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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 9.1898

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Londoner Rundschau
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5777#0034

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51

Nekrologe.

52

die gezahlten Preise dokumentirt, seit der Mitte des
vorigen Jahrhunderts bis auf unsere Zeit. Der Sub-
titel des Buches lautet: „Record of Art Sales«, und
beginnt das hundert und dreissigjährige Verzeich-
nis der Auktionen des Welthauses mit dem Jahre
1766, und schliesst die Folge mit dem Jahre 1896.
Selbstverständlich ist es nicht möglich an dieser
Stelle, die interessante fortlaufende Vergleichung
der Preise vorzunehmen, welche ein und derselbe
Gegenstand bei steter Rückkehr zum Auktionshause
erzielte. So wurde z. B. für ein Bild von Constable,
dem Meister der modernen Stimmungslandschaft, in
den verschiedenen Auktionen, von 12000 M. an, der
Preis schliesslich bis auf 126000 M. erhöht. Der
Begründer der Firma, James Christie (Jacob I., wie er
hier scherzweise genannt wird), war der Mann, welcher
eine richtige Idee zur richtigen Zeit praktisch aus-
führte. Die Mitte des vorigen Jahrhunderts bezeichnete
in England den Wendepunkt, wo Kunst und Wissen-
schaft der Vormacht der Aristokratie sich zu entziehen
begann und in immer höherem Masse Gemeingut der
Menge wurde. Es ist sehr ergötzlich, aus der be-
treffenden Beschreibung zu ersehen, wie z. B. Lord
Chesterfield, der einflusreiche Kunstmäcen, in seiner
glänzenden Kutsche mit sechs Pferden, Vorreitern,
Läufern und zahlreicher Dienerschaft zur Auktion fährt.
Das gesamte Personal der Firma stürzt an den Wagen-
schlag des Gewaltigen. Alles lauscht im Auktions-
saale seiner Kritik wie Orakelsprüchen. Manches hat
sich seitdem geändert! Aber auch in anderen Be-
ziehungen sind die Aufzeichnungen lehrreich und
unterhaltend. Wir erkennen, dass, sobald auf dem
Kontinente Unsicherheiten entstehen, oder Kriege und
Unruhen ausbrechen, als Folge dieser Ereignisse das
Geschäft bei Christie in erhöhtem Masse blüht. Zahl-
reiche und gute Kunstsammlungen aller Art und aus
aller Herren Länder werden alsdann zur Auktion hier-
her gesandt. In solchen bedenklichen Zeiten war
überflüssiges Geld allein in England vorhanden und
dies Land der einzige Käufer für Kunstobjekte. Auch
hierin ist manches anders geworden, denn nicht allein,
dass zur Zeit wenig fremdländisches Material seinen
Weg hierher nimmt, sondern auch umgekehrt treten
gerade Deutschland, Holland, Frankreich und Amerika
als sehr begehrliche Käufer auf. Natürlich sind sie
nur Christie, nicht aber dem grossen englischen Pub-
likum willkommen. Kontinentale Erwerbungen be-
deuten für England meist einen unersetzlichen Kunst-
verlust.

Die in letzter Zeit bei Christie abgehaltenen
Auktionen haben das Resultat ergeben, dass die
grossen Porträtisten Reynolds, Gainsborough und
Romney noch immer vom Publikum am meisten be-
gehrt werden. Neu ist es aber, dass ihnen der Land-
schafter Turner jetzt gleichgestellt wird. In der Auktion

I des Nachlasses von Sir John Prender erzielten die
Bilder 81,598 £, und davon kamen als Löwenanteil
auf Turner 30,000 £. Das berühmte Seestück „Die
Schiffbrüchigen" brachte allein 7980 £. Der Käufer
war Mr. Wallis, der Besitzer der »französischen Galerie"
in London. Das Bild erwarb seinerzeit Mr. E. Bicknell
vom Künstler selbst, nach der Auflösung der Sammlung
desselben ging es an Sir John Prender über. Es ist
bis jetzt wenig gesehen worden und besonders dem
grossen Publikum so gut wie unbekannt. Die „Staats-
prozession" erzielte 7350 £, „St. Giorgio Maggiore"
7140 £ und „Merkur" 7875 £.

Ich würde mich einer Unterlassungssünde schuldig
machen, wenn ich nicht auch von der Miniaturmalerei
reden würde. Miniaturen zu besitzen gehört heute in
England zur Mode. Eine der besten Sammlungen, die
des Herrn J. Lumsden Propert, hat die hiesige „Fine Art
Society" im ganzen von dem Besitzer erworben und
in ihren Räumen ausgestellt. Nach Schluss der Aus-
stellung wird die genannte Kollektion als aufgelöst
zu betrachten sein, denn viele der besten Nummern
sind schon freihändig verkauft. Herr Lumsden Propert
hat ein hübsches Werk über Miniaturen, allerdings in
der Hauptsache nur über englische Miniaturen, ge-
geschrieben.1) Die „Fine Art Society" in Bond-Street
bildet eine Art von Specialität für Miniaturenaus-
1 Stellungen und kauft für eigene Rechnung jede be-
; glaubigte Miniatur eines verstorbenen englischen
Künstlers an. Das beste Buch über Cosway, der als
Miniaturmaler in England am höchsten geschätzt wird,
hat Mr. Williamson verfasst. Das gedachte Werk ist bei
Bell & Sons herausgekommen. — Robinson & Fisher
verauktionirten eine der schönsten Dosensammlungen
Englands, 114 Nummern, für 13100 £. Die Kollek-
tion bestand nur aus Objekten mit Miniaturmalerei
und zwar aus der Zeit Louis XIII., XIV., XV. und
Louis XVI. Die Preise waren geradezu kolossal; so
erreichte eine Dose mit Malerei von Sujets nach
Fragonard 1520 £. v. SCHLEINITZ.

NEKROLOGE.

SirJohn Gilbert f. Sir John Gilbert, einer der Veteranen
I englischer Kunst, jedenfalls der bedeutendste Aquarellist
seiner Zeit in England, verstarb in Blackheath unweit Lon-
! don am 5. Oktober in seinem vollendeten achtzigsten Lebens-
jahre. 1817 in Blackheath geboren, stellte er 1836 sein erstes
j Bild „Die Verhaftung Lord Hastings durch Richard Qlou-
cester" in London aus. In der Fruchtbarkeit seines Schaffens
kann er mit Dore verglichen werden, wenngleich er künst-
lerisch höher wie letzterer steht. Beiden gemeinsam ist bei
grossem Phantasiereichtum das Ubergewicht der Zeichnung
über die Farbe. Beide haben niemals nach lebenden Mo-
dellen ihre Entwürfe angefertigt. Gilbert hat auch fleissig
in Öl gemalt, aber weder in dieser Manier, noch in der

1) A History of Miniature Art, by J. L. Propert. London,
1 Macmillan & Co.
 
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