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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 8.1897

DOI Artikel:
Steinmann, Ernst: Das Appartamento Borgia im Vatikan, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5776#0199

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.
Ankündigungsblatt des Verbandes der deutschen Kunstgewerbevereine,

HERAUSGEBER:

t CARL von LÜTZOW und Dr. A. ROSENBERG

WIEN BERLIN SW.

Heugasse 58. York Straße 20.

Verlag von SEEMANN & Co. in LEIPZIG, Gartenstr. 17. Berlin: W. H. KÜHL, Jägerstr. 73.

Neue Folge. VIII. Jahrgang. 1896/97._Nr. 25. 20. Mai.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlieh dreimal, in den
Sommermonaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeit-
schrift für bildende Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf- für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung
die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

In Folge des Ablebens des Herrn Professor v. Lützow in Wien ersucht die unterzeichnete
Verlagsbuchhandlung die Herren Mitarbeiter, ihre Beiträge für die Zeitschrift für bildende Kunst
und die Kunstchronik bis auf weiteres ihr nach Leipzig, Gartenstrasse 17 zuzusenden.

SEEMANK & Co.

das appartamento borgia
im vatikan.

VON ERNST STEINMANN.
(Schluss.)

Wie sich in den Wandbildern der Sixtinischen
Kapelle die Hofbeamten Sixtus IV., Kardinäle, Künstler
und Gelehrte in schlichter Lebenswahrheit präsentiren,
so sehen wir in der Disputation der h. Caterina vor
Valerius Maximus ein glänzendes Abbild des Hoflebens
Alexanders VI. vor uns. Das Fresko behauptet nicht
nur durch seinen Umfang — es nimmt die ganze Hoch-
wand dem Fenster gegenüber ein — vor allen übrigen
Gemälden im Appartamento Borgia die erste Stelle, als
großartigste Leistung Pinturicchio's, der hier ein Sitten-
gemälde von einer Form- und Farbenschönheit ohne-
gleichen entworfen hat, steigert das wohlerhaltene Wand-
gemälde die Teilnahme des Beschauers zu fast atemloser
Spannung.

Masaccio hatte zuerst in seinen heute leider so arg
übermalten Fresken in San demente die Lebens- und
Leidensgeschichte der berühmten römischen Heiligen er-
zählt, und Pinturicchio hat diese Gemälde gekannt und
sich wenigstens in der kindlich frommen Auffassung
Caterina's, welche mit lebhaft bewegter Fingersprache
ihre Sache vor dem Imperator plaidirt, an seinen großen
Vorgänger angelehnt. Niemand anders als Lucrezia
Borgia, die Tochter Alexanders, nacheinander mit Gio-
vanni Sforza, Alfonso von Aragon und endlich dem
Herzog von Ferrara vermählt, aber damals noch nicht
15 Jahre alt, hat dem Künstler für sein holdes Königs-

kind Modell gestanden. Sie trägt die Farben der Borgia,
ein blaues goldgesticktes Kleid und einen roten Mantel,
die unendliche Fülle ihrer goldenen Haare, welche alle
Zeitgenossen bewunderten, fällt aufgelöst über die
Schultern bis über den Gürtel herab, die süße Unschuld
einer kaum erwachten Kinderseele, welche am äußeren
Glanz ihrer Umgebung sich freut, ohne die innere Ver-
derbnis zu verstehen, spricht aus den großen, fast ver-
wunderungsvoll auf den thronenden Kaiser gerichteten
braunen Augen.

Zwei Flüchtlinge, welche, wie andere Fürsten vor
ihnen, am päpstlichen Hof eine Zufluchtsstätte gefunden
hatten, stehen rechts und links von den Stufen des
Throns. Links neben Lucrezia der Türkenprinz Dschem
mit dem Turban von ,.30 000 Ellen Leinwand" um die
Stirn gewunden, der durch seine barbarischen Gewohn-
heiten die Kömer abstieß und ergötzte und für eine Zeit-
lang türkische Moden in die päpstliche Stadt einführte.
Auf der anderen Seite ganz im Vordergrund der Despot
von Morea, ein älterer schwermütig blickender Mann in
der malerischen Tracht der albanesischen Häuptlinge,
welcher gelegentlich durch seine souveränen Ansprüche
die Ceremonienmeister des Papstes in größte Verlegen-
heit setzte. Beide endeten in Rom. Dschem das Eben-
bild seines fürchterlichen Vaters Mahomet IL, vor dem
Italien gezittert hatte, starb schon im Jahre 1495, nach-
dem er eben an Karl VIII. ausgeliefert war. Der Despot
hat noch die ersten Regierungsjahre Julius II. erlebt.

Zwei Männer, welche in der Ecke links gleich
neben dem albanesischen Flüchtling erscheinen, verdienen
eine nähere Bekanntschaft. Der ältere mit breiter
 
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