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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 8.1897

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Schölermann, Wilhelm: Die XXV. Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause
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https://doi.org/10.11588/diglit.5776#0193

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Die XXV. Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause.

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DIE XXV. JAHRESAUSSTELLUNG IM
WIENER KÜNSTLERHAUSE.

VON WILHELM SCHÖLERMANN.

Man hätte nach den bisherigen Erfahrungen wohl
kaum noch geglaubt, dass auch hier in Wien die Geister
aufeinander platzen könnten. Und doch ist das Uner-
wartete zur Wahrheit geworden. Seit geraumer Zeit
spürte man bereits des Secessionsgeistes einen Hauch,
man munkelte allerlei Gerüchte von Trennung, die an-
fangs leise und unter dem strengsten Siegel der Ver-
schwiegenheit in die Außenwelt drangen — dasEesultat, der
langen Eeden kurzer Sinn, war der neukonstituirte Verein
der bildenden Künstler Österreichs. Die „Jungen" (unter
ihnen befindet sich freilich auch Altmeister Rudolf Alt )
hoffen schon zu Neujahr 1898 ihre erste Ausstellung zu
eröffnen. Das Grundstück zur Erbauung eines eigenen
Pavillons auf dem Exerzirplatze der alten Franz Josef-
Kaserne ist bewilligt — nun also gilt es zu zeigen,
was sie können. Numerisch sind sie ja weder München
noch Berlin gewachsen; da es aber nicht auf die Zahl,
sondern auf Persönlichkeiten ankommt, so wird man
wohl einstweilen abwarten müssen. Giebt die Zukunft
dem neugegründeten, wenn auch etwas verspäteten Unter-
nehmen recht, werden die Früchte, an denen man sie
erkennen soll, kräftige und gesunde sein, so dürfen auch
die Wiener Secessionisten des lebhaften Interesses aller
Verständigen gewiss sein.

Dass die diesjährige Ausstellung infolge der Nicht- j
beteiligung so mancher tüchtigen Kraft etwas klein aus-
gefallen ist, mag man bedauern, das Gesamtbild in Bezug
auf Arrangement u. dgl. leidet kaum darunter. Dass
für größere Jahresausstellungen mit internationaler Be-
teiligung niemals Eaumüberfluss im Künstlerhaus vor-
handen gewesen, ist ein Umstand, der den Vorzug be-
sitzt, oder besitzen sollte, dass dadurch der breiten
Massenware ein wirksamer Eiegel vorgeschoben wird.
Ob es trotzdem geschehen kann, dass Unberechtigtes
hineingelassen,Berechtigtes „wegenRaummangels" zurück-
gewiesen wird, wollen wir hier unerörtert lassen. An
Überfüllung leidet das Künstlerhaus diesmal nicht, und
schon das gereicht — wie im Vorjahre — dem Gesamt-
bild zum Vorteil.

Überraschungen wird man wenige finden. Gute
Bilder in Menge. Nur sind sie zum Teil schon recht
bekannt. Robert Haug's „Vorhut Blücher's am Ehein
bei Caub" bedarf keines Lobes. Was hier an Lebendig-
keit, Vertiefung, Stimmung und echtem Blick für das
wahrhaft Historische geleistet ist, daran könnten gewisse
Historienmaler, die sich offizieller Gunst erfreuen, ein
Beispiel nehmen. Es ist mir immer unverständlich ge-
wesen, wie ein so sehr begabter und vor allem so
deutscher Künstler wie Haug, im Verhältnis zu seiner
Bedeutung nicht weit mehr gewürdigt wird in Kreisen,
die für die Erziehung der Nation verantwortlich sind;

noch dazu da Haug einer von den Künstlern ist, die zu
verstehen man kein Maler zu sein braucht. Haug ist
allgemeinverständlich. Seine Bilder gehören in staat-
liche Galerieen, wo sie für jedermann zugänglich sind.
Ihre erzieherische Wirkung für die gegenwärtige und
heranwachsende Generation müsste mehr zur Geltung
kommen. Mit einem bloßen „Achtungserfolg" ist Haug's
Werken weder Gerechtigkeit, noch uns ein Dienst er-
wiesen.

An Kriegs- und Schlachtenbildern ist die Ausstellung
recht reich. Erwähnt seien Egger Lienx,' stimmungs-
volles, fein empfundenes „Ave Maria der Tiroler Schützen
nach der Schlacht am Berge Isel" und das weniger feine,
aber kräftige, von der Stadt Budapest geliehene Werk
Benczurs: „Die Eückeroberung Ofens", beides Werke,
die bekannt genug sind, um ein nochmaliges Eingehen
auf dieselben überflüssig zu machen. In demselben Saal
wie Haug's erwähntes Meisterwerk, hängt R. v. Otten-
feld's „Ein Euhmestag der österreichischen Artillerie.
3. Juli 1866". — Man sieht auf das Schlachtfeld von
Königgrätz. Das Morden ist vorüber; durch die auf-
ziehenden Abendnebel leuchten rings in der weiten Eunde
die Biwakfeuer auf. Im Hintergrund das brennende
Dorf auf der Höhe von Ohlum und ein fahlgelber Sonnen-
untergang. Vorne eine demolirte österreichische Feld-
batterie, Bedienungsmannschaften, tote und verwundete
Pferde, alles durch- und übereinander. Hier hat's einen
letzten harten Strauß gegeben. Der eiserne Hagel der Zünd-
nadelgewehre und die Bajonette der stürmenden Preußen
haben rein Haus gemacht. Keiner ist davon gekommen,
weil keiner wich. So retteten die Kanoniere die Ehre,
wenn auch nicht die Schlacht. Mit ihrem Heldentod
deckten sie den Abzug der gesamten Infanterie. Ein
Passus aus Moltke's Denkwürdigkeiten lautet in diesem
Sinne: „Als wir über das Schlachtfeld ritten, trafen wir
auf die Eeste jener großen Batterie, die uns so lange
am Vordringen gehindert hatte .... die vortreffliche
österreichische Artillerie hatte den Eückzug der Infanterie
verschleiert." — Dass diese Braven ja eigentlich, vom
Standpunkte deutscher Soldaten, dem Befehl folgeleistend
nur ihre einfache Pflicht thaten, bedarf wohl keiner
näheren Begründung; aber ihrem pflichttreuen Opfertode
gebührt gewiss die verdiente Anerkennung, und Otten-
feld hat die Stimmung und die Bedeutung des Vorgangs
gut zu fassen gewusst. Er ist dafür mit dem Eeichel-
Preis von der Wiener Akademie belohnt worden, der
ihm einstimmig zuerkannt wurde.

Die üblichen, auf Bestellung gemalten Porträts
fehlen natürlich auch diesmal nicht. Unter den vielen
Namen, die bekannt genug sind, ragt Koner's lebens-
volles Bildnis Du Bois Eeymond's hervor, das auch die
verdiente Anerkennung zu finden scheint. Koner ent-
wickelt sjch von Jahr zu Jahr mehr zum Künstler (zum
Unterschied zum bloßen Porträtmaler), was er durch
eine aufsteigende Reihe von tüchtigen, ernsten Bildnissen
 
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