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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 8.1897

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Steinmann, Ernst: Das Appartamento Borgia im Vatikan, [2]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5776#0202

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391

Kunstblätter.

392

kurzer Zeit überhaupt nur den Schein der Möglichkeit
zu geben?

Mit dem Saal der Sibyllen, welchen man eben so
gut den Saal der sieben Planeten nennen könnte, schließt
die Keihe der Borgia-Gemächer ab. Auch hier sind nur
die Deckenmalereien und die Propheten und Sibyllen in
den Lünetten erhalten, die Wände bedecken Professor
Frenguelli's goldschimmernde Tapeten, der seine Vorbilder
im Saal der h. Caterina fand. Augenscheinlich war die
Geduld Alexanders erschöpft und die Kraft der Künstler
ermattet. Schon der erschreckende Zustand der Zer-
störung, in welchem sich die schon früher restaurirten
Gemälde und Stuckdekorationen befanden, lässt die Eile
erkennen, mit der man hier zu Werke ging. Die Dar-
stellungen der sieben Planeten -in den Bogenzwickeln,
der Sibyllen und Propheten in den Lünetten tragen
durchaus handwerksmäßigen Charakter, während die
schachbrettartige Dekoration der Decke bei aller Un-
regelmäßigkeit im einzelnen als ganzes durchaus originell
und erfreulich wirkt.

Beide Zimmer der Torre Borgia sind heute noch
leer, nur in der Fensternische des Sibyllensaales hängen
einige Chiaroscuro-Fragmente, welche aus den Stanzen
Raffael's stammen sollen, und im Saale des Credo sieht
man außer einigen Marmorfraginenten ein mit maurischem
Ornament verziertes spanisches Möbelstück, welches
Leo XIII., der Herkunft der Borgia eingedenk, hier auf-
gestellt wissen wollte.

Zweimal in der Woche, am Dienstag und Freitag,
steht dem Publikum, welches leider den Weg hierher
durch sämtliche Skulpturensammlungen machen muss, der
Eingang ins Appartamento Borgia frei, und man hört
jetzt schon Stimmen, welche, von dem äußeren Glanz
der neuen Räume bestochen, Pinturicchio den Vorzug
vor Raffael erteilen, dessen Stanzen allerdings von den
Restauratoren nicht so verständnisvoll behandelt sind
wie die Borgia-Gemächer, für deren Wiederherstellung
man dem Professor Seitz in der That nicht dankbar genug
sein kann.

Überdies ist nichts versäumt, das kritische Studium
dieser Gemälde zu erleichtern. Die Publikation des
Padre Ehrle ist im Erscheinen begriffen und wird sicher-
lich den höchsten Ansprüchen genügen. Domenico
Anderson hat vor und nach der Restauration die Wand-
bilder in unzähligen Details aufgenommen, und es ist zu
hoffen, dass ihm ein unbeschränkter Verkauf derselben
baldigst zugestanden wird.

In der That, das alte Rom ist um ein neues herr-
liches Denkmal reicher geworden, und Leo XIII. hat
seine gepriesene Regierung mit einem neuen Ruhmestitel
geschmückt. Dem ernsten Kunstfreund werden ja die
Stanzen Raffael's durch ihre monumentale Größe immer
unendlich viel höher stehen als dieGemächer Alexanders VI.,
aber dadurch, dass die persönlichen Erinnerungen an das
fluchbeladene Geschlecht der Borgia uns hier so überaus

lebendig vor die Seele treten, erhält ein Besuch in diesen
Räumen ganz besondere Reize.

Sehen wir sie doch alle vor uns, wie sie leibten
und lebten, die glänzend schönen, verbrecherischen,
tragischen Gestalten Alexanders VI. und seiner Kinder
von den kühnsten Hoffnungen getragen und noch nicht
mit den ruchlosen Thaten späterer Jahre befleckt. Spiegelt
sich doch hier in den reizenden Schöpfungen der Kunst
im klarsten Bilde das glänzende Leben einer Zeitepoche
wieder, die nun einmal von jeher auf die Dichter und
Denker des XIX. Jahrhunderts eine geheimnisvoll un-
widerstehliche Anziehungskraft ausgeübt hat.

KUNSTBLÄTTER.

V Die mehr und mehr sich steigernde Vervollkomm-
nung der Heliogravüre hat sie zu einer so gefährlichen Neben-
buhlerin des Kupferstichs und der Radirung gemacht, dass
diese beiden Künste immer härter um ihre Existenz ringen
müssen. Die Graphiker sind zwar in neuester Zeit dem
Verlangen des großen Publikums nach malerischer Wir-
kung entgegengekommen, indem sie, übrigens mit glück-
lichem Erfolge, eine Wiederbelebung der Schabkunstmanier
des vorigen Jahrhunderts versuchten; aber auch diese ver-
mag einer guten Heliogravüre gegenüber nicht aufzukommen.
Diese für die graphischen Künste nicht gerade erfreulichen
Betrachtungen sind uns durch die kürzlich erfolgte Veröffent-
lichung von fünf geradezu vollendeten Heliogravüren aufge-
drängt worden, die die Kunsthandlung von Eduard Schulte in
Berlin in den Handel gebracht hat. Freilich hat Herr Schulte
mit feinem Verständnis für die Mittel der Heliogravüre auch
sehr dankbare und wirksame Motive ausgewählt, besonders
in drei Landschaften von Oswald Achenbach aus den Jahren
1889 und 1896, in denen der mit unverwüstlicher Kraft be-
gabte Siebenziger den vollen Zauber seines Kolorits entfaltet
hat. Die erste dieser Landschaften zeigt uns eine Partie vom
Monte Pincio in Rom, jenes Rundell mit dem Wasserbecken,
aus dem sich die Gruppe der Findung des ausgesetzten klei-
nen Moses erhebt. Ein paar Campagnolen in der malerischen
Tracht, die leider heute in Rom nur noch selten gesehen
wird, und ein auf einer Bank vor sich hinnickendes Mit-
glied der Guardia civica bilden die einzige Staffage des träu-
merischen Bildes. Durch die Lücken, die die Gedern und
Steineichen lassen, blickt man rechts auf die Kuppel von
St. Peter, links auf die von San Carlo am Corso. Ein Sei-
tenstück dazu bietet eine reich belebte Straße bei Neapel
mit einem Blick auf den Golf und den Vesuv, eine jener
Mondschemlandschaften, in denen Oswald Achenbach eine
bisher noch von keinem anderen erreichte Meisterschaft ent-
faltet. Das dritte Bild, eine Frühlingslandschaft, gewährt
uns einen Blick auf die beiden Tempel von Pästum, die in
majestätischer Ruhe die umgebende Campagna und das hinter
ihnen liegende Meer beherrschen. Einen pikanten Gegensatz
zu dieser Versteinerung aus grauer Vorzeit bildet die Tou-
ristengesellschaft, die gerade die Stufen zu dem giößeren der
beiden Tempel emporsteigt. Jedes dieser Blätter kostet in
Drucken mit der Schrift 30 M. Auf den beiden anderen Helio-
gravüren spielen die Figuren die Hauptrolle. Die eine giebt ein
anmutiges Bild des in Deutschland lebenden Amerikaners Wil-
liam A. Shade „Liebesfrühling" wieder: ein vornehmes Liebes-
paar in Renaissancetracht inmitten einer Landschaft, die von
Liebesgöttern belebt ist, die den Liebenden ihre Huldigungen in
Blumenguirlanden und Musik darbringen, ein reizvolles Idyll,
 
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