwürdig-
keiten und Kuriositäten jeden Genres. Sir Richard Wallace
hatte es verstanden, während eines Lebensalters eine Ver-
einigung von Kunstschätzen zusammen zu bringen, wie dies
seit Mazarin keinem Privatmann gelungen war. Die nun-
mehr verstorbene Lady Wallace hat hinsichtlich der Aus-
händigung des Vermächtnisses nur zwei Bedingungen an den
Staat gestellt, und zwar: 1. dass ein eigenes Museum
in einem Centraipunkt Londons, mit der Bezeichnung „Wal-
lace-Museum" zur Aufnahme der Kunstschätze errichtet wird,
und dass 2. Mr. John Murray, der 26 Jahre lang Sekre-
tär des Hauses war, die Leitung des Museums übertragen
wird. Die Annahme dieser Forderung gilt als selbstver-
ständlich, da alle diejenigen, welche Gelegenheit hatten, die
Sammlungen zu besichtigen, sich persönlich von der Fach-
kenntnis und Liebenswürdigkeit Mr. John Murray's über-
zeugen konnten. Die eigentlichen Perlen blieben in der
Hauptsache dem großen Publikum unbekannt, da sie
sich in den Privatgemächern von Lady Wallace befanden.
— Von englischen Bildern sind besonders erwähnenswert:
zwei Werke von Gainsborough, darunter „Miss Haverfield"
und „Mrs. Robinson". Für diese wurden gelegentlich einer
Ausstellung der Besitzerin geradezu fabelhafte Summen ver-
geblich geboten; so betrug die letzte Offerte 500000 Mark.
Ferner dreizehn Bilder von Joshua Reynolds, darunter seine
Meisterstücke vom technischen Standpunkte aus, „Mrs.
Bradyl", „Strawberry Girl", „Miss Bowles" und das be-
rühmte Porträt in ganzer Figur von Mrs. Carnac. Dem-
nächst folgen Werke von Hoppner, Lawrence, Romney
und Wilkie. Aus der spanischen Abteilung sind elf Murillos
zu verzeichnen, und unter den acht Werken von Velazquez
befindet sich das Bild „Die Dame mit dem Fächer". Die
flämische Schule enthält elf Bilder von Rubens, „Die Regen-
bogenlandschaft" und andere bekannte Werke des Meisters.
Von van Dyck ist hervorzuheben: „Philipp le Roy mit
Gemahlin". Endlich sind hier fünf interessante Teniers zu
bemerken. Die Holländer sind im Ganzen mit 169 Werken
vertreten, so namentlich: elf Rembrandt's, darunter „Pelli-
corn und seine Frau"; von Frans Hals „Der Kavalier",
diejenige seiner Schöpfungen, durch welche er in Auf-
nahme kam. Unter den fünf vorhandenen Hobbema's befindet
sich der beste, der vielleicht in ganz England vorhanden ist.
Weiter sind aufzuzählen: elf Cuyps, sechs Metzu, zwei Ter-
borch, zwei Pieter de Hooch und vier Ruysdael's. Zu ver-
gessen ist hierbei keinesfalls der sogenannte „Demidoff Cuyp"
und Metzu's berühmtes Bild „Chasseur endormi". — Aus-
gezeichnete Bilder der französischen Schule sind folgende:
elf Watteau's, wie solche in ganz London, einschließlich der
Staatsinstitute, nicht anzutreffen sind, zwei Claude Lorrain,
neun Lancret's, fünfzehn Pater's, elf Boucher's, darunter die
großen, für die Pompadour angefertigten Bilder, zweiund-

zwanzig Werke von Greuze, fünf Nattier's, fünfzehn Dela-
roches, vier Troyon's, vierunddreißig Descamps und fünf-
zehn Meissonier's; im Ganzen 349 französische Gemälde,
unter denen sich etwa hundert Meisterwerke ersten Ranges
befinden. Die Italiener sind meiner Ansicht nach verhält-
nismäßig am schwächsten vertreten, immerhin sind zwei
Tizian's, zwei Luini's, Francia's und siebzehn Canaletto's
zu verzeichnen, wie letztere in England nur die Königin
Viktoria in Windsor besitzt. Selbstverständlich könnten
über diese Sammlung ganze Bände geschrieben werden,
um so mehr, da das romantische Element in ihr nicht
fehlt, ja sogar ausgiebigen Stoff für einen modernen Roman
enthält. In der Hauptsache war die Kollektion durch den Mar-
quis von Hertford gebildet worden. Dieser war der Sohn
von Lord Jarmouth, den man allgemein als Vorbild und
Modell für Thackeray's „Lord Steyne" und Disraeli's „Lord
Monmouth" annimmt. Lord Jarmouth war der Gemahl von
Maria Fagniani, der bekannten Figur „Mie Mie" in George
Selwyn's Briefen. Ihr Sohn, der Marquis von Hertford, lebte
von 1842 bis zu seinem Tode 1870 unvermählt in Paris,
Rue Lafitte. Einen Teil seines ungeheueren Einkommens
benutzte er zum Sammeln, und auf diese Weise legte er
den Grundstock zu der berühmten Kollektion. Er war
wie geschaffen zum Sammeln, denn er besaß alle hierzu
nötigen Eigenschaften: Zeit, Geschmack, Kenntnisse, Aus-
dauer und ein kolossales Vermögen. Ein junger Mann, nur
unter dem Namen „Monsieur Richard" bekannt, verkehrte
unausgesetzt als Vertrauter im Hause. Er besorgte mit
großem Verständnis als Agent des Marquis alle Einkäufe
und war überhaupt vollkommen in dessen Pläne eingeweiht.
Niemand wusste, wer er eigentlich sei. Während der Be-
lagerung von Paris gehörten beide wegen ihrer außerordent-
lichen Mildthätigkeit zu den beliebtesten Personen in der
Stadt. Als der Marquis starb, hinterließ er sein kolossales
Vermögen dem jungen Manne, dem später in England ge-
adelten Sir Richard Wallace. Mit dem Tode des Marquis
wurde gleichzeitig das Geheimnis begraben; denn Sir R. Wal-
lace hat niemals einen Schlüssel für den ganzen Zusammen-
hang geliefert. *■ Schleinitz.

Düsseldorf. ■— Es ist seit einigen Jahren Sitte der „freien
Vereinigung", ihrer Jahresausstellung eine „Schwarz-Weiß-
Ausstellung" unmittelbar folgen zu lassen. An der Spitze
steht Willy Spatz mit einer Anzahl Kartons zu alten und
neuen Werken. In diesen Kartons kommt die ganze Em-
pfindungstiefe dieses subtilen Künstlers voll zur Geltung, die
in den Ölbildern durch das ein wenig reflektirte Kolorit oft
geschmälert wird. In dem Blatte „Maternite" ist das in-
stinktive Zusammenschmelzen von Mutter und Kind mit
vollendeter Meisterschaft gestaltet, in einigen anderen Köpfen
giebt er uns die Analyse von Frauenseelen, die gemischt sind
aus Lust und Grauen. — Arthur Kampfzeigt sich ebenfalls von
seiner glücklichsten Seite. In seinen Rotstifthandzeichnungen,
diesen Bruchteilen menschlicher Glieder, gelangt seine emi-
nente Zeichenkunst zur ungetrübten Entfaltung. Menzel
würde diese Details nicht sicherer zeichnen können. Da sitzt
jeder Strich, keiner zu viel, keiner zu wenig, und nicht ein
Anhaltspunkt, der erkennen ließe, wo der Künstler getastet
hätte, alles ist in einem Guss geformt. Auch seine Schwarz-
Weiß-Blätter aus dem Proletarierleben sind gut. Was jedoch
an ihnen weniger anziehend, ist: bei Kampf ist der Prole-
tarier stets nur der stupideFrohnsklave; es wäre sympathischer,
wenn er etwas von jenem hätte, das man die „Poesie" dieses
Standes nennen könnte — Steinlen und Raffaelli vermögen
es in ausgiebigstem Maße zu fassen. Denn jedes hat seine
Poesie, die Cloake sowohl wie der Wald, es bedarf nur der
 
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